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Ein Vater trägt seine verletzte Tochter nach einer Explosion in einem Vorort von Damaskus. In der Hauptstadt soll auch ein Kraftwerk beschossen worden sein. Foto: rtr

© REUTERS

Politik: Damaskus unter Beschuss

Heftige Angriffe der Rebellen auf die syrische Hauptstadt / Auslandsopposition wählt Kurden zum neuen Vorsitzenden.

UN-Vermittler Kofi Annan sagt Schlimmes voraus. Die Situation in Syrien, warnt er, werde bald außer Kontrolle geraten. Überall im Land toben heftige Kämpfe, am Wochenende lag die Innenstadt von Damaskus unter stundenlangem Beschuss. Noch nie zuvor seit Beginn des Volksaufstands vor 16 Monaten waren die Rebellen dem Machtzentrum des Assad-Regimes so gefährlich nahe gekommen. Auf Videos aus der syrischen Hauptstadt sind ausgebrannte Busse zu sehen und ein innerstädtisches Kraftwerk, das durch eine Rakete beschädigt wurde. Andere Bilder zeigen den Beginn einer Kommandoaktion auf zwei Militärbusse, die offenbar in einen Hinterhalt geraten waren. Im Gegenzug griff die syrische Armee erneut die Städte Daraa und Homs an. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen starben in Daraa mindestens 20 Menschen, in Homs 38.

Das Assad-Regime „pfeift aus dem letzten Loch und hat in mehreren Städten die Kontrolle verloren“, erklärte am Sonntag der frisch gewählte Chef des Syrischen Nationalrates (SNC), der Kurde Abdel Baset Sayda. Der 55-Jährige, der seit fast 20 Jahren in Schweden im Exil lebt, war von dem Dachverband der syrischen Opposition in Istanbul zum Nachfolger des vor drei Wochen zurückgetretenen Hochschullehrers Burhan Ghalioun gewählt worden. Er soll als Konsenskandidat die tief zerstrittenen Fraktionen der Assad-Gegner wieder zusammenführen. Vorgänger Ghalioun übte bei seinem Abgang noch einmal scharfe Kritik an der Haltung Russlands. Moskau müsse sich klar und eindeutig auf einen Rücktritt Assads festlegen, nur dann könne die Tür für eine politische Lösung des Konflikts geöffnet werden, sagte er.

Sein Nachfolger Sayda kündigte an, die Arbeit und Zusammensetzung des SNC von Grund auf zu reformieren. Der Vater von fünf Kindern gilt als moderat und konziliant im Umgang, politisch jedoch als wenig erfahren. Sayda gehört keiner der Oppositionsgruppen als Mitglied an. Bisher hat er sich lediglich als Spezialist für Zivilisationen des Altertums einen Namen gemacht sowie zahlreiche Fachbücher über die kurdische Minderheit publiziert. Trotzdem hoffen die Delegierten, dass er das gestörte Verhältnis des im Exil operierenden SNC zu den lokalen Oppositionsgruppen vor Ort in Syrien wieder reparieren kann. Der innersyrischen Opposition, zusammengeschlossen zum Nationalen Syrischen Koordinationskomitee für Demokratischen Wandel (NCCDC), gehören vor allem national gesinnte Oppositionelle an, aber auch Unabhängige und einzelne prominente Dissidenten, wie Michel Kilo und Aref Dalila. Anders als der Syrische Nationalrat (SNC) lehnt der NCCDC eine militärische Intervention von außen kategorisch ab und ist zu Verhandlungen mit Präsident Baschar al Assad über einen schrittweisen Machttransfer bereit. Ihre Mitglieder werfen dem SNC vor, die Gefahren einer weiteren Bewaffnung der Rebellen völlig falsch einzuschätzen.

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