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Politik: Clinton in Moskau: Guten Tag, Auf Wiedersehen - Über wichtige Dinge will Putin am liebsten mit Clintons Nachfolger reden

Im Kreml ging es am Samstagabend zu wie an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze: Schon im Vorzimmer zu Wladimir Putins persönlichen Gemächern stoppten Protokollbeamte den Tross von Kameraleuten und Fotografen, die einen Blick auf die festlich gedeckte Tafel zum Candle-light-Dinner erhaschen wollten. Auch das Menü - Plinsen mit rotem Kaviar, Kohlsuppe mit Pilzen und Hirschkeule im Teigmantel gebacken - blieb bis zum nächsten Mittag Staatsgeheimnis.

Im Kreml ging es am Samstagabend zu wie an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze: Schon im Vorzimmer zu Wladimir Putins persönlichen Gemächern stoppten Protokollbeamte den Tross von Kameraleuten und Fotografen, die einen Blick auf die festlich gedeckte Tafel zum Candle-light-Dinner erhaschen wollten. Auch das Menü - Plinsen mit rotem Kaviar, Kohlsuppe mit Pilzen und Hirschkeule im Teigmantel gebacken - blieb bis zum nächsten Mittag Staatsgeheimnis. Unklar ist weiterhin, ob Bill beim anschließenden Jazz-Konzert mitmachen konnte. Die Organisatoren hatten jedenfalls ein Saxophon bereitgestellt.

Viel Geheimnis, viel Ehr. Russland weiß, was es Staatsgästen schuldig ist. Zumal Bill Clinton, der zu seinem letzten Russland-Besuch auf dem Moskauer Regierungsflughafen Wnukowo-2 eingeschwebt war. Mit großem Gefolge, aber ohne First Lady. Denn Hillary geht längst eigene Wege. Als treusorgende Gattin, so der bissige Kommentar hiesiger Medien, habe sie rechtzeitig Vorkehrungen dafür getroffen, dass die Clintons nach dem Machtwechsel im Weißen Haus keine allzu großen Abstriche an ihrem aufwendigen Lebensstil machen müssten.

Das ist bei weitem nicht der einzige Seitenhieb. Russlands Journaille, von Putins Presseministerium zunehmend wieder an der kurzen Leine gehalten, lechzt nach Gelegenheiten, die angestaute Beißlust an innenpolitisch unbedenklichen Objekten auszutoben. Die Luftlandeoperation der Yankees - für die Russen stets Objekt der Hassliebe - war in dieser Hinsicht von der ersten Sekunde an ein gefundenes Fressen.

Erbarmungslos saugten sich die Kameras an Madeleine Albright fest, die demütig am Ausstieg der US-Airforce-1 ausharrte, bis Clinton das Ende der Gangway erreicht hatte, wo Außenminister Igor Iwanow wartete. In epischer Breite erlebte der Zuschauer auch, wie Albright, beengt von einem zu langen Rock, Clinton über das Rollfeld nachstolperte. Frauen, noch dazu solche in Spitzenpositionen, haben in der russischen Macho-Gesellschaft seit jeher schlechte Karten. Albright aber, der die öffentliche Meinung die Hauptschuld am Krieg der Nato gegen die serbischen Brüder aufbürdet, ist die Inkarnation des Bösen schlechthin.

Clinton selbst kam kaum besser weg. Genüsslich schweiften sämtliche Kameras durch die Fürsten-Suite des Mariott-Hotels: 137 Quadratmeter, die für den amerikanischen Steuerzahler mit 1750 Dollar pro Nacht zu Buche schlagen. Vor allem das breite Doppelbett hatte es ihnen angetan. Monicas Schlagschatten ist allgegenwärtig, auch wenn ihr Name nicht fiel. Sie verfolgte den Präsidenten sogar noch, als der - ein absolutes Novum in der Geschichte der russisch-amerikanischen Beziehungen - gestern Abend bei "Echo Moskwy", dem Moskauer Inforadio, 30 Minuten lang Hörerfragen live beantwortete. Was als hoch politische Veranstaltung geplant war, endete als Smalltalk. Ein junger Mann, der sich als Anatolij vorstellte, sagte, er brauche kompetenten Rat, wie er sich bei "einem drohenden sexuellen Skandal" am besten aus der Affäre ziehen könne. Das Schweigen ließ zunächst einen Sendeausfall vermuten. "Nehmen Sie sich ein Beispiel", krähte dann der tapfer um Fassung kämpfende Moderator, "Kopf einziehen und abtauchen. Dann kann Ihnen nicht viel passieren."

