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Ein Türke in Bayern? Nein, das ist der stellvertretende CSU-Vorsitzende Peter Gauweiler.

© dpa

Das Deutsch der CSU: Früher Deutsch reden? Mehr Türkisch lernen!

Die Kenntnis der deutschen Sprache ist wichtig. Da hat die CSU vollkommen recht. Allerdings übersieht sie in ihrer plakativen Volkstümlichkeit, was den modernen Migranten ausmacht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Bayerischer Bauer und friesischer Fischer haben wenig miteinander gemeinsam. Denen, die schuhplatteln, sind jene, die boßeln, ebenso fremd wie andersherum. Und wenn sie reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, zuckt ihr Gegenüber mit den Achseln. Oft teilen der bayerische Bauer und der friesische Fischer eine gewisse Bodenständigkeit, die man – leicht herablassend – auch als Kleben an der Scholle bezeichnen kann. Außerdem sprechen sie kein Französisch und nur gebrochen Englisch. Trotzdem sind sie Deutsche wie alle anderen, die die deutsche Staatsangehörigkeit haben, davon rund zwanzig Prozent Menschen mit Migrationshintergrund, wie man das nennt. Deutschland ist zu einer Art Gemischtwarenladen geworden. Umso wichtiger sind Verstehen und Verständnis. Dabei hilft die Kenntnis der deutschen Sprache, da hat die CSU vollkommen recht.

Allerdings übersieht die Partei in ihrer etwas zwanghaft plakativen Volkstümlichkeit, was den modernen Migranten ausmacht. Um es ebenfalls plakativ zu formulieren: Der moderne Migrant ist mehr Laptop als Lederhose. Das Bild des Einwanderers, der mit zwei Koffern aufs Schiff steigt, der alten Heimat ein letztes Mal zuwinkt, in die neue Heimat übersiedelt und sich ihr mit Leib und Seele hingibt, ist veraltet und klischeebefrachtet. Heute sind Migration und Mobilität eng verknüpft. Das Hin- und Herreisen ist dank billiger Flüge erschwinglich, übers Internet – E-Mail, Skype, Facebook – wird der Kontakt zu Freunden und zur Familie gehalten, das Satellitenfernsehen zeigt Nachrichten und Spielfilme in der Muttersprache, selbst die Lokalzeitung des Herkunftsortes hat eine eigene Webseite.

Der moderne Migrant ist mehr Laptop als Lederhose

Statt ständig bestrebt zu sein, von der alten in eine neue Identität zu schlüpfen, besitzt der moderne Migrant ziemlich oft eine Doppelidentität. Er fühlt und denkt sowohl-als-auch – als Deutscher und Türke, als Mexikaner und Amerikaner, als Chinese und Angolaner. Der moderne Migrant ist hyperconnected, es fällt ihm leichter als je zuvor, die Verbindungen zu seiner Vergangenheit aufrechtzuerhalten. Den Entscheidungsdruck, sich auf eine einzige Identität festzulegen, hält er für wirklichkeitsfremd.

Sprache ist der Schlüssel zur Welt. Mit mehr als einer Sprache aufzuwachsen, wie es in Deutschland immer häufiger geschieht, öffnet die Türen zu vielen Welten. Sprachwissenschaftler und Integrationsexperten plädieren dafür, dass eingewanderte Eltern mit ihren Kindern in der Sprache kommunizieren, in der sie sich sicher fühlen, in aller Regel ist das die Muttersprache. Das schafft emotional und kulturell wichtige Bindungen, außerdem vergrößert sich dadurch die Fähigkeit der Kinder, Deutsch als Zweitsprache schneller zu lernen. Deshalb sollte es weitaus mehr bilinguale Klassen und Schulen geben – vor allem auch solche, in denen Deutsch und Türkisch unterrichtet wird. Die Kinder in der Sprache zu stärken, die sie bereits mitbringen, auf Kenntnissen aufbauen, statt sie verkümmern zu lassen: Das muss das Ziel sein.

Von Roman Herzog übernahm die CSU einst den Slogan von der „Symbiose aus Laptop und Lederhose“, die in Bayern angeblich wunderbar verwirklicht sei. Bei den Themen Einwanderung und Integration indes ist aus der Symbiose ein Spagat geworden. Der schmerzt im Schritt – besonders das Publikum, das außerhalb Bayerns zusieht und sich besorgt fragt: Sind die immer so oder können sie auch anders?

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