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D-Mark: Die Macht des guten Geldes

Für viele Menschen markiert die Einführung der D-Mark im Jahr 1948 den Neubeginn nach dem Weltkrieg. Die Erfolgsgeschichte einer Währung.

Alles fing an mit gut 23 000 grauen, sorgsam verschlossenen Metallkisten. Anfang Juni wurden sie in Bremerhaven von einem Schiff abgeladen, das direkt aus Amerika kam, und mit Militärlastwagen nach Frankfurt am Main gebracht. Der Inhalt war brisant: bündelweise Banknoten, in Format und Optik dem Dollar nachempfunden. Aufgedruckt war aber „Deutsche Mark“ – der Stoff für die Währungsreform. Nur sechs Experten wussten Bescheid, bis die Alliierten am Abend des 18. Juni 1948 die Einführung eines neuen Zahlungsmittels für den 20. Juni, einen Sonntag, verkündeten. „Gutes Geld – vorläufig nur in Westdeutschland“ titelte der Tagesspiegel damals voller Neid. Berlin bekam erst am 24. Juni die neue Währung.

Mit ihrer Nacht-und-Nebel-Aktion legten Amerikaner, Briten und Franzosen den Grundstein für den Wiederaufstieg Westdeutschlands. Und sie schufen einen Mythos – die Deutsche Mark, die sich später zur zweitwichtigsten Währung der Welt nach dem Dollar entwickelte. Formal begann die Bundesrepublik zwar erst im Mai 1949 zu existieren, die meisten Bürger datierten den Neubeginn aber auf den 20. Juni 1948. „Wir haben unser gesellschaftlich-wirtschaftliches und soziales Leben auf eine neue Grundlage und vor einen neuen Anfang gestellt“, bilanzierte Ludwig Erhard, der Vorsitzende des Wirtschaftsrats in der britisch-amerikanischen Bizone, kurz darauf.

Denn bis zu diesem Tag herrschte große Not. Lebensmittel und Kleidung gab es im zerstörten Land nur per Bezugsschein, das Warenangebot war knapp, Schwarzmärkte blühten. Der Preis- und Lohnstopp, den die Nazis 1936 verhängt hatten, galt weiter. Er verdeckte die Inflation – zwar gab es horrend viel Geld, doch es war wertlos, die Regale blieben leer. Den Besatzern war klar: Nur mit einer neuen Währung würde es bergauf gehen. Doch die Siegermächte lagen bereits über Kreuz, im März 1948 verließen die Sowjets den Alliierten Kontrollrat.

Die Westmächte hatten da längst mit den Vorbereitungen für das neue Geld begonnen – in einer Kaserne bei Kassel. Bald stand fest: Den Deutschen steht ein harter Schnitt bevor. Zwar bekam jeder Bürger 40 D-Mark sofort und zwei Monate später noch einmal 20. Doch Erspartes wurde weitgehend entwertet: Aus 100 Reichsmark wurden nur 6,50 D-Mark.

Die Sowjetzone folgte wenige Tage später mit einer eigenen Reform – wegen Papiermangels gab es aber keine neuen Banknoten, nur „B“-Aufkleber für die alten Reichsmark-Scheine. „Tapetenmark“ hieß es im Volksmund daraufhin. Bis zum März 1949 war die „aufgezwungene Ostzonenwährung“ (Tagesspiegel vom 23. Juni) in West-Berlin genauso Zahlungsmittel wie die D-Mark.

Doch neues Geld alleine würde die Probleme des Westens nicht lösen, das ahnte der fränkische Wirtschaftsprofessor Erhard. Am Abend des 20. Juni ließ er deshalb im Radio verkünden, dass die Preisbindung für mehr als 200 Güter aufgehoben würde. Umgehend zitierten ihn die Alliierten in ihr Hauptquartier. Warum er eigenmächtig einen derartigen Schritt unternommen habe, ging ihn der US-Militärgouverneur Lucius D. Clay an. Ihm hätten seine Berater von einem solchen Schritt abgeraten. „Meine ebenfalls“, konterte Erhard verschmitzt.Doch er behielt recht – der Einzug der Marktwirtschaft sorgte dafür, dass sich über Nacht die Auslagen der Geschäfte füllten. Südfrüchte, Butter, Bohnen, auf einmal war alles zu haben, worauf die Verbraucher lange verzichten mussten. Bei einem Durchschnittslohn von 300 D-Mark kostete ein Ei 35 Pfennig, eine Packung Zigaretten sechs Mark, ein VW-Käfer 5300 Mark.

Das Wirtschaftswunder begann aber längst noch nicht. Zwar gaben die Leute das neue Geld mit vollen Händen aus – aber nur, weil sie an seiner Stabilität zweifelten. Tatsächlich wurde alles teurer, bei stagnierenden Löhnen. Die Gewerkschaften schäumten. So kam es am 12. November 1948 zum bislang einzigen Generalstreik nach dem Krieg – neun Millionen Demonstranten protestierten gegen „Preistreiberei“. Erst im Frühjahr 1949 entspannte sich die Lage, die Preise gingen zurück.

Der echte, lang anhaltende Boom begann erst 1951. Die Mark war in diesen Jahren stetig unterbewertet – das verschaffte der Bundesrepublik glänzende Exportbedingungen. Ohne den US-Marshallplan und die liberale Wirtschaftsordnung Erhard’scher Prägung wäre aus dem Aufstieg aber nichts geworden. Die Mark wurde zum Stolz der Deutschen – und zum Schrecken der europäischen Nachbarn. Am Ende musste die Bundesrepublik ihre Währung opfern, um die Zustimmung der Alliierten zur Wiedervereinigung zu bekommen. Dabei ist sie im Rückblick dem neuen Euro unterlegen. Während der 54 Jahre ihrer Gültigkeit lag die durchschnittliche Inflationsrate bei drei Prozent. Beim Euro, den es seit zehn Jahren gibt, sind es nur gut zwei Prozent.

Vergessen können die Deutschen dennoch nicht. Noch immer horten die Haushalte Milliarden Pfennige, Groschen und Markstücke. Sie summieren sich auf 14 Milliarden Mark. Womöglich hoffen viele noch – immerhin 34 Prozent der Bürger wünschen sich einer Umfrage des Bankenverbands zufolge die D-Mark zurück. Verloren ist das Geld dennoch nicht: Beim Textilhändler C&A können Verbraucher noch immer mit der alten Währung bezahlen, und die 65 000 verbliebenen Münztelefone der Telekom schlucken auch Mark und Pfennig.

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