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Mediziner Patrick Ingiliz.

© privat

Crystal und die Folgen: „Manche putzen dann wie wild“

In Berlin ist Crystal noch eine Droge in bestimmten Szenen, sagt Patrick Ingiliz vom Medizinischen Infektiologiezentrum Berlin. Er betreut Patienten, die sich durch ungeschützten Sex oder gemeinsamen Drogenkonsum angesteckt haben.

Herr Ingiliz, Sie betreuen viele Patienten, die im Berliner Nachtleben aktiv sind. Dabei geht es auch um Folgen des Konsums illegaler Drogen. Was hat sich geändert?

Seit einem, vielleicht zwei Jahren gibt es deutlich mehr Patienten, die Crystal nehmen. Viele von ihnen tun dies, um feiern zu gehen. Und zwar aus allen Milieus – vom angelernten Arbeiter bis zum promovierten Akademiker.

Welche Altersgruppen sind dabei?

Das ist ebenfalls breit gestreut, vom Heranwachsenden bis zum 50-Jährigen, der sich davon besseren Sex verspricht.

Bislang galt Crystal eher als Arbeiterdroge, schon weil ein Rausch durch Crystal meist weniger kostet als einer durch Kokain, aber beides macht antriebsstark und euphorisch.

Das mag sein. Die Menge, die man für einen Rausch braucht, dürfte bei Crystal geringer sein, als etwa bei Kokain. Mir sind allerdings auch einkommensstarke Rechtsanwälte und Ärzte bekannt, die Crystal konsumieren. Vor allem in Berlin wird Crystal offenbar vor allem als Partydroge genutzt. Aus Sachsen etwa liest man ja Geschichten, wonach der Konsum von Crystal in einigen Gegenden schon von Jugendlichen in den Alltag integriert ist.

Wird Crystal Meth ein ständiger Begleiter im Nachtleben, auf vielen Schwulen-Partys wird ziemlich offen damit umgegangen?

Noch ist Crystal eher eine Droge in bestimmten Szenen. Ob sich das ändert, und wo Crystal künftig von wem genommen wird, ist schwer vorherzusagen.

Aus Drogen-Beratungsstellen heißt es, Crystal mache extrem abhängig.

Das berichten meine Patienten auch. Es wirkt stärker als Kokain und Speed, außerdem wirkt es langanhaltend sexuell stimulierend. Auch der Wunsch, mehr davon zu nehmen, ist stärker als bei anderen Drogen. Viele Betroffene berichten, dass sie sich nach wenigen Malen abhängig gefühlt haben. Ob und wie gut man davon loskommt, ist schwer zu sagen. In einem mir bekannten Fall hat ein Mediziner sieben Jahre lang Crystal gespritzt, inzwischen nimmt er die Droge wohl nicht mehr, mit Sicherheit aber nicht mehr so oft.

Wird Crystal nicht durch die Nase gezogen?

Meistens ja, aber weil der Drang nach mehr so stark ist, greifen einige Konsumenten rasch zu Spritzen. Dann geht die Substanz direkt ins Blut.

Wie oft nehmen Betroffene denn Crystal?

Das ist unterschiedlich. Einige bleiben ziemlich lange bei einem Rhythmus, der den Konsum auf Partys und auf die Wochenenden beschränkt. Doch bei den meisten steigert sich das schnell. Und die Auswirkungen sind enorm. Wer samstags regelmäßig Crystal nimmt, sitzt mittelfristig montags nicht mehr in seinem Büro. Die Leute fühlen sich lange nach dem Konsum noch elend, das sogenannte Comedown kann verheerend sein, Depressionen sind häufig. Und dann legen einige mit Crystal nach, um sich wieder gut zu fühlen.

Wieso nehmen Menschen eine Droge, die wie keine andere als gefährlich gilt – und von deren Wirkung es massenhaft Bilder gibt: etwa die erschreckenden Fotos aus den USA, auf denen Menschen zu sehen sind, bevor sie und nachdem sie angefangen haben, Crystal zu nehmen?

Wie bei vielen Drogen überschätzen sich Menschen eben. Außerdem hat Crystal mehrere Gesichter. Von den Betroffenen, die ich kenne, sieht niemand so aus, wie auf den bekannten Bildern. Aber gefährlich ist es schon. Crystal verspricht eben die Wirkungen der bekannten, traditionellen Amphetamine, nur viel stärker.

Einige Konsumenten berichten von einem anhaltenden Putzwahn.

Ja, Crystal macht aktiv, wach. Plötzlich hat man als Konsument viel Zeit – auch wenn die Party schon vorbei ist. Manche putzen dann wie wild.

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