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Politik: Dafür und doch dagegen

Quer durch die Parteien gibt es Sympathien für Volksentscheide – eine Mehrheit findet sich aber nicht

Von Matthias Meisner

Berlin - Die Beschlusslage der Grünen ist eindeutig, doch um die Umsetzung drückt sich die Parteiführung herum. „Der Albtraum von Nizza, wo Kuhhandel hinter den Kulissen über den Inhalt des Vertrages entschied, muss überwunden werden“, forderten im November die Delegierten eines Bundesparteitages in Dresden – und sprachen sich klar dafür aus, die europäische Verfassung durch ein Referendum zu ratifizieren. Dieses solle, hieß es in dem mit großer Mehrheit gefassten Votum, „der erste bundesweite Bürgerentscheid“ werden.

Doch dazu wird es wohl nicht kommen – weil weder Gerhard Schröder noch Joschka Fischer das Referendum wollen. „Rosinenpickerei“ werde er nicht akzeptieren, sagt Grünen-Chef Reinhard Bütikofer deshalb pflichtschuldig auf Fragen nach einem Verfassungsreferendum. Parteifreunde sehen die eigene Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt – hinter vorgehaltener Hand stellen sie die Frage, ob sich die Basis gegen den „großen Zampano“ Fischer durchsetzen kann. Gerald Häfner, Vorstandssprecher von „Mehr Demokratie“, weist Bütikofers Vorwurf der „Rosinenpickerei“ als „Schwarzer-Peter-Spiel“ zurück. Ein Verfassungsreferendum sei „keine Rosine, sondern eine Frage, die unmittelbar die Volkssouveränität betrifft“.

Derweil drängelt die Opposition: Neben FDP und PDS, die schon lange für ein Referendum sind, unterstützt auch CSU-Chef Edmund Stoiber die Forderung. FDP-Chef Guido Westerwelle spricht von „Vorgaben des Außenministers“ und empfindet dessen Verhalten als „völlig schleierhaft“. Die Argumente verfangen bei der Bundesregierung nicht – obwohl inzwischen Großbritannien, Frankreich und acht weitere EU-Länder ein Referendum planen. „Auf vollen Touren“ laufe die Debatte in Deutschland, gibt der SPD-Europaabgeordnete Martin Schulz zu. Eine gangbare Alternative zum Spagat der Regierung schlägt er nicht vor.

Auch für das rot-grüne Vorhaben, Bürgerbeteiligung generell im Grundgesetz festzuschreiben, sieht es schlecht aus. In der Koalitionsvereinbarung steht das zwar drin. Ein erster Anlauf 2002 scheiterte, weil die Union und die Hälfte der FDP-Abgeordneten nicht zustimmte – die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit wurde nicht erreicht. Die leicht überarbeitete Vorlage dazu hat Rot-Grün noch in der Schublade. Doch nach wie vor rechnet die Regierungskoalition damit, dass die Union den Gesetzentwurf geschlossen ablehnen wird – und zögert mit der Einbringung ins Parlament.

In der Union sitzen die wenigen Befürworter wie Saar-Ministerpräsident Peter Müller (CDU) oder NRW-Parteichef Jürgen Rüttgers nicht im Bundestag. Und der zuständige Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach will sich von Einzelnen aus seinen Reihen nicht treiben lassen. Ein Gesetzgebungsverfahren im Bundestag sei „von ganz anderer Qualität“, zudem kämen die Länder bei bundesweiten Plebisziten „unter die Räder“, sagt er. Auch gegen das Referendum zur EU-Verfassung ist Bosbach ganz klar. Die Abstimmung zu einer Einzelfrage sei „nicht plausibel“.

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