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Politik: Club der Reichen

Von hundert US-Senatoren sind 40 Millionäre. Amerikaner meinen: Wer Geld hat, kann etwas – und entscheidet vernünftig

Wer Geld hat, ist verdächtig. Geld macht gierig. Geld macht korrupt – Geld verdirbt den Charakter, sagt der Volksmund in Deutschland. Und deutsche Massenblätter machen noch aus jeder Diätenerhöhung einen Skandal. Millionen hat schließlich keiner verdient, kein Manager, kein Fußballspieler, kein Fotomodell. Es darf einer berühmt, gesund, schön und klug sein. Aber auch noch reich? Besonders verdächtig sind Politiker. Weil hohe Vermögen angeblich weder mit Geist noch Anstand zu vereinbaren sind, gilt in diesem Weltbild der Bettelmönch als Ideal des Politikers.

In den USA hat die jüngste Meldung über Reichtum und Politik dagegen keinerlei Aufsehen erregt: Mindestens 40 der 100 US-Senatoren sind Millionäre. Die Liste der Superreichen führt John Kerry an, der sich bei den Demokraten um die Präsidentschaftskandidatur bewirbt. Allerdings ist sein Geld eher das seiner Frau Teresa Heinz. Das Vermögen der Ketchup-Erbin wird auf 500 Millionen Dollar geschätzt. Auch zwei weitere Demokraten, die ins Weiße Haus streben, John Edwards und Bob Graham, sind Millionäre. Ebenso Hillary Clinton, die für ihr jüngstes Buch acht Millionen Dollar Honorar erhält. Das freilich sind „Peanuts“ im Vergleich zu den üppigen Salären ihres Gatten, Ex-Präsident Bill Clinton. Der strich allein im vergangenen Jahr 9,5 Millionen Dollar für ein paar Dutzend Reden ein.

Allerdings verteilt sich der Reichtum zwischen liberalen und konservativen Politikern in den USA ziemlich gerecht. Zehn der 15 Mitglieder des Regierungskabinetts von George W. Bush sind Millionäre, ein Drittel des Kabinetts liegt gar in der 10-Millionen-Aufwärts-Kategorie. An der Spitze liegen Rumsfeld, Cheney und Powell.

All diese Daten werden jedes Jahr bekannt gegeben. Die Regierung in Washington und sämtliche 535 Mitglieder des Kongresses müssen detailliert ihre Vermögensverhältnisse offen legen. Welche Einkünfte beziehen sie, welche Aktien halten sie, was zahlen sie für die Ausbildung ihrer Kinder, welche Lebensversicherungen wurden abgeschlossen, wofür und wie viel haben sie gespendet? Selbst der Wert der Bilder, die zu Hause an ihren Wänden hängen, wird geschätzt. Völlige Transparenz: Dadurch kontrolliert das amerikanische Volk seine Politiker. Es weiß über sie lückenlos Bescheid. Das beruhigt.

Außerdem ist die Auffassung verbreitet: Wer Geld hat, ist unabhängig. Er hat es nicht nötig, sich bestechen zu lassen. Und oft hat er in der freien Wirtschaft eine Vielzahl jener Qualitäten unter Beweis gestellt, die auch einen guten Politiker kennzeichnen. Er kann verhandeln, kalkulieren, Ziele verfolgen, sich durchsetzen.

Der US-Senat mag ein Club der Millionäre sein. Die Amerikaner jedoch sehen das gelassen. Für die meisten von ihnen ist das weniger anrüchig als skurril. Wer Geld hat, hat Erfolg, wer Erfolg hat, der kann etwas. Und Politikern, die etwas können, traut man auch eher zu, vernünftige Dinge zu beschließen. Die Vorstellung, 535 Bettelmönche würden die Geschicke ihres Landes lenken, jagt US-Bürgern einen kräftigen Gruselschauer über den Rücken.

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