Kopf einziehen und abtauchen: Das hatten Clinton schon am Freitag die Duma-Abgeordneten geraten, vor denen er heute das Wort ergreift. Diese Ehre wurden bisher nur zwei ausländischen Politpromis zuteil: 1998 dem damaligen iranischen Parlamentschef und im letzten Jahr Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko. Beide feierte das hohe Haus mit stehenden Ovationen. Zu Clintons Auftritt indes überlegten Kommunisten und Hurrapatrioten allen Ernstes den Einsatz einer Torte als Wurfgeschoss.

Russland, so drohte Dmitrij Rogosin, immerhin Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses, dürfe beim Hauptthema des Gipfels - Modifizierungen des ABM-Vertrages zur Begrenzung strategischer Raketenabwehrsysteme, wie sie die USA wünschen - keine Kompromisse eingehen: "Kommen wir denen auch nur einen Millimeter entgegen, verlangen die von uns auch Zugeständnisse in Sachen Tschetschenien, Pressefreiheit und ähnlichen Unfug", tönte Rogosin.

Offiziell geht der Gipfel erst heute Mittag zu Ende. Außer Spesen ist dennoch wenig gewesen. Hiesige Medien hatten angesichts der umfänglichen Tagesordnung von 20 Einzelthemen - Abrüstung, regionale Konflikte, Zusammenarbeit beim Kampf gegen internationalen Terrorismus und organisiertes Verbrechen - zwar einen Kuhhandel prophezeit. Alles, so die einflussreiche Tageszeitung "Kommersant" im Vorfeld des Gipfels, drehe sich darum, welchen Preis der Kreml für Russlands Einlenken bei den Raketenabwehrsystem fordern würde und ob Washington zur Zahlung bereit sei. Aber nach der gemeinsamen Pressekonferenz gestern Abend fielen die Schlagzeilen kleiner aus: "großes Treffen der kleinen Absprachen".

Insgesamt fast sieben Stunden haben Putin und Clinton miteinander verbracht. Für einander erwärmen konnten sie sich dennoch nicht so recht. Und das lag vor allem an Putin. Anders als Boris Jelzin, dem Clinton heute auf dessen Landsitz Gorki-9 bei Moskau einen Höflichkeitsbesuch abstattet, hält Putin als Pragmatiker wenig von Männerfreundschaften und Sauna-Diplomatie.

"Wir sind wieder wer", heißt es seit dem Machtwechsel im Kreml. Diese Botschaft ist neben fünf bilateralen Abkommen, die Beobachter eher sekundär nennen, das einzig konkrete Ergebnis, das Clinton nach Hause tragen kann. Als Ex-Kundschafter an der unsichtbaren Front ist für Putin auch bei Heimspielen Vorsicht erste Bürgerpflicht. Daher ließ er vor allem seinen Gast reden und beschränkte sich selbst eher aufs Zuhören.

Die großen Dinge des Lebens, so hatte ein hoher Beamter des Präsidentenamtes gesagt, würde Moskau ohnehin mit Clintons Nachfolger besprechen. Am liebsten mit George Bush junior, dessen Emissäre schon jetzt im Kreml ein und aus gehen. Bush, so behauptete die stets gut informierte "Iswestija", habe Putin bereits wissen lassen, er habe Trümpfe in der Hinterhand, zu denen Moskau kaum nein sagen könne.

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