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Politik: Cool Britannia

Londons Polizei fürchtet Terroranschlag – deshalb wird geübt

Sonntagmittag in London: Fahrgäste in einer U-Bahn der Waterloo-City-Line werden von Dämpfen übermannt. Sie ringen nach Atem, stürzen zu Boden, einige sterben. Panik bricht aus. Kurz nach der Abfahrt aus der U-Bahnstation „Bank“ muss der Fahrer im Tunnel halten. Was folgt, soll die größte Katastrophenübung der Weltstadt London seit den Anschlägen vom 11. September 2001 werden. „Regie“ führt das London Resilience Team, der Koordinierungsstab zum Schutz vor Terrorangriffen.

Die U-Bahn-Passagiere werden in der Terrorübung „Osiris 2“ von 60 Polizei-Kadetten gespielt. Die übrigen Beteiligten eines Katastrophen-Szenarios, U-Bahn-Personal, Feuerwehr, Ambulanzen und Krankenhäuser, werden so realitätsnah getestet wie möglich. Das Resilience Team leitet seit Oktober 2001 die strategische Notfallplanung und die Kooperation der Notdienste in der britischen Hauptstadt. Mit Millionenaufwand bereitet man sich auf einen Terroranschlag vor – ein Ereignis, dessen Eintreffen Polizeichef John Stevens diese Woche zum wiederholten Mal „nicht als eine Frage des Obs, sondern des Wanns“ einstufte. Allerdings versichert das Innenministerium, dass die Übung nichts mit einer „spezifischen Terrorwarnung“ zu tun habe.

Getestet werden in dieser wegen des Irakkrieges taktvoll verschobenen Übung chemische Schutzanzüge im Wert von fast einer halben Million Euro, Geräte zur Identifizierung chemischer und biologischer Stoffe, extraleichte Aluminiumtragen und Dekontaminierungsduschen. Vor allem aber stehen die „Kooperationsprotokolle“ zwischen den Notdiensten auf dem Prüfstand und ihre Möglichkeiten, chemische Angriffsstoffe zu identifizieren, Evakuierungskorridore zu schaffen, U-Bahnzüge und Tunnel zu dekontaminieren und Fahrgäste und Passanten im nahe gelegenen University College Hospital zu behandeln.

Bank ist eine der „tiefen“ Londoner Stationen und wurde als möglicher Ort eines Giftanschlags genannt, als im Januar der so genannte Rizin-Terror-Ring aufflog. Eines der „schweren Szenarien“, heißt es entsprechend bei der Übungsleitung. Polizisten und Feuerwehren müssen zusehen, wie sie mit den unbequemen Schutzkleidern im U-Bahntunnel zurechtkommen; nur die Mitglieder der Feuerwehrgewerkschaft FBU verlangen für das Tragen der Schutzkleidung 100 Pfund extra. Glücklicherweise fährt die Linie Waterloo-City sonntags nicht; der U-Bahn-Verkehr ist also nicht betroffen. Auch Passanten dürften auf den Spuk kaum aufmerksam werden: Die Gegend um „Bank“ wird abgesperrt; ohnedies ist das Zentrum des Finanzviertels sonntags verwaist.

Die Zeit der IRA-Anschläge hat die Londoner gelehrt, mit Terrordrohungen cool, aber wachsam umzugehen. „Vertraue deinen Instinkten“ hat das Innenministerium als Grundregel empfohlen. Unklar ist, wie weit die Einwohner den Rat befolgen, Batterien, Taschenlampe, Wolldecken und Wasserflaschen bereitzuhalten. Sicher ist, dass ihr Vertrauen in die Rettungsdienste, deren technische Ausstattung und Koordinationsfähgkeit eher beschränkt ist. Eine weitere Großübung wird für 2005 geplant – dann gemeinsam mit den USA.

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