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US-Präsident Donald Trump bei seiner Ansprache an die Nation am Mittwochabend.

© Doug Mills/REUTERS

Coronavirus in den USA: Donald Trumps Verständnisproblem

Noch immer wird kaum getestet in den USA. Der Präsident kündigt an, es könne "bald" losgehen. Aber kann das Land überhaupt mit einer schweren Epidemie umgehen?

In den USA wird die Dimension der Coronavirus-Krise von vielen immer noch nicht richtig verstanden - an vorderster Stelle offenbar von Präsident Donald Trump. Zwar werden seit Donnerstag auch in Städten wie Washington Supermärkte leergekauft und das öffentliche Leben heruntergefahren. Aber Trump beschäftigt sich lieber damit, Schuldige für den "ausländischen Virus" im In- und Ausland zu finden und dafür, warum immer noch nicht klarer wird, wie schlimm die Lage eigentlich bereits ist.

Dabei klingen die Meldungen immer alarmierender. So schätzte beispielsweise der Direktor des Gesundheitsministeriums in Ohio, dass bereits mehr als 100.000 Menschen in diesem Bundesstaat mit den Coronavirus infiziert seien. Landesweit sind indes gerademal etwas mehr als 10.000 Bürger getestet worden.

Stand Freitag waren auf der Internetseite der Gesundheitsbehörde CDC lediglich 1215 Fälle aufgeführt, die in 42 Bundesstaaten und dem District of Columbia, in dem die Hauptstadt Washington liegt, aufgetreten seien. 36 Menschen sind demnach bereits an der von dem Virus ausgelösten Lungenkrankheit Covid-19 verstorben.

[Aktuelle Entwicklungen zum Coronavirus können Sie hier in unserem Newsblog verfolgen.]

Wie viele Beatmungsgeräte gibt es in den USA?

Mehr als mit reinen Infektionszahlen und dem geografischen Verbreitungsgrad sollten die Amerikaner sich aber ohnehin mit drängenden Fragen beschäftigen, um zu verstehen, warum die Experten so alarmiert seien, fordert die "Washington Post". "Wie viele Beatmungsgeräte gibt es in diesem Land?", fragt die Zeitung. "Wie viele Krankenhausbetten? Wie viele Ärzte und Krankenschwestern? Und am wichtigsten: Wie viele Kranke können sie zur selben Zeit behandeln?"

[Wie schütze ich mich? 66 Fragen und Antworten zum Coronavirus]

Die Antworten auf diese Fragen sind extrem beunruhigend. Das Center for Health Security an der Johns Hopkins University in Baltimore schätzt, dass es im ganzen Land gerade einmal 160.000 der für Schwerkranke überlebenswichtigen Beatmungsgeräte gibt. Bei knapp 320 Millionen Einwohnern klingt das ähnlich knapp wie die etwa eine Million Krankenhausbetten, die landesweit zur Verfügung stehen. Hier liegen die Amerikaner deutlich unter dem Schnitt beispielsweise von Südkorea oder China. Auch in Deutschland stehen mit knapp 500.000 Betten für gut 82 Millionen Einwohner pro Kopf deutlich mehr Betten zur Verfügung.

[Welche Folgen hat das Coronavirus bislang in Berlin? Lesen Sie hier unseren Live-Blog.]

Die "Washington Post" verweist in diesem Zusammenhang auf eine Studie, die die US-Regierung vor 15 Jahren mit Blick auf eine drohende Grippe-Pandemie erstellt hat; neuere Szenarien gibt es offenbar nicht. Demnach würden bei einer moderaten Pandemie rund 38 Millionen Menschen ärztlich versorgt werden müssen, eine Million davon im Krankenhaus und 200.000 auf der Intensivstation. Bei einem schweren Verlauf gingen die Experten von 9,6 Millionen Krankenhaus- und 2,9 Millionen Intensivstation-Patienten aus.

Diese Zahlen machen deutlich, warum die zögerliche Reaktion der US-Regierung viele Experten entsetzt. Vor allem ist es schwer nachvollziehbar, dass bislang erst so wenige Menschen auf das Virus getestet wurden. So wurde der Kongress am Donnerstag darüber informiert, dass insgesamt bislang nur 11.000 Tests durchgeführt wurden. Zum Vergleich: Südkorea testet 10.000 Personen am Tag.

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Präsident Trump hat sich bisher nicht testen lassen

Der um seine Wiederwahl besorgte Präsident Trump machte aber am Freitag lieber einmal mehr die Vorgängerregierung von Barack Obama für die sich zuspitzende Lage verantwortlich. Auch wehrt er sich noch dagegen, sich selbst testen zu lassen, obwohl er nachweislich mit Infizierten wie dem Kommunikationschef des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro in Kontakt war. Dabei wäre es gut, er würde seinen eigenen Experten einfach mal zuhören und die richtigen Schlüsse daraus ziehen.

In der von Trump einberufenen Task Force für die Coronavirus-Krise gibt es mit Anthony Fausti immerhin einen hoch angesehen Immunbiologen, der seit Tagen ausspricht, was ist – und was noch kommen kann. Der Direktor des Nationalen Instituts für Infektionskrankheiten in den USA sagt nicht nur klipp und klar, das Virus werde sich auch in den USA weiter ausbreiten. Sondern er gibt auch offen zu, dass das Test-System "versagt": Es werde dauern, bis deutlich mehr Amerikaner getestet werden könnten.

"Das Test-System versagt"

"Unterm Strich wird es schlimmer werden", sagte Fausti bei einer Anhörung im Kongress am Donnerstag. Daher müssten auch die Amerikaner ihr Verhalten der Krise anpassen. "Wie viel schlimmer es werden wird, wird von unserer Fähigkeit abhängen, zwei Dinge zu tun: den Zustrom von Menschen, die infiziert sind, von außerhalb einzudämmen." Und wie gut es den USA gelänge, einzudämmen und abzuschwächen.

Mit den Tests immerhin soll es nun bald besser werden. Das zumindest kündigte Trump am Freitag an. Sehr bald werde in "sehr großem Umfang" getestet werden, schreibt er auf Twitter. Sämtliche bürokratischen Hürden seien abgeschafft. "Es kann losgehen." Wie und wann, das ließ der Präsident zunächst offen. Für 15 Uhr Ortszeit (20 Uhr MEZ) kündigte er eine Pressekonferenz an.

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