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Politik: Das Ende der Gewissheiten Von Ursula Weidenfeld

Es ist nichts Falsches gesagt worden in den vergangenen Tagen: Würden die Deutschen auf einen Feiertag verzichten, könnte die Wirtschaft stärker wachsen, und vielleicht würde sogar die Neuverschuldung des Staates etwas sinken. Würden die Deutschen dagegen auf einen gesetzlichen Urlaubstag verzichten, käme vermutlich kurzfristig nicht ganz so viel Wachstum dabei heraus: weil die Zahl der Urlaubstage der meisten Arbeitnehmer in Tarifverträgen geregelt wird und eine Kürzung nicht automatisch alle beträfe.

Es ist nichts Falsches gesagt worden in den vergangenen Tagen: Würden die Deutschen auf einen Feiertag verzichten, könnte die Wirtschaft stärker wachsen, und vielleicht würde sogar die Neuverschuldung des Staates etwas sinken. Würden die Deutschen dagegen auf einen gesetzlichen Urlaubstag verzichten, käme vermutlich kurzfristig nicht ganz so viel Wachstum dabei heraus: weil die Zahl der Urlaubstage der meisten Arbeitnehmer in Tarifverträgen geregelt wird und eine Kürzung nicht automatisch alle beträfe. Würden zum Beispiel allein die Westdeutschen länger arbeiten, würde es ebenfalls mehr Wirtschaftswachstum geben, die Arbeitsplätze würden sicherer – aber auch nur im Westen.

Dies sind, grob zusammengefasst, die Vorschläge der vergangenen Tage. Sie alle sind irgendwie richtig – und irgendwie auch wieder nicht. Nicht richtig sind sie, wo sie so tun, als ließe sich mit ein bisschen mehr Arbeit Gewissheit erkaufen. Die Sicherheit, den Arbeitsplatz zu behalten zum Beispiel. Die Überzeugung, als Land ziemlich reformfähig zu sein. Die Tatsache, als Einzelner enorm viel zum Wirtschaftswachstum und zur Sanierung des Landes beizutragen. Falsch sind sie auch, wenn sie so tun, als ließe sich über die Arbeitszeitdiskussion auch noch die Frage klären, wer seine Arbeits und Freizeit sinnvoll und dem Wirtschaftswachstum zuträglich verbringt – und wer nur konsumfeindlich herumlungert, ohne der Wirtschaft auf die Sprünge zu helfen.

Richtig sind die Vorschläge aber dort, wo sie sich auf konkrete Situationen beziehen: Längere Arbeitszeiten bringen dort etwas, wo sonst teure Überstunden bezahlt werden müssten. Sie bringen dort etwas, wo die Auftragslage gut ist. Sie sind dort sinnvoll, wo bei einer Investitionsentscheidung gefragt wird, wie lange die Maschinen an welchem Standort mit wie viel Personal laufen dürfen. Kurz: längere Arbeitszeiten sind vernünftig, wenn sie einen Kostenvorteil für die Unternehmen bringen. Und sie sind da vernünftig, wo die Alternative der offene Lohnverzicht ist: Normalverdiener in Deutschland nehmen im Notfall eben lieber längere Arbeitszeiten als weniger Lohn in Kauf – weil es ihnen noch schwerer fällt, auf Geld zu verzichten. Das gilt jedenfalls für den öffentlichen Dienst und die Teile der Industrie, in denen in den vergangenen Monaten Sanierungsverhandlungen geführt wurden. In anderen Branchen oder in Unternehmen mit Kapazitätsproblemen dagegen ist es nicht immer vernünftig, die Arbeitszeit zu verlängern. Da kann das Gegenteil richtig sein – wenn die Firma ohnehin schon Auslastungsprobleme hat zum Beispiel.

Deshalb haben alle die Recht, die sagen, dass es bei den Arbeitszeiten nicht um kürzer oder länger geht, und dass die Zeit der Patentlösungen vorbei ist. Wer heute ehrlich über Arbeitszeiten redet, spricht nicht nur über länger, sondern über besser und flexibler arbeiten. Er redet über Zeit – und über die Frage, was man damit anfängt.

Einen Feier- oder Urlaubstag zu opfern, wäre zwar eine Aktion mit hohem Symbolgehalt. Es würde immerhin zeigen, dass das Land sich bewegen will – und das ist schon viel. Dem Wachstum aber würde es mehr helfen, wenn künftig in jedem Einzelfall die richtige Entscheidung über Arbeitszeitverlängerung, -verkürzung getroffen werden könnte. Und wenn diese Einzelfallentscheidungen auch von denen akzeptiert werden müssten, die jetzt gerade wieder dabei sind, die Schützengräben der achtziger Jahre zu beziehen.

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