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Hans Eichel: Am 24. Dezember 1941 geboren, zunächst Gymnasiallehrer, dann Politiker, mit 28 Jahren Fraktionschef im Stadtparlament von Kassel, mit 34 Oberbürgermeister, der erste OB, der 1981 eine politische Kooperation mit den Grünen einging, 1991 wurde er Ministerpräsident von Hessen, 1999 verlor er die Wahl gegen Roland Koch. Eichel liebäugelte kurz mit der Idee, die Politik ganz zu verlassen, dann aber machte ihn Kanzler Schröder zum Bundesfinanzminister. Nach dem Ende von Rot-Grün verabschiedete sich Eichel, nach Angaben von Beobachtern, „unter Tränen“ auch aus dem SPD-Vorstand.

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Damals und heute: Hat uns die Politik verändert?

Politiker brauchen Haltepunkte im Alltag. Damit sie selbstbestimmt bleiben und menschlich. Die ehemaligen Bundesminister und Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) und Hans Eichel (SPD) haben das geschafft. Sagen sie.

Jürgen Rüttgers macht ein geheimnisvolles Gesicht. „Wollen Sie meine neue Freiheit mal sehen?“, fragt er. Dann deutet der einstige Superminister unter Helmut Kohl, spätere Ministerpräsident von Nordrhein- Westfalen und vielleicht der ehemals beste Widersacher Angela Merkels, auf eine Aktenmappe, die auf dem Tisch liegt. Er öffnet sie langsam. Jürgen Rüttgers freut sich wie ein Schuljunge. Die Mappe ist leer.

Der 60-Jährige trägt ein blau-weiß gestreiftes Hemd ohne Krawatte, der Rhein schaukelt gemütlich unter seinem breit verglasten Büro am Düsseldorfer Landtag vorbei. Und Jürgen Rüttgers ist entspannt, vielleicht so entspannt wie noch nie in seinem politischen Leben, das immerhin schon über 30 Jahre währt. Jetzt ist er zwar noch immer nicht raus aus diesem Betrieb, aber als einfacher Abgeordneter trainiert er sich langsam ab wie ein Spitzensportler. Rüttgers sagt: „Die Politik macht die Politiker nicht automatisch zu schlechteren Menschen. Sie macht sie manchmal nur einsam.“

Hans Eichel kommt zu Fuß und mit einem kleinen Rucksack zur Verabredung in ein Hotel in Berlin-Tiergarten. Sein offenes weißes Hemd spannt sich in der Jeans sehr eng um den Bauch. Der ehemalige Oberbürgermeister von Kassel, Ministerpräsident Hessens und Bundesfinanzminister versucht in diesem Gespräch nie zu verbergen, wie wichtig ihm der Politikbetrieb war, wie wohl er sich darin fühlte, wie lehrreich jeder einzelne Tag sein konnte. Er sagt: „Ich werde diesen Politikbetrieb jedenfalls nicht kaputtreden.“

Rüttgers und Eichel, CDU und SPD, haben sich wie auch Ole von Beust bereit erklärt, über ihre Zeit als Politiker zu reden. Dieser Text beruht auf einem längeren Gespräch mit ihnen, nicht auf Langzeitbeobachtungen. Es geht darum, zumindest einen Einblick in eine Welt zu bekommen, aus der die breite Öffentlichkeit eher wenig Persönliches erfährt.

Es gibt tiefer gehende Beschreibungen dieses Politikbetriebs und seiner Protagonisten, sie lesen sich düster und unheimlich. Der Journalist Jürgen Leinemann ist in seinem Buch „Höhenrausch“ zu deutlichen Urteilen gekommen: „Längst ist der politische Betrieb für die meisten Akteure zum Ersatz für das richtige Leben geworden – und damit zur Einbruchstelle von süchtiger Deformation.“ Leinemann schreibt, Politiker seien geprägt von „realitätsferner, süchtiger Gier nach Macht und Aufmerksamkeit“, eine Haupteigenschaft sei das „selbstzerstörerische Klammern an Ämter und Privilegien“. In dem ARD-Dokumentarfilm „Im Rausch der Macht“ bestätigen Spitzenpolitiker in geheimnisvollem, gedämpftem Ton Leinemanns These von der Politik als Droge. Film und Buch sind zwiespältige Zeitdokumente, weil man sich fragt: Stimmt diese radikale Verallgemeinerung?

