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Schwere Vorwürfe. Der amerikanische Justizminister Eric Holder (rechts) und FBI-Chef Robert Mueller erläuterten die Ermittlungsergebnisse.

© dpa

Codewort "Chevrolet": USA setzen Teheran wegen Anschlagsplänen unter Druck

Iraner planten offenbar ein Attentat auf den saudischen Botschafter in Amerika. Ihr Killer war Informant der US-Behörden – die setzen Teheran nun unter Druck.

Er sollte in seinem Lieblingsrestaurant sterben. Bei dem Anschlag, der den Botschafter Saudi-Arabiens Adel al Dschubair in Washington töten sollte, wollten die Urheber offensichtlich keinerlei Rücksicht nehmen. Denn die Details, die in der 21 Seiten starken Anklageschrift der US-Justiz enthalten sind und sich auf das Geständnis des wichtigsten Beschuldigten und abgehörte Telefonate beziehen, zeigen eine ganz besondere Kaltblütigkeit. „Kein Problem“ sei es, wird darin der mutmaßliche Attentäter Manssor Arabsiar zitiert, wenn bei der Aktion auch 100 oder gar 150 Unschuldige zu Tode kämen.

Das mutmaßliche Mordkomplott – vom FBI verhindert – mute in seiner Planung an wie ein Hollywood-Drehbuch, sagte Robert Mueller, Chef der Behörde. Für den Anschlag im Restaurant hätten die Iraner im Sommer eigens einen mexikanischen Auftragskiller angeheuert. Zu deren Pech war der allerdings als Informant für die US-Behörden tätig.

Das ohnehin durch den Atomstreit stark angespannte Verhältnis zwischen Washington und Teheran wird nun ohne Zweifel noch weiter abkühlen. „Dieser Fall illustriert, dass wir in einer Zeit leben, in der Grenzen immer irrelevanter werden“, resümierte Robert Mueller nach dem Fahndungserfolg seiner Behörde. Nach den Anschlägen des 11. September 2001 hatte sich das FBI noch schweres Versagen vorhalten lassen müssen.

Schlimmeres konnte, so schildern es die US-Behörden, nur deshalb verhindert werden, weil der 56-jährige Manssor Arabsiar – ein US-Staatsbürger mit iranischem Reisepass – bei seiner Suche nach Sprengstoff und Know-how für die geplanten Anschläge unwissentlich an einen Mexikaner mit engen Beziehungen zur Drogenmafia geriet, der allerdings auch mit amerikanischen Fahndern der Anti-Drogen-Behörde DEA kooperierte. Dieser als „zuverlässig“bezeichnete Zulieferer nahm dann bei mehreren Treffen heimlich die Gespräche mit Manssor Arabsiar auf, der einen Wohnsitz in der texanischen Stadt Austin hat und zeitweise als Gebrauchtwagenhändler arbeitet.

Arabsiar war, so will das FBI ermittelt haben, von seinem Cousin Abdul Reza Shahlai angeworben worden, der den mexikanischen Helfern für die Unterstützung des Attentats in mehreren Raten insgesamt rund 1,5 Millionen US-Dollar zahlen wollte. Eine Anzahlung von 100 000 Dollar sei wohl bereits geleistet worden. Zudem gilt Shahlai als Mitglied der iranischen Kuds-Brigaden, einer Spezialeinheit der sogenannten „Revolutionswächter“. „Das Geld ist im Iran“, soll Arabsiar dem US-Informanten bei einem Treffen auf Band gesprochen haben. Untereinander nutzen die mutmaßlichen Attentäter – neben Arabsiar wird auch das im Iran vermutete flüchtige Kuds-Mitglied Gholam Schakuri formell beschuldigt – das Codewort „Chevrolet“, wenn sie über ihre Pläne sprachen. Als ginge es um einen Autokauf.

"Egal wie viele sterben" - der geständige Manssor Arbabsiar.
"Egal wie viele sterben" - der geständige Manssor Arbabsiar.

© Reuters

Wie die „New York Times“ unter Berufung auf Sicherheitsbeamte berichtet, soll zudem auch das kriminelle lateinamerikanische Los-Zetas-Kartell in das Komplott verwickelt sein. Neben der Ermordung des saudischen US-Botschafters Adel al Dschubair soll es Pläne für Bombenanschläge auf die saudische Botschaft in Washington und die israelische Botschaft in Argentinien gegeben haben.

