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Dalai Lama: Ein Mönch im Kanzleramt

Kanzlerin Merkel trifft am Sonntag den Dalai Lama und unterstreicht damit ihre neue Chinapolitik.

Die Einbestellung eines Botschafters gilt in der Diplomatie als ein eher drastisches Mittel, um staatlichen Protest kundzutun. Als Berlin vergangene Woche bekannt gab, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel den Dalai-Lama an diesem Sonntag empfangen werde, war die Reaktion aus Peking prompt. Die Nachrichtenagenturen hatten die Meldung kaum auf den Ticker gegeben, da saß der deutsche Botschafter Michael Schaefer schon in dem grauen Hochhaus des chinesischen Außenministeriums, wohin er formal einbestellt wurde, um die Kritik der Pekinger Führung entgegenzunehmen.

Der Protest aus Peking änderte aber nichts an der Entschlossenheit der Kanzlerin, das geistliche Oberhaupt der Tibeter zu treffen: Am Freitag stellte sich die Bundesregierung hinter die Forderung nach einer kulturellen Identität Tibets. Der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg verwies darauf, dass der Dalai-Lama nicht die Loslösung von China anstrebe. Er strebe aber auf friedlichem Weg eine kulturelle und religiöse Eigenständigkeit Tibets in der Volksrepublik an. „Diesen Anspruch der Tibeter auf kulturelle und religiöse Autonomie unterstützt die Bundesregierung“, fügte Steg hinzu.

Zuvor hatte eine Sprecherin des Pekinger Außenamtes erklärt: „Der Dalai-Lama ist nicht nur eine Religionsvertreter, sondern ein politischer Exilant, der seit langem in separatistische Aktivitäten verwickelt ist mit dem Ziel, die nationale Einheit unter dem Deckmantel der Religion zu untergraben.“ Deutschland dürfe „keinerlei Kontakt zum Dalai-Lama unterhalten“, forderte sie und warnte vor einer „Untergrabung der deutsch-chinesischen Beziehungen“.

Der Protest aus Peking ist nicht überraschend. Zwar wird Merkel den 72-jährigen Dalai-Lama nur zu einem „privaten Gedankenaustausch“ empfangen, wie Regierungssprecher Ulrich Wilhelm erklärte. Das Treffen am Sonntag findet jedoch offiziell im Kanzleramt statt, und das allein zählt für Peking. China lehnt jeden Dialog zwischen Regierungen und dem Dalai-Lama als „Einmischung in innere Angelegenheiten“ ab. Staaten, die sich nicht daran halten, droht Peking mit politischen und wirtschaftlichen Nachteilen.

Merkel ist die erste Bundeskanzlerin, die sich dem Druck aus Peking nicht beugt. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern Schröder und Kohl, die Treffen mit dem Oberhaupt der Tibeter stets ablehnten, sucht Merkel den Dialog. Die Annäherung an den Dalai-Lama ist Teil ihrer neuen Chinapolitik. Auch wenn die Kanzlerin sich um gute Beziehungen zu Peking bemüht, spricht sie Probleme offen an. Deutlicher als ihre Vorgänger kritisierte Merkel Menschenrechtsverletzungen in China, den Mangel an Meinungsfreiheit und die Schäden durch Raubkopien für die deutsche Wirtschaft.

Pekings Führern mag die neue Tonlage aus Berlin nicht gefallen, am Ende werden sie jedoch damit leben müssen. Vor den Olympischen Spielen im kommenden Jahr kann China sich eine ernsthafte Störung der Beziehungen zu Deutschland nicht erlauben. (mit dpa)

Harald Maass

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