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Politik: Das falsche Bekenntnis

Darf ein Homosexueller im englischen Reading Bischof werden? Die Frage spaltet Anglikaner aller Länder

Von einer „satanischen Attacke auf Gottes Kirche" sprach Nigerias Erzbischof Peter Akinola, als geistlicher Hirte von 17,5 Millionen Anglikanern eine wichtige Stimme in der anglikanischen Weltkirche. Für den Bischof von Oxford, Richard Harries, geht es darum, ob Schwule und Lesben sich in Zukunft in der anglikanischen Kirche noch zu Hause fühlen können