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Der Chef der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber (CSU).

© Kai-Uwe Heinrich

CSU-Europapolitiker Manfred Weber: "'Pegida' sollte sich der Debatte stellen"

Der Fraktionschef der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber, glaubt nicht, dass das Abendland am Islam scheitern wird, "den es heute selbstverständlich in Europa gibt". Dafür fordert der CSU-Politiker im Interview die "Pegida"-Unterstützer zu einer Debatte über die Werte des Abendlandes auf.

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Herr Weber, als Sie Anfang der Woche die Nachricht von den Neuwahlen in Griechenland gehört haben, dachten Sie da: Oh Gott, nicht schon wieder?

Ich hatte bis zum Schluss gehofft, dass es gelingt, im griechischen Parlament eine Mehrheit für den Präsidentschaftskandidaten zusammenzubekommen. Das ist nicht gelungen, und deshalb liegt nun eine Phase der Unsicherheit vor uns. Aber ich bin überzeugt, dass die Griechen am Ende vernünftig entscheiden werden.

Und welche Folgen hätte ein Wahlsieg des Chefs des Linksbündnisses Syriza, Alexis Tsipras?

Griechenland hat einen harten, aber erfolgreichen Reformweg hinter sich. Das ist eine große Leistung von Premier Samaras. Das Programm von Tsipras läuft auf eine Abkehr von Europa hinaus. Das wissen die Griechen auch. In Griechenland ist gelegentlich zu hören, dass es angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung in den letzten Jahren doch gar nicht mehr schlimmer kommen könne. Es kann aber noch schlimmer kommen, weil fehlendes Vertrauen der Märkte und der Bruch mit Europa Griechenland in eine wesentlich schwierigere Situation stürzen kann.

Auch das „Grexit“-Szenario geistert wieder durch die Debatte. Muss sich die EU darauf vorbereiten, dass es zu einem Euro-Austritt Griechenlands kommt?

Das Programm von Tsipras bedeutet einen Bruch von Vereinbarungen, die der griechische Staat eingegangen ist. Dies würde Auswirkungen auf Zusagen Europas haben...

...und wenn Tsipras als Ministerpräsident dann zur Versorgung der Rentner und Staatsdiener eigenes Geld drucken müsste, dann würde das die Rückkehr zur Drachme und damit den Ausstieg aus dem Euro bedeuten.

Wir beschäftigen uns jetzt mit dem Wahlkampf und nicht mit derartigen Spekulationen. Im Wahlkampf geht es darum, den griechischen Bürgern die Alternativen deutlich zu machen.

Dann schauen wir noch einmal auf Tsipras’ Wahlprogramm. Dazu gehört die Forderung eines Schuldenschnitts. Sollten die Euro-Staaten sich auf einen Schuldenschnitt einlassen, falls Tsipras tatsächlich an die Macht gelangen sollte?

Griechenland muss vertragstreu sein. Deshalb gibt es auch keine Möglichkeit, einen Schuldenschnitt in irgendeiner Form zu diskutieren. Der springende Punkt in Tsipras’ Programm ist aber, dass er mit Ausgaben plant, die jegliche stabile Haushaltsplanung unmöglich machen. Wer heute den griechischen Rentnern und Arbeitslosen Ausgabenprogramme verspricht, der lügt die Menschen an.

Was halten Sie eigentlich von Herrn Tsipras persönlich?

Ich habe Herrn Tsipras kennengelernt. Er ist ein gnadenloser Populist. Er weiß selbst, dass er seine Versprechungen nicht umsetzen kann. Er will an die Macht und ist bereit, dafür den Menschen alles Mögliche zu versprechen.

Wenn man die instabile Lage in Griechenland betrachtet, stellt sich die Frage: Kehrt die Euro-Krise wieder zurück?

Wir können bislang keinen Dominoeffekt feststellen. Die Maßnahmen greifen, die wir in den letzten Jahren gegen eine neuerliche Verschärfung der Euro-Krise getroffen haben – beispielsweise die Errichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus.

Kommen wir zur Debatte über die Protestbewegung „Pegida“. Die Grünen werfen der CSU vor, sie sei mitverantwortlich für das Erstarken von Rechtspopulisten, weil sie Ressentiments gegen Zuwanderer schüre. Haben Sie Anlass zur Selbstkritik?

Im Gegenteil. Es stärkt die Radikalen, wenn man bestehende Probleme aus ideologischen Gründen tabuisiert. Das tun die Grünen. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Wir haben bei der Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern in Deutschland ein echtes Defizit. Zwei Drittel der Asylbewerber werden nach einem rechtstaatlichen Verfahren abgewiesen, aber wir können sie kaum in ihre Herkunftsländer zurückführen. Das spüren die Bürger auch, dass da etwas nicht stimmt. Deswegen ist es wichtig, die Probleme öffentlich zu benennen und abzustellen. Das stärkt das Vertrauen der Bürger in die Politik und verhindert, dass sie Rechtspopulisten hinterherlaufen.

Die CSU forderte, Zuwanderer sollten sogar in der eigenen Familie Deutsch sprechen, musste das dann aber zurücknehmen. Sie wollen uns sagen, dass solche Botschaften keine Ressentiments gegen Ausländer schüren?

Wir wollen niemandem vorschreiben, wie er zuhause zu reden hat. Wir wollen aber, dass in Deutschland Deutsch gesprochen wird. Auch das ist eine Forderung, die vor zehn Jahren von Grünen und Linksliberalen tabuisiert worden war, aber heute von weiten Teilen der Gesellschaft akzeptiert wird. Was die Grünen angeht: Diese Partei hat ja in Asylfragen gar keine erkennbare gemeinsame Haltung. Im Bundesrat stimmt der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann gemeinsam mit Horst Seehofer für die Einstufung von drei Westbalkan-Ländern als sichere Drittstaaten, während seine Partei uns genau deshalb heftig kritisiert. Die Grünen sollten erst einmal ihre eigene Position klären.

Was halten Sie selbst von den „Pegida“-Demonstrationen?

Ich musste schmunzeln, als ich las, dass in Dresden die Texte von Weihnachtsliedern verteilt wurden. „Pegida“ will offenbar etwas verteidigen, was ihre Anhänger gar nicht so gut kennen. Die „Pegida“ sollte sich einer Debatte stellen, was mit dem christlichen Abendland gemeint ist. Ich denke dabei an die christliche Prägung unseres Kontinents, die auf Menschenwürde und Solidarität fußt. Abendland ist Aufklärung, also Religionsfreiheit und Trennung von Staat und Religion. Das Abendland wird nicht am Islam scheitern, den es heute selbstverständlich in Europa gibt. Viel gefährlicher ist, dass das Wissen darüber verkümmert, was das Abendland ausmacht.

Weber: Osteuropäer, Spanien und Portugal müssen mehr für Flüchtlinge tun

Hilfe in der Not. Passanten betrachten ein Wohncontainerdorf für Flüchtlinge in Berlin-Köpenick.
Hilfe in der Not. Passanten betrachten ein Wohncontainerdorf für Flüchtlinge in Berlin-Köpenick.

© AFP

Bayern verlangt einheitliche Regeln für die Flüchtlings- und Asylpolitik in Europa, weil nur fünf von 28 EU-Ländern 70 Prozent der Flüchtlinge aufnehmen. Wie soll das gehen?

Die Menschen, die hierher fliehen, wollen nicht in einen bestimmten Staat, sondern in den sicheren Hafen Europa. Deswegen muss es uns gelingen, aus der gesamten EU einen Schutzraum für Flüchtlinge zu machen. Beim Thema der Lastenverteilung, die eine Gerechtigkeitsfrage ist, muss die Kommission 2015 konkrete Vorschläge auf den Tisch legen.

Wie soll das aussehen?

Ich halte es für einen sinnvollen Ansatz, bei der Verteilung von Flüchtlingen zu einer festen Quote zu kommen, die sowohl die Einwohnerzahl wie auch die Wirtschaftskraft eines Landes berücksichtigt.

Welche EU-Länder sind da besonders in der Pflicht?

Dazu zählen eine Reihe neuerer Mitgliedstaaten, aber auch Spanien oder Portugal.

Herr Weber, die Ukraine-Krise gilt als Bewährungsprobe für die Außenpolitik der EU. Wie hat sie sich geschlagen?

Das Wichtigste ist, dass Europa geschlossen war. Das muss so bleiben. Wir haben es mit einer historischen Wende zu tun. Russland hat das Völkerrecht gebrochen und gewaltsam Staatsgrenzen verschoben. Deshalb sollten die Sanktionen verlängert oder könnten bei Bedarf sogar verschärft werden.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier verweist auf die schwierige wirtschaftliche Lage Russlands und fürchtet, dass die EU-Sanktionen das Land destabilisieren. Muss die EU die Sanktionen lockern?

Es war ja gerade das Ziel der Sanktionen, wirtschaftlich Druck auf Russland zu machen. Warum ist man davon jetzt überrascht? Frank-Walter Steinmeier schwächt die Position Europas, wenn er schärfere Sanktionen kategorisch ausschließt. Russland muss auf den Pfad der Partnerschaft der Völker Europas zurückkehren. Es geht nicht nur um die Ukraine. Russland leiht der extremen französischen Rechten von Le Pen Millionen von Euro. Es finanziert die Feinde Europas. Präsident Putin fordert unser europäisches Einigungswerk heraus. Dagegen helfen nur Klarheit und Stärke.

Im März müssen die Sanktionen verlängert werden. Wird sich die EU darauf einigen können, da schon die letzte Sanktionsrunde umstritten war?

Manche europäische Sozialdemokraten stellen den gemeinsamen Weg infrage. Das ist eine bedenkliche Entwicklung, weil sie damit die Einigkeit der EU gefährden. Das tut der SPD-Politiker Steinmeier, das tut der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi. Wir sind alle der Meinung, dass wir Russland weiter mit ausgestreckter Hand begegnen wollen. Aber solange Präsident Putin seinen Kurs nicht ändert, müssen wir die Sanktionen verlängern und notfalls verschärfen können. Solange dieses Ziel nicht erreicht ist, können wir nicht über eine Aufweichung der Strafmaßnahmen diskutieren.

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