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Tagesspiegel-Kolumnist Helmut Schümann.

© Karikatur: Tagesspiegel

Das C in der Flüchtlingsdebatte: Gott sei Dank bin ich Atheist

In der Flüchtlingsdebatte zeigen die Attacken aus den Reihen der Parteien, die das C im Namen führen: Das C schwächelt doch gerade sehr hierzulande. Unser Kolumnist Helmut Schümann ist zornig über die Blasphemisierung der Christlichkeit.

Das C ist der dritte Buchstabe unseres Alphabets. In der politischen Landschaft, besonders in Deutschland und Bayern, das ja irgendwie zu Deutschland gehört, aber irgendwie auch nicht, in der politischen Landschaft also ist das C auch das Kürzel für christlich, Christlichkeit, Christentum. Das Christentum propagiert zum Teil nicht die schlechtesten Werte der Menschheit: Liebe, Nächstenliebe, Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, zum Beispiel.

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) pflegt die Nähe zur Kirche (hier Erzbischof Georg Gänswein). Doch manchmal seiner Parteimitglieder lassen an ihrer C-Gesinnung zweifeln.
Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) pflegt die Nähe zur Kirche (hier Erzbischof Georg Gänswein). Doch manchmal seiner Parteimitglieder lassen an ihrer C-Gesinnung zweifeln.

© dpa

Die lautmalerische Steigerung des C ist das Z. Z wie in Zorneding, einer kleinen Gemeinde in der Nähe von München. Dort wirkt Sylvia Boher als Ortsvorsitzende jener bayerischen Partei, die das C ganz vorne im Namen trägt und es auch sonst für sich sehr stark proklamiert. O-Ton Boher dieser Tage: „Würde Strauß“ (Strauß, Franz Josef, ehemals und inzwischen verstorbener Ministerpräsident Bayerns und dummerweise dort immer noch so etwas wie Leitfigur, Anm. des Autors), noch mal von vorne: „Würde Strauß glauben, wir leben in einem Gottesstaat, in dem ein protestantischer Pastor Bundespräsident ist und eine FDJ-Funktionärin und Pastorentochter Bundeskanzlerin?“ So zornig hat man Jesus von Nazareth, den Pionier und Begründer des Christentums zuletzt erlebt, als er eigenhändig den Tempel räumte.

Aber seinerzeit richtete sich Jesus gegen Philister und Pharisäer, gegen Händler und Geldwechsler und nicht, wie Sylvia Boher, gegen „fremde Asylbewerber, die nur zu uns kommen, um sich die Zähne richten und Trimmfrisuren schneiden zu lassen“. Damit rückt Sylvia Boher Zorneding ins Tal der Ahnungslosen, das Dresden einst war und offensichtlich immer noch ist. Nun ist nicht neu, dass der Katholizismus, der Hauptvertreter des Christentums, heftigst an den C-Werten rüttelt. Das macht er seit Jahrtausenden und eben jetzt auch wieder. Was zum einen der Brandbrief gegen den Reformpapst Franziskus belegt, zum anderen die Attacken sowohl der bayerischen C-Schwester als auch der bundesweiten C-Partei zeigen. Das C schwächelt doch gerade sehr hierzulande, mitunter muss man befürchten, dass es ans Kreuz genagelt wird. Wie tröstlich, dass eine FDJ-Funktionärin und Pastorentochter sich an C erinnert und daran festhält.

Sylvia Boher sagt darüberhinaus, dass wir unsere armen Menschen vernachlässigen, während wir den „fremden Asylbewerbern“ das Geld in den Rachen werfen. Ahnungslos ist sie demnach auch im C. Die Bergpredigt, die das Almosengeben ausdrücklich lobt, kennt sie wohl nicht. Bekümmert mich sehr, obwohl ich, Gott sei Dank, Atheist bin.

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