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Politik: Dankeschön für die Belehrung

Kleine Einführung in die politische Etikette – wie der Bundespräsident einen Brief des BDI-Präsidenten beantwortet

Johannes Rau trinkt das Bier nicht aus der Flasche. Aber er schätzt einen gemütlichen Schwatz beim Pils. Daraus zu schließen, dass er ein Kumpeltyp sei, wäre ziemlich daneben. Der Bundespräsident, hier ganz traditioneller Sozialdemokrat, legt Wert auf Einhaltung der politischen Etikette und der Kleiderordnung. Und wenn ihn jemand quasi von der Seite anhaut, kann er ausgesprochen kiebig werden.

In eine solche Missstimmung schien das Staatsoberhaupt geraten zu sein, als ihm vor zwei Wochen ein Brief des BDI-Präsidenten Michael Rogowski auf den Tisch kam. Rogowski ist ein bisschen anders gepolt als Rau, hemdsärmeliger, direkter. So war denn auch sein Brief. Rogowski erklärt Rau darin, die Wirtschaft habe ganz gute Erfahrung damit gemacht, ihre Organisation von Zeit zu Zeit zu überprüfen und, falls nötig, zu ändern. Das wäre wohl auch was für unser politisches System, dem gegenüber es „eine weit verbreitete Unzufriedenheit“ gebe. Er, Rau, solle also doch bitte eine Kommission einberufen, die über „Verbesserungen unserer bundesstaatlichen Ordnung berät“, schlug Michael Rogowski vor.

War es der forsche Stil, der Rau ärgerte, oder die Tatsache, dass er den Inhalt des Briefes schon den Nachrichtenagenturen entnehmen konnte, bevor er bei ihm eingegangen war – wir wissen es nicht. Es kam wohl beides zusammen. So wurde die Antwort eine kleine Einführung in die politische Etikette.

Das Schreiben Raus enthält zunächst den nüchternen Hinweis darauf, dass über das in der Tat wichtige Thema schon länger nachgedacht und gesprochen würde. Was Rogowski, höflicher Einschub, aber sicher wisse. Es folgt (könnte ja sein, dass der BDI-Präsident vielleicht doch nicht...) ein genauer Hinweis auf die jüngste einschlägige Rede des Bundespräsidenten. „Wenn ich es recht sehe“, schreibt Rau weiter, „liegen fast alle denkbaren Vorschläge auf dem Tisch … wir brauchen jetzt keine neuen Kommissionen“, die einzuberufen ohnedies verfassungsrechtlich nicht Sache des Staatsoberhauptes sei. Vielmehr müssten die Länderparlamente selbst entscheiden. Im Übrigen, geht es leicht süffisant weiter, neigten Verbände dazu, „ihre besonderen Interessen mit dem allgemeinen Wohl gleichzusetzen. Das ist verständlich, aber wenig überzeugend“. Ohnedies sehe er aber, so der formelle Schluss, Anzeichen dafür, dass sich Bund und Länder demnächst mit der Reform der bundesstaatlichen Ordnung beschäftigen würden.

Abgeschickt wurde der Brief am 24. Juni. Michael Rogowski müsste ihn also inzwischen haben.

Gerd Appenzeller

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