Jürgen Rüttgers ist den politisch normal Interessierten vermutlich als ein fleißiger, ehrgeiziger, machtorientierter und zuweilen eitler Politiker in Erinnerung, der im letzten Drittel seiner Karriere als eine Art christdemokratischer Arbeiterführer erfolgreich war. Manche werden auch wissen, dass Helmut Kohl ihn weniger für seine sozialen Ansichten, sondern eher wegen seiner wirtschaftsliberalen Thesen schätzte. Unter Kohl sprach der Minister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie über Wettbewerb, Leistungsanreize und Deregulierung. Später, unter der CDU-Chefin Merkel, war es vor allem sein Beharren auf der Forderung nach einer Koppelung des Bezugs von Arbeitslosengeld an die Zahl der Beitragsjahre, die zu einer Revision der Hartz-Gesetzgebung führte.

Aber das alles ist nur eine Oberflächenbeschreibung des Politikers. In all diesen Jahren gab es auch den Menschen, den Ehemann, den Familienvater, den Freund Jürgen Rüttgers. Und dass es ihn in dieser Vielfalt, wie er findet, jetzt tatsächlich noch immer gibt, dass er also eine mögliche Persönlichkeitsveränderung zu verhindern wusste, wie er sagt, habe er anderen zu verdanken. Und das sei ein großes Glück. „Ohne die Familie wäre das alles jedenfalls nie gegangen“, sagt er. Das muss keine Politikerphrase sein, sehr viele Politiker suchen sich, wie es einer ausdrückt, der noch immer in hoher Regierungsverantwortung steht, sehr bewusst „Haltepunkte im Alltag“. Familie, Freundschaften, Vertraute und die Fähigkeit zur Distanz helfen, um Mensch im Politikbetrieb zu bleiben.

Die Eheleute Rüttgers schwörten: Wir verändern unser Leben nicht.

Jürgen Rüttgers: In diesem Jahr, am 26. Juni, wurde der Sohn eines Elektromeisters 60 Jahre. Der Jurist, 1980 bis 1986 Landeschef der Jungen Union in Nordrhein-Westfalen, war von 1987 bis 2000 Mitglied im Bundestag und zeitweise parlamentarischer Geschäftsführer. 1994 berief ihn Helmut Kohl als Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie in sein Kabinett. Man nannte ihn auch den Zukunftsminister. 2005 wurde er Ministerpräsident von NRW und 2010 wieder abgewählt. Seitdem ist er Abgeordneter im Landtag.
Jürgen Rüttgers: In diesem Jahr, am 26. Juni, wurde der Sohn eines Elektromeisters 60 Jahre. Der Jurist, 1980 bis 1986 Landeschef der Jungen Union in Nordrhein-Westfalen, war von 1987 bis 2000 Mitglied im Bundestag und zeitweise parlamentarischer Geschäftsführer. 1994 berief ihn Helmut Kohl als Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie in sein Kabinett. Man nannte ihn auch den Zukunftsminister. 2005 wurde er Ministerpräsident von NRW und 2010 wieder abgewählt. Seitdem ist er Abgeordneter im Landtag.

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Schon 1977 schrieb der Schriftsteller und SPD- Bundestagsabgeordnete Dieter Lattmann in seinem Buch „Die Einsamkeit des Politikers“: „Wo gibt es einen Berufspolitiker, der nicht seinen nächsten Menschen auf unheimlich wirksame Weise misshandelt?“ Der Kampf, die eigene Unabhängigkeit zu schützen und das „wahre Leben“ nicht aus den Augen zu verlieren, wie es Rüttgers ausdrückt, ist für Politiker entscheidend.

Der noch maßgeblich im Regierungsgeschäft beteiligte Politiker sagt auf Nachfrage auch, bis heute pflege er seinen alten Freundeskreis und mache einmal im Jahr mit allen eine Reise. Schwäche, Harmoniebedürfnisse werden, sagt er, vom Politikbetrieb bestraft. Deshalb müsse jeder Politiker sich und seine Partnerin oder seinen Partner fragen: Will ich das, wollen wir das, schaffen wir das?

Rüttgers hat sich 1994 mit seiner Frau besprochen, als ihn Helmut Kohl fragte, ob er Bundesminister werden wolle. Die Eheleute leisteten eine Art privaten Schwur: Wir verändern unser Leben nicht, egal, was kommt! Und so sind sie nicht umgezogen, sondern haben versucht, Abläufe einzuüben und sich kleine Fluchten gegönnt, sind teilweise als Familie ungeschützt in die Öffentlichkeit gegangen, obwohl die Sicherheitskräfte sie gewarnt haben. In seiner gesamten Karriere als Politiker, sagt Rüttgers, habe er jeden Morgen, es sei denn, er war im Ausland, um 6 Uhr die Brötchen geholt, um mit der Familie zu frühstücken. Und wenn er erst um 4 Uhr nachts nach Hause kam, sei er trotzdem Brötchen holen gegangen. Das war sein Anker in die Normalität.

Rüttgers beschreibt den Alltag so: „Man ist über weite Strecken fremdgesteuert. Sie müssen sich ihrem Terminkalender unterwerfen. Es geht aber darum, sich in der Politik seine Selbstbestimmung zu erhalten. Das ist ein täglicher Kampf.“ Oft, so empfand es Rüttgers, laufe man durch den Tag wie ein Hamster im Rad. Man laufe Gefahr, verloren zu gehen, wenn man jahrelang entweder früh am Morgen oder nachts bis zu zehn volle Aktenmappen lesen müsse. Man dürfe nicht glauben, dieser Akten-Alltag sei das wahre Leben.

Auch Geschäftsleute, wichtige Manager und andere Berufsgruppen arbeiten Akkord, aber sehr wenige stehen permanent unter dem Druck der öffentlichen Wahrnehmung und von Erwartungshaltungen, sie müssen sich nicht ständig rechtfertigen oder ihr Tun erklären. Und vor allem: Sie können nicht abgewählt werden. Die öffentliche Bühne ist für den Politiker Fluch und Segen zugleich. Ein in Bayern noch aktiver CSU-Mann sagt: „Ich brauche den Applaus wie der Schauspieler.“ Aber Applaus gibt’s kaum, Politiker gehört laut unzähligen Umfragen seit Jahren zu den am schlechtesten angesehenen Berufen überhaupt.

Die Politik müsste also eine eher abstoßende Droge sein. Der Politik-Psychologe Thomas Kliche von der Hochschule Magdeburg-Stendal formuliert den dramatischen Gegensatz zwischen Anspruch und Wirklichkeit eines Berufspolitikers so: „Politik ist vom Scheitern bedroht, aufreibend durch enormen Einsatz und stetige Gefühlsarbeit, und dabei oft tragisch erfolglos. Die Politik kann heute oft armselig wenig entscheiden, trotzdem bleiben die meisten deutschen Politiker fleißig.“

Ein ranghoher Politiker, der es wissen muss, aber anonym bleiben will, sagt: „Das Brutale am Politikerdasein ist es, von früh bis abends mit Kritik zu leben. Überall, wo Sie hinkommen, wartet Kritik. Sie müssen sich hart trainieren, um das nicht ungerecht zu finden.“ Der Mann, seit vielen Jahren im Geschäft, hat Persönlichkeitsdeformationen an Kollegen beobachtet. Politiker, sagt er, denen die Distanz und die Erdung fehlten, verhalten sich wie Junkies. Das wiederum führe zur „Zertrümmerung der eigenen bürgerlichen Erziehung“. Diese Politiker glänzen nach draußen, aber nach innen, gegenüber den eigenen Mitarbeitern, reagieren sie sich ab. Manche werfen nur mit Akten, andere mit dem ganzen Schlüsselbund. Oder sie schreien – chronisch.

Trotzdem glaubt der Psychologe Kliche, dass die meisten Politiker mit „ehrenwerten Motivmischungen“ anfangen. „Erst unter der Last der ständigen Verhandlungen, der praktischen Nachgiebigkeit und der demütigenden Zeitverluste durch die Dummheit der Verhältnisse fangen einige an, immer mehr an sich zu denken.“ Der Psychologe findet: „Politik ist eine der ernsthaftesten Herausforderungen unserer Gesellschaft. Aber sie steht unter der Wählererwartung: Die da oben sollen sich – und damit uns – treu bleiben.“

Jürgen Rüttgers kann von Momenten erzählen, in denen der Politiker plötzlich aus seiner Käseglocke hervorlugt, auf normale Menschen trifft und sich fragt: „Worüber reden die eigentlich?“ Eine Gefahr sei, findet Rüttgers, „dass man als Politiker schlecht über die Bürger denkt, weil man nicht versteht, warum die einen nicht verstehen“. Es ist die Gefahr, zynisch zu werden.

Auch Hans Eichel war dieser Gefahr ausgesetzt, denn die Geschichte wollte es, dass vom Sparfuchs und Helden Hans Eichel nichts mehr übrig blieb und er, wie er selbst sagt, zum „Buhmann“ wurde. Eichels politische Vita ist für die breite Öffentlichkeit total geprägt von der Zeit als Bundesfinanzminister und dem Satz von Franz Müntefering, „nicht von Schröder“, wie Eichel betont: „Hans, nun lass mal gut sein.“ Dabei war er so lange so viel mehr als nur ein unglücklich gescheiterter Finanzminister. Eichel sagt: „Ich wollte die Dinge immer verändern, gerechter machen, schon als Klassen- und Schulsprecher habe ich des Öfteren die Rebellion gegen die Lehrer angeführt.“

Ähnlich wie Rüttgers redet auch Eichel ungern über die privaten Folgen eines Politikerlebens, Eichel behauptet, sein Privatleben habe sich nicht geändert, und seine erste Ehe sei auch nicht an der Politik gescheitert. Er erzählt kurz von seinem Sohn, der ihm einmal vorwarf, dass er zu selten da sei. Aber die Tochter habe ihn dann verteidigt. Er geht schnell über diese Episode hinweg. Dennoch gibt Eichel zu, dass die größte Gefahr an der Politik sei, dass sie den privaten Lebenskreis zerstöre. Deshalb hatte auch Eichel seine privaten Rituale. So ist er selbst als Bundesminister jeden Samstag in die Markthalle nach Kassel gefahren, um dort mit seinen Freunden zu frühstücken. Bis heute habe er einen stabilen Freundeskreis, sagt Eichel und betont: „Ich habe durch die Politik jetzt auch Freunde rund um den Globus.“ Andere sagen mit Bitterkeit, solche Bekanntschaften seien „Beziehungen, keine Freunde“.

Waren also nicht mehr Haltepunkte nötig? Einer, Rüttgers, holt Brötchen, der andere, Eichel, geht regelmäßig frühstücken? Eichel beharrt auf seiner Überzeugung. „Es gab keine Entkoppelung vom normalen Leben. Ich glaube, die Politik hat mich nicht verändert.“

Vor dem Einschlafen träumte Eichel, dass er Häuser baut.

Ole von Beust arbeitet heute wieder als Anwalt.
Ole von Beust arbeitet heute wieder als Anwalt.

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Der SPD-Politiker, der am 24. Dezember 70 wird, macht nicht den Eindruck, als sei seine Persönlichkeit furchtbar deformiert, er ist lustig, ein angenehmer Plauderer, zurückhaltend, nicht so arrogant wie früher ab und an, nie von oben herab. Er redet ziemlich frei, er gibt zu, dass es nach seiner Ministerzeit zwei Jahre gedauert habe, „bis ich aufgehört habe, Politik täglich aktiv mitdenken zu wollen. Der Impuls, etwas zu verändern, hat aber bis heute nicht nachgelassen.“ Er sagt: „Wenn man raus ist aus dem Betrieb, hat man schon ein Problem. Man leidet darunter, aus dem Zentrum der Entscheidungen an den kommentierenden Rand abgedrängt zu sein.“

Eichel hat erlebt, wie es ist, ins schwarze Loch zu fallen, etwa nach seiner Abwahl als Ministerpräsident. Er wollte damals aus Trotz Architektur studieren, bis heute ist die Architektur seine große Liebe. Er sagt: „Eigentlich träume ich davon, Häuser zu entwerfen, ein Architekt zu sein. Ich kann Grundrisse bis auf den Zentimeter genau im Kopf entwerfen. Ich baue in meiner Fantasie die Häuser auf. Während meiner Zeit als Bundesfinanzminister haben mich solche Gedankenspiele vor dem Einschlafen immer sehr entspannt. Wenn ich abends in meinem Hotelzimmer lag oder in der Wohnung in Berlin.“ Aber dann, nach der Abwahl in Hessen, rief Bundeskanzler Gerhard Schröder an, und Hans Eichel wurde Finanzminister, die Häuserentwürfe blieben nächtliche Träumereien.

Dass er abstürzte, weil er „in den Augen vieler Menschen“ nicht mehr erfolgreich war, sagt Eichel, sei schwer gewesen. „Natürlich hatte ich Rücktrittsgedanken. Aber so ist Politik nun mal. Das muss man wissen und zu akzeptieren lernen.“

Eichel und Rüttgers, das sind nur zwei von unzähligen Politiker-Geschichten, und alle diese Geschichten können völlig unterschiedlich sein. Das „schmutzige Geschäft Politik“ existiert natürlich, aber es ist nur ein Teil der Wahrheit. Einige Spitzenpolitiker werden einsam oder müssen sich, sozusagen wegen des Entzugs von Wichtigkeit, ärztlich behandeln lassen, wie etwa ein ehemaliger liberaler Bundesminister. Andere bleiben ihr Leben lang der, der sie waren.

Thomas Kliche glaubt: „Politik verändert mit Sicherheit Kompetenzen und Strategien für ihren Einsatz, meist Einstellungen und wahrscheinlich auch Motive, aber nicht unbedingt Persönlichkeitszüge.“

Trotzdem würde Hans Eichel, hätte er die Wahl, wieder nicht Architekt werden, sondern „alles unglaublich gerne noch mal machen“. Sein alter Kampfgeist ist wach, er findet: „Man muss doch den Leuten sagen: Kann sein, dass ihr uns Politiker nicht mögt, aber ohne uns gäbe es keine Staatsverwaltung, ohne Politiker, die seriös arbeiten, wo stünde denn dann das Land, wie sollte man es regieren?“ Eichel sagt, die Politik und die Parteien seien nach wie vor ein idealer Ort, um die Zukunftsfragen zu diskutieren. Und er sei dankbar dafür, dass „ich dabei mitmachen konnte“.

Jürgen Rüttgers ist im Gespräch nachdenklich, zurückhaltend und sehr gelassen, würde man ihn als „Elder Statesman“ beschreiben, er hätte nichts dagegen. Aber die gelassene Äußerlichkeit ist zum Teil auch Fassade. Inhaltlich sieht Rüttgers im Rückblick keinen Bedarf an Korrekturen, das, was er gemacht habe und wie er es gemacht habe, sei im Prinzip schon richtig gewesen. Große, eigene Fehler? Sieht er nicht. Er gibt aber zu: „Es gehört zu den Spielregeln des Durchsetzens in der Politik, dass da nicht immer feine Mittel angewandt werden.“ Und so sei, auch in der eigenen Partei, vor allem aber darüber hinaus, „das Instrument Vertrauen in der Politik massiv gestört“.

Zum Abschied betont er, dass er sich nach seiner Abwahl als Ministerpräsident gegen das Operative entschieden habe, weil er nun endlich in langen Linien denken wolle. Er habe jetzt Zeit, sei kein Getriebener mehr. Rüttgers findet, „Politik braucht Raum zum Disput“, „die Parteien müssen sich wieder trauen, öffentlich zu streiten“, „Politik muss sich die Mühe machen zu formulieren, warum sie was will“ . Auch über Rüttgers sagen diese Sätze eines: Er hat nicht abgeschlossen.

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