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CSU: Abschied von der Sonderrolle

Am Sonntag wird in Bayern gewählt. Sollte die CSU die absolute Mehrheit verlieren, könnte die Partei ihren Einfluss in der Union einbüßen.

Von Robert Birnbaum

Berlin - So richtig dran denken mag eigentlich keiner, und selbst halblaut drüber spekulieren mag auch noch keiner. Trotzdem geht in der CSU-Landesgruppe im Bundestag ein leises Unbehagen um bei dem Gedanken, dass die CSU in Bayern am Sonntag die absolute Mehrheit verlieren könnte. Denn das werde, schwant einem Abgeordneten, auch für die CSU in Berlin nicht folgenlos bleiben. Nicht heute, nicht morgen – doch auf Dauer würde die Sonderstellung in der Bundespolitik leiden.

Diese Sonderstellung äußert sich in einer Vielzahl von Vorrechten, die größtenteils sogar schriftlich vereinbart sind. Selbstverständlich ist der CSU-Chef Mitglied der Koalitionsrunden. Natürlich steht der CSU in jeder Regierung, an der die Union beteiligt ist, ein Ministerkontingent zu. Für den parlamentarischen Alltag garantiert ein Fraktionsvertrag bis ins Detail die CSU-Ansprüche an Personal und Stellung – angefangen davon, dass der Landesgruppenchef automatisch Erster Stellvertreter des Fraktionsvorsitzenden ist, bis zur Repräsentanz in Unterausschüssen. Und für den Fall der Fälle enthält der Vertrag, der jeweils zu Beginn der Legislaturperiode neu unterzeichnet wird, sogar eine Art bayerisches Vetorecht: Die CSU darf der Gesamt- Union jedwede Grundgesetzänderung verbieten, die sich gegen Bayerns föderale Struktur richten könnte. Und wenn die CSU-Landesgruppe eine bestimmte Linie in der Fraktion partout nicht mittragen will, darf sie im Bundestag abweichend stimmen.

Gebrauch gemacht hat die CSU von diesem Recht bisher nicht. Aber, so hat einmal ein prominenter Christsozialer formuliert: „Es beruhigt ungemein.“ Die seit 1976 – im Gefolge des kurzlebigen „Kreuther Trennungsbeschlusses“ der CSU – so fixierte Sonderrolle war der Preis der CDU dafür, dass die CSU sich nicht als konservative Konkurrenz bundesweit ausdehnte. Die Gefahr, zu Franz Josef Strauss’ Zeiten sehr real, besteht derzeit eher nicht. Im Gegenteil muss umgekehrt die CSU sich Sorgen machen, wie weit unter die magischen 50 Prozent sie sinken darf, bevor die Ersten in der großen Schwesterpartei über Eingemeindung der Bayern nachdenken.

Aber selbst wenn ein Einmarsch der CDU in Bayern noch auf lange Sicht hinaus sehr unwahrscheinlich scheint – mindestens auf Sticheleien, sagt ein Abgeordneter voraus, müsste sich eine geschwächte CSU gefasst machen. Und dann steht – und sei es erst mal nur im Scherz – womöglich irgendwann die Frage im Raum, wieso die Christsozialen eigentlich so viel mehr wert sein sollen als zum Beispiel Baden-Württemberger oder Nordrhein-Westfalen. Bisher kann die CSU auf ihren großen Sonderbeitrag zum Unionswahlergebnis verweisen. Aber was, wenn der ausbleibt?

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