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Daniel Cohn-Bendit ist Fraktionsvorsitzender der Grünen im Europaparlament.

© AFP

Daniel Cohn-Bendit: "Cameron will die permanente Erpressung"

Der Fraktionschef der Grünen im Europaparlament, Daniel Cohn-Bendit, erklärt im Interview, warum er eine Grundsatzentscheidung über die britische EU-Mitgliedschaft für richtig hält.

Herr Cohn-Bendit, eine Mehrheit der Abgeordneten im britischen Unterhaus möchte Regierungschef David Cameron darauf festnageln, dass der mehrjährige EU-Haushalt von 2014 bis 2020 gekürzt wird. Wird das Europaparlament eine Kürzung akzeptieren?

Das Europaparlament wird das ablehnen. Es läuft auf einen Konflikt mit dem Europaparlament hinaus, wobei das Parlament eine starke Position hat. Es wird so sein, dass die Abgeordneten die mittelfristige Finanzplanung im Kürzungsfall nicht annehmen werden. Das führt dann dazu, dass der Haushalt jedes Jahr mit qualifizierter Mehrheit neu beschlossen wird, auch gegen den Willen Großbritanniens. Und dabei bildet der letzte Haushalt die Basis – mit dem Ergebnis, dass der EU-Etat größer sein wird, als sich das diejenigen vorstellen, die in London auf Kürzungen dringen.

Warum soll der EU- Haushalt nicht gekürzt werden?

Wenn man sieht, welche Folgen die Krise in Ländern wie Spanien, Italien und Griechenland hat, dann wird doch deutlich, dass man einen europäischen Haushalt braucht, um dort intervenieren zu können. Leider hat eine Mehrheit im britischen Parlament nun aus rein taktischen und innenpolitischen Gründen gegen die Interessen vieler Länder im Süden Europas und deren Bevölkerungen gestimmt.

Sie wollen es im Haushaltsstreit auf einen Konflikt ankommen lassen, mit dem das EU-Parlament vor allem die Briten verprellen würde. Dieser Kurs ist risikoreich, denn schließlich ist die EU gegenwärtig auf die Zustimmung Londons bei anderen Themen angewiesen – etwa bei der geplanten Bankenaufsicht und dem weiteren Umbau der Wirtschafts- und Währungsunion.

Sicher, man muss bei diesen Fragen eine Lösung finden. Aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Abstimmung im Londoner Unterhaus über den Kurs bei den EU-Haushaltsverhandlungen skandalös ist.

Warum?

Den größten Skandal stellt das Verhalten der Labour-Abgeordneten dar, die sich mit den EU-Rebellen in den Reihen der Konservativen verbündet haben. Die Labour-Abgeordneten sind doppelzüngig: Im Europaparlament reden sie anders als in London.

Ist die Labour-Partei unter ihrem Vorsitzenden Ed Miliband europaskeptischer geworden?

Nein, es ist der pure Opportunismus, der die Labour-Abgeordneten in London antreibt. Sie surfen nur deshalb auf einer Welle der EU-Skepsis in Großbritannien, weil sie damit Cameron in die Enge treiben können. Ein Teil des Problems besteht ja auch darin, dass Cameron in der britischen Innenpolitik einen schweren Stand hat.

Muss sich Großbritannien grundsätzlich entscheiden, ob es in der Europäischen Union bleiben will oder nicht?

Ich bin dafür, dass irgendwann einmal eine Volksabstimmung in Großbritannien stattfindet. Die Briten sollen sich entscheiden, ob sie der 51. Bundesstaat der USA werden oder Mitglied der Europäischen Union bleiben. Sowohl-als-auch ist nicht möglich.

Cameron will vermeiden, dass bei einem möglichen Referendum die Frage gestellt wird: „Bleiben wir Mitglied der Europäischen Union oder nicht?“ Sie wären also dafür, dass die Referendumsfrage derart zugespitzt wird?

Ja. Cameron will die permanente Erpressung. Diese Haltung gegenüber den EU- Partnern wäre nach einem solchen Referendum nicht mehr möglich.

Das Gespräch führte Albrecht Meier.

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