Seitdem der geständige Arabsiar am 29. September auf dem New Yorker John F. Kennedy-Flughafen verhaftet wurde, richtet sich die Aufmerksamkeit der US-Behörden vor allem auf die Hintermänner im Iran – und die damit verbundene politisch hochbrisante Frage: Wie hoch sind in der Hierarchie des Regimes Mitwisser des Komplotts angesiedelt? Und ist es überhaupt vorstellbar, dass eine solche folgenreiche Aktion ohne Kenntnis der iranischen Führung, inklusive Präsident Mahmoud Ahmadinedschad, durchgeführt wird? FBI-Chef Mueller sagte dazu, das Vorhaben sei von „iranischen Regierungselementen“ gesteuert worden.

Die Wortmeldungen aus der US-Spitze fielen dann auch entsprechend harsch aus. Zunächst beschuldigte Außenministerin Hillary Clinton den Iran, eine Linie überschritten zu haben – wofür man nun Teheran zur Rechenschaft ziehen müsse. Clinton rief die internationale Gemeinschaft zu scharfen Maßnahmen gegen den Iran auf. In einem Telefonat mit dem seit 2007 in den USA akkreditierten Botschafter Dschubeir wurde auch Präsident Barack Obama deutlich: Das geplante Verbrechen sei ein eklatanter Verstoß gegen amerikanisches und internationales Recht, der Konsequenzen haben werde. Der republikanische Abgeordnete Peter King aus New York ging sogar noch weiter: Wäre das Attentat gelungen, so hätte dies „einen Akt des Krieges“ bedeutet, sagte King. Dieses Verhalten gehe über alles hinaus, was man bisher von Teheran erlebt habe, wurde King auf seiner Homepage zitiert.

Am Mittwoch war absehbar, dass das Weiße Haus vor allem mit Sanktionen und verbalen Rügen aktiv werden will. Das US-Finanzministerium fror erst einmal die Konten der beiden Angeklagten sowie von drei weiteren mutmaßlichen Hintermännern ein. Unklar ist allerdings, ob vor allem die im Iran ansässigen vermuteten Drahtzieher überhaupt über wesentliche US-Guthaben verfügen. Zudem wurden die Guthaben der iranischen Fluglinie Mahan Air in den USA eingefroren. Der Fluglinie wird nach den Worten des Sprechers des Weißen Hauses, Jay Carney, vorgeworfen, heimlich Mitglieder, Waffen und Finanzmittel der iranischen Republikanischen Garden transportiert zu haben. Das US-Außenministerium begann derweil erste Beratungen mit den westlichen Verbündeten im Hinblick auf weitere Sanktionen gegen Teheran. Die könnten sowohl bei den Vereinten Nationen wie auch unilateral vorangetrieben werden. Gleichzeitig wurden US-Bürger zu erhöhter Vorsicht ermahnt: Vom Iran veranlasste Attacken könnten auch in den USA stattfinden, verkündete das Außenministerium.

Und wie sieht Teheran die massiven Vorwürfe? Die Reaktion ist das, was man in Washington als „erwartet“ bezeichnet: Jede Menge Dementis. Es gebe keinen Grund, einen solchen „kindischen Akt“ auszuführen, sagte der iranische Parlamentssprecher Ari Laridschani. Und der Vertreter des Irans bei den UN konstatierte in einem Schreiben an Generalsekretär Ban Ki Moon: Die Beschuldigungen der USA seien offensichtlich politisch motiviert und zeigten die langanhaltende Feindlichkeit gegenüber der iranischen Nation.

Teheran bezeichnete die Anschuldigungen als „konstruiertes Szenario“ und wies die „schändliche Behauptung kategorisch und auf das Schärfste zurück“. Der iranische Außenminister Ali Akbar Salehi warf den USA am Mittwoch vor, damit nur von innenpolitischen Problemen ablenken zu wollen. Teheran bestellte den Schweizer Botschafter ein, der die Interessen der USA im Iran vertritt. Beide Länder unterhalten seit 1980 keine diplomatischen Beziehungen mehr.

Allerdings äußerten Experten auch Zweifel an den Anschuldigungen. „Warum sollte der Iran den saudischen Botschafter in Washington ermorden wollen?“, fragte Iran-Experte Alireza Nader von der Rand Corp., einem US-Think-Tank, in der „Washington Post“. Andere Experten meinten, ein solches Komplott sei völlig untypisch für den Iran. (mit AFP)

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