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Gerda Hasselfeldt führt als erste Frau die CSU-Gruppe im Bundestag.

© Mike Wolff

CSU-Landeschefin Hasselfeldt: "Ich rate dazu, die Praxisgebühr zu erhalten"

Die Landesgruppenchefin der CSU im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, sprach mit dem Tagesspiegel über das Regieren mit der FDP, den Rücktritt des CSU-Sprechers in München und den bevorstehenden Koalitionsgipfel.

Von
  • Robert Birnbaum
  • Antje Sirleschtov

Frau Hasselfeldt, haben Sie Ihre Sprecherin schon mal gebeten, beim ZDF anzurufen und dort die Berichterstattung über eine andere Partei zu unterbinden?
Nein. Und im Fall von Herrn Strepp war das auch nicht so.

Hans Michael Strepp ist als Sprecher der CSU zurückgetreten, weil er versucht hat, das ZDF von einem Bericht über die SPD-Konkurrenz abzuhalten. Ist es vorstellbar, dass das ein Alleingang war?

Das hat Herr Strepp selbst so dargelegt. Ich habe keinen Anlass, an seinen Äußerungen zu zweifeln.

Was ist denn dann passiert in München?

Ich kenne den Inhalt des Anrufs von Herrn Strepp beim ZDF nicht. Aber ich stelle fest, dass es zwei Interpretationen des Anrufs gibt, zumindest was die Zielsetzung betrifft. In solch einem Fall ist es korrekt und richtig für einen Pressesprecher, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen, die Konsequenzen zu ziehen und zu gehen.

Und damit soll die Sache erledigt sein?

Ja.

Die CSU steht jetzt als eine in den Umfragen erfolgreiche Partei da, die trotzdem versucht hat, die Konkurrenz zu ducken. Wie passt das zusammen?

Es handelt sich um das Fehlverhalten eines einzelnen Mitarbeiters. Die CSU ist heute keine andere als vor einer Woche. Wir werden weiterhin unsere politisch- inhaltliche Arbeit tun.

Das will die Spitze der Koalition am nächsten Wochenende ja auch. Wie viele Gipfel- Einigungen benötigen Union und FDP noch für das Betreuungsgeld?

In der Tat haben wir das Betreuungsgeld intensiv diskutiert und im Koalitionsausschuss gemeinsam mit anderen Themen beschlossen. Es muss nun endlich umgesetzt werden. Ich bin froh, dass der Fraktionsvorsitzende der FDP, Rainer Brüderle, jetzt bestätigt hat, dass seine Partei koalitionstreu ist und zu den Beschlüssen steht. Ich gehe daher davon aus, dass keine zusätzlichen Forderungen erhoben werden.

Die gibt es doch schon. Der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler verlangt eine Gegenfinanzierung und eine Bildungskomponente. Was hält die CSU davon?

Es erschwert die Arbeit der Koalition, wenn man sich auf Vereinbarungen nicht verlassen kann. Das Betreuungsgeld ist von der Regierung beschlossen und im parlamentarischen Verfahren ergänzt worden. Zu den abschließenden Beratungen in der Unionsfraktion hatten wir die FDP eingeladen. Sie war dazu aber nicht bereit.

Hat die FDP die Forderungen des Parteichefs denn schon konkretisiert?

Mir liegen keine konkreten Forderungen vor. Ich lese in der Zeitung, was Herr Rösler vorschlägt.

Der FDP-Chef sagt, wer eine Sozialleistung vorschlägt, der muss an anderer Stelle einsparen. Wie also wollen Sie das Betreuungsgeld finanzieren?

Das Betreuungsgeld ist in der Koalition vereinbart, es ist im Haushaltsentwurf 2013 und in der mittelfristigen Finanzplanung längst verankert. Im Kabinett hat der Vizekanzler und Wirtschaftsminister Rösler übrigens dem Betreuungsgeld bereits seinen Segen gegeben. Die Finanzierung ist abgesichert. Über eine Gegenfinanzierung an anderer Stelle besteht damit kein Gesprächsbedarf.

Wird sich die Koalition auch darauf einigen, wie Geringverdiener in Zukunft zu einer auskömmlichen Rente gelangen sollen?

Das ist unser Ziel. Es geht zwar um die Rentner von morgen und übermorgen. Aber die Rentenreformen der vergangenen Jahre führen dazu, dass die Höhe der Rente in Zukunft geringer wird. Das verunsichert insbesondere Kleinverdiener. Mir ist wichtig, dass die Koalition den Menschen die Sorge vor Altersarmut nehmen kann. Die Fachpolitiker diskutieren die verschiedenen Möglichkeiten derzeit intensiv. Ich bin zuversichtlich, dass wir zu guten Lösungen kommen werden.

Wäre auch eine Zuschussrente denkbar, wie Frau von der Leyen vorgeschlagen hat?

Es gibt verschiedene Fragen, die zu klären sind. Dabei geht es um die Erwerbsminderungsrente, die Hinzuverdienstgrenzen, den Ausgleich für Beitragszahler, die viele Jahre Beiträge eingezahlt haben und trotzdem unter die Grenze der Grundsicherung fallen. Uns in der CSU geht es vor allem auch um Versicherungszeiten von Frauen, die Kinder erzogen haben und deshalb eine geringere Rente bekommen. Zur Lösung gibt es mehrere Vorschläge, unter anderem die Zuschussrente von Frau von der Leyen. Die Gruppe der Arbeitnehmer in der Union hat eine Rente nach Mindesteinkommen vorgeschlagen, die jungen Kollegen wollen die eigene Rentenvorsorge ausbauen. Wir werden im Koalitionsausschuss über all dies sprechen.

Ab Anfang 2013 sollen die Beiträge zur Rentenversicherung unter 19 Prozent sinken. Bringt das die Rentenkasse in schlechteren Konjunkturzeiten wieder in Finanznöte?

Es gibt in der Rentenversicherung eine gesetzliche Vorgabe zur Senkung der Beiträge, wenn ein bestimmtes Einzahlungsniveau erreicht ist. Die Koalition ist zu dieser Senkung verpflichtet. Das ist auch richtig so. Die Menschen waren fleißig, die konjunkturelle Entwicklung ist gut. Wenn dadurch ein Finanzpolster in der Rentenversicherung vorhanden ist, das den Versicherten gehört, dann soll man ihnen auch etwas davon zurückgeben. Und wenn man sich die Konjunkturaussichten ansieht, dann hat die Beitragssenkung sogar einen positiven Effekt auf die Binnenkonjunktur. Denn die Menschen haben mehr Geld in der Tasche.

Auch die Krankenversicherungen schwimmen im Geld. Wie sehr hängt die CSU an der Praxisgebühr?

Dass wir heute über ein Polster bei den Renten- und Krankenversicherungen sprechen können, ist auch ein Ergebnis guter Politik in den vergangenen Jahren. Die Praxisgebühr ist, ähnlich wie die Zuzahlung für Medikamente, eine Art der Eigenbeteiligung der Versicherten, die durchaus eine steuernde Wirkung hat. Die Praxisgebühr ist also durchaus sinnvoll. Am Prinzip der Eigenbeteiligung sollte nicht grundsätzlich gerüttelt werden. Wir wollen in diesen guten Zeiten stattdessen den Versicherten einen Teil ihrer Beiträge über Beitragssenkungen zurückgeben. Auch hier gilt: Die Beitragszahler haben mehr eingezahlt, als notwendig ist. Deshalb ist es die logische Konsequenz, dass der Beitragssatz abgesenkt wird und die Eigenbeteiligung über die Praxisgebühr beibehalten wird. Es wird auch mal wieder Zeiten geben, in denen die Eigenbeteiligung zur Stabilisierung des Systems benötigt wird. Allein deshalb rate ich dazu, sie zu erhalten.

Rainer Brüderle will beides: die Beiträge und die Praxisgebühr senken. Stehen Sie an seiner Seite?

Eine Senkung der Beiträge entlastet Arbeitnehmer und Arbeitgeber, und ich denke schon, dass sich Union und FDP auf eine sinnvolle Senkung der Lohnnebenkosten immer einigen können. Die Praxisgebühr halte ich vor allem für niedergelassene Ärzte weiterhin für ein sinnvolles Instrument.

Es ist ein seltener Glücksfall, dass die Sozialversicherungen ein Jahr vor der Bundestagswahl in Milliardenüberschüssen schwimmen. Warum schaffen es Union und FDP, sogar aus dieser Luxussituation nur Streitereien zu machen?

Das ist in der Tat ein Luxusproblem: Früher musste sich die Politik über Defizite streiten, heute diskutieren wir, wie wir mit den Gewinnen umgehen. Wir täten sicher gut daran, unsere Verständigungsprozesse etwas zu beschleunigen.

Manche betrachten den Koalitionsgipfel als eine Art Schlussbilanz: Wenn nicht wenigstens hier ein Durchbruch gelingt, bleibt nur der Streit in Erinnerung. Teilen Sie diese Sicht der Dinge?

Vor diesen Spitzentreffen gibt es immer sehr hohe Erwartungen. Bei jedem dieser Treffen haben wir eine ganze Reihe wichtiger Entscheidungen getroffen. Die Bilanz der Koalition ist positiv. Die Konjunktur ist gut, die Beschäftigtenzahl ist auf Rekordhoch, wir haben viele schwierige Entscheidungen für Europa richtig getroffen, und die Dinge, die jetzt anstehen, die sind allesamt auch lösbar. Manche Entscheidung ist mühsam, ja. Manchmal muss man auch auf die schwierigen Prozesse innerhalb der FDP Rücksicht nehmen. Aber am Ende stehen wir doch fest beieinander.

Haben Sie eigentlich noch Lust, ab 2013 mit dieser FDP weiterzumachen?

Die inhaltlichen Schnittmengen sind mit der FDP größer als mit jeder anderen Partei. Natürlich wünschte ich mir, dass vieles deutlich schneller und geräuschärmer ginge. Aber man muss die besondere Situation der FDP, ihre personellen Schwierigkeiten etwa, beachten. Da braucht es eben Geduld.

Das Gespräch führten Robert Birnbaum und Antje Sirleschtov. Das Foto machte Mike Wolff.

Zur Person:

Erste Frau an der Spitze der CSU: Gerda Hasselfeldt war unter Helmut Kohl zwischen 1989 und 1992 Bauministerin und Gesundheitsministerin. Als erste Frau führt sie die CSU-Gruppe im Bundestag.

Vermittlerin zwischen Berlin und München: Dass es manchmal kracht zwischen der CSU-Zentrale in München und der Landesgruppe im Bundestag, das ist in den vergangenen Jahren immer wieder deutlich sichtbar

geworden. Als Vermittlerin in Konflikten hat Gerda Hasselfeldt Erfahrung: Sie war mehrere Jahre Vizepräsidentin des Bundestags.

Zwischen Tradition und Moderne: Gerda Hasselfeldt wurde 1950 in Niederbayern geboren und fühlt sich den Traditionen ihrer Heimat verbunden. Die Volkswirtin war auch schon Vorsitzende der Frauen-Union in Bayern und gehörte im Wahlkampf 2005 zum „Kompetenzteam“ um Angela Merkel.

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