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Der Eigensinnige. Weil der 61-jährige Parteichef und Ministerpräsident Horst Seehofer seine Parteifreunde oft mit schwer durchschaubaren Äußerungen verwirrt, brodelt es in der CSU kräftig.

© Timm Schamberger/dapd

CSU: Wunden lecken im Wildbad

In Kreuth muss die CSU ein Jahr voller Krisen aufarbeiten – viele geben Parteichef Horst Seehofer dafür die Schuld. Die Basis sehnt sich nach einer Lichtgestalt.

Vor vier Jahren hievte das Führungspersonal im idyllischen oberbayerischen Wildbad Kreuth mit vereinten Kräften Edmund Stoiber aus den Ämtern. Eine ähnliche Revolution ist diesmal zwar nicht zu erwarten, wenn sich die CSU-Mandatsträger von Bund und Land von Mittwoch an in dem ehemaligen Kurbad zu ihren Klausurtagungen versammeln. Dennoch werden Bundes- wie Landtagsabgeordnete hinter verschlossenen Türen darüber zu reden haben, dass 2010 kein gutes Jahr für die CSU war.

Den Christsozialen fehlt der Kompass. Was auch mit dem oft undurchschaubaren Eigensinn ihres 61-jährigen Spitzenmannes Horst Seehofer zu tun hat. „Heute heißt es hü und morgen hott, uns reicht es“, klagt eine engagierte Kommunalpolitikerin aus dem Münchner Umland. An der Basis brodelt es.

So schreibt der muslimische Erlanger CSU-Stadtrat Mehmet Sapmaz seinem Parteichef, dieser habe mit seiner Ablehnung weiterer Zuwanderung „bewusst vereinfachende populistische Debatten“ entfacht und in der Integrationspolitik „vieles Errungene vernichtet“. In Landshut verlangt die lokale CSU samt Oberbürgermeister, den Uralt-Atommeiler Isar I abzuschalten – entgegen der im Bund beschlossenen Laufzeitverlängerung. Und im Bayerischen Wald entscheidet sich der christsoziale Kommunalpolitiker Thomas Müller (38), für die Grünen ins Rennen um den Bürgermeisterposten der Stadt Zwiesel zu gehen. Denn er sei ein „grüner Schwarzer“.

Umfragen geben der CSU um die 40 Prozent oder darunter. Bundespolitisch ist sie zur Regionalpartei geschrumpft. Seehofers Vorstoß gegen die Rente mit 67 wurde von den eigenen Leuten in Berlin ins Nirwana geleitet. Bei der Gesundheitspolitik musste Bayerns einst löwenartig brüllender Gesundheitsminister Markus Söder seinem Bundeskollegen Philipp Rösler (FDP) am Ende ziemlich klein beigeben.

Im Landtag wiederum beherrschte monatelang der BayernLB-Untersuchungsausschuss die Tagesordnung. Viele Stunden lang wurden CSU-Granden von einst – Günther Beckstein, Erwin Huber, Kurt Faltlhauser – ausgequetscht, inwieweit sie für den desaströsen Kauf der Kärntner Schrottbank Hypo Alpe Adria durch die staatseigene Bayern LB verantwortlich waren. Die Aktion bescherte dem Freistaat 3,7 Milliarden Euro Verlust. Auch die bis jetzt nicht ausgestandenen Streitereien um die Bewerbung Münchens und Oberbayerns für Winter-Olympia 2018 machen Seehofer das Leben schwer. Hinzu kommt die Umfrageaffäre – mit Steuergeld soll die Staatskanzlei früher Erhebungen im CSU-Parteiinteresse bezahlt haben.

Hinter der Nummer eins loten die Jüngeren die Lage aus. Klar ist, dass der umschwärmte Verteidigungsminister Karl- Theodor zu Guttenberg ersten Zugriff auf alles hat. Mögliche Konkurrenten wie der blasse Sacharbeiter Georg Fahrenschon (Finanzminister) oder der als Opportunist verrufene Söder könnten ihm nichts anhaben. Denn die Basis sehnt sich nach einer Lichtgestalt. Zweifelhaft ist, ob Seehofer bei der Wahl im Herbst 2013 noch antritt. Bisher hat er keine Bayern-Wahl bestritten, die Gefahr wäre erheblich, im Abwärtsstrudel zu versinken.

Als weiblicher Joker könnte sich Sozialministerin Christine Haderthauer erweisen. Sie kann begeistern und wirkt wie ein „gstandenes Weibsbild“, wie sie selbst sagt. Allerdings tritt sie oft daneben. So hat sie weithin Empörung ausgelöst, als sie hungerstreikenden Asylbewerbern unterstellte, zwei Drittel von ihnen „missbrauchen unser Gastrecht“, und ihnen empfahl, wieder heimzugehen. Mit der Stadt München liegt sie im Streit, weil sie – auch noch kurz vor Weihnachten – verhindern wollte, dass die Kommune wie bisher ihren arbeitsunfähigen und alten Hartz-IV-Empfängern 20 Euro auf den kargen Satz drauflegt.

Eigentlich steht die Ingolstädterin für ein modernes Frauenbild, wie es die CSU anstrebt. Doch schlägt sie auch unkontrolliert nach rechts aus. Das Konservative und das Moderne – das könnte Thema sein, wenn in Wildbad Kreuth Margot Käßmann, die wegen ihrer Alkoholfahrt zurückgetretene ehemalige EKD-Ratsvorsitzende, mit den Mandatsträgern beim „Kamingespräch“ diskutiert.

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