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Politik: Danke für die Absage

Von Joachim Huber

Hurra, sie sendet noch, die ARD. Auch nach der Absage von Günther Jauch wird nonstop Programm gemacht. Und am Sonntag wird das Publikum, während Sabine Christiansen das Thema „Hauptsache: Neue Jobs um jeden Preis?“ diskutieren lässt, zu Hause eine ganz andere Frage debattieren: Hätte Günther Jauch auf diesem Fernsehthron Platz nehmen sollen?

Der Potsdamer ist ein Zugpferd und ein Zirkuspferd: Mehr Popularität geht in Fernsehdeutschland nicht. Gegen seine Person, seine Persönlichkeit, sein mäzenatisches Engagement ist nichts einzuwenden. Die Zweifel setzen bei der Frage ein, ob Jauch das einlösen und personifizieren kann, wofür der öffentlich-rechtliche Rundfunk stehen muss. Denn die ARD – wie auch das ZDF – haben sich seit dem Aufkommen der privaten Konkurrenz massiv verändert. In Denken und Handeln sind sie Fleisch vom kommerziellen Fleisch geworden. Das Erste Deutsche Fernsehen ist ein Kampfprogramm im Wettbewerb um die Gunst aller Zuschauer. Das gelingt glänzend, die ARD hat das Jahr 2006 als TV-Marktführer abgeschlossen. Zum Preis, dass der öffentlich-rechtliche Auftrag – und der heißt unverändert Bildung, Information und Unterhaltung – verändert, ja verraten wurde.

Über die Woche gesehen, verbreitet die ARD zur allerbesten Sendezeit um 20 Uhr 15 nur noch Jux und Schnulz und Sport, sporadisch unterbrochen von einem Fernsehfilm und dem „Tatort“ am Sonntag. Was, bitte, ist daran genuin öffentlich-rechtlich, wo ist die Trennlinie zu RTL & Co., wo bleibt die vielbeschworene Anstrengung zur Information? Es ist ja toll, dass Phoenix so tapfer für ein Prozent Marktanteil sendet, aber die Musik spielt im Ersten. Der ARD-Zuschauer hat ein Anrecht auf anständige Magazine, anständige Dokumentationen, eine anständige Auslandsberichterstattung.

Ein geglücktes Engagement von Günther Jauch hätte die Fehlentwicklungen verstärkt. Da ist dieser Starkult, diese Sehnsucht, mit einer massenattraktiven „Fernsehnase“ Quote fürs Erste zu machen. Die verschiedenen Rückrufaktionen haben einen Reinhold Beckmann, eine Sandra Maischberger und zuletzt einen Harald Schmidt wieder ins ARD- Reich geholt. Gerade Schmidt jedoch führt das Starprinzip jede Woche ad absurdum: Wo sonst darf jemand für so viel Geld so wenig leisten – und seinen Mindereinsatz derart frech ausstellen?

Günther Jauch ist ein anderer Typ, gewiss, doch auch er wollte die Sonderrolle, wie sie Sabine Christiansen zugestanden wurde: Moderator und Produzent der von der ARD teuer bezahlten Sendung, die noch dazu dort bei der Unterhaltung angesiedelt ist. Das ist Unfug und nur mit der Macht zu erklären, die das Erste seinen Stars einräumt. Eine politische Talkshow gehört zur Politik, in die Verantwortung der ARD-Chefredakteure. Pannen sind damit nicht ausgeschlossen, aber mit klarer Verantwortung versehen.

Sollte die Absage von Günther Jauch die ARD in einen neuen Selbstfindungsprozess bringen, dann müssen die Entscheidungsprozesse überdacht werden. Hü heute und hott morgen: Das kostet Kraft. Die ARD besteht aus neun Landesrundfunkanstalten. Das sind eine Intendantin und acht Intendanten, multipliziert mit rund 600 Gremienmitgliedern, potenziert durch Dutzende Kommissionen. Ein Föderalismus, der so viel Reibungsenergie verbraucht, dass selbst ein cleverer Günther Jauch schaudernd zurückweicht. Im Leben des gemeinen Zuschauers ist zwei und zwei gleich vier. Im ARD-Leben geht das anders: zwei und zwei ist zehn minus sechs macht vier. Das klingt nach feinstem Föderalismus, realiter ist es ausgelebter Pfusch.

Die ARD, die den Gebührenzahlern jährlich mehr als sechs Milliarden Euro abverlangt, muss sich häuten. Es darf ein Ende mit dem Gejammer über zu wenig Geld haben, das Geld, und viel zu viel davon, steckt in den Strukturen zur Selbstbeschäftigung. Wenn sich eine Bundesagentur für Arbeit Richtung Zukunft aufmacht, dann muss sich ein publizistisches Unternehmen längst auf der Überholspur befinden. Günther Jauch könnte, gewollt oder nicht, der ARD mit seiner Absage den größtmöglichen Gefallen getan haben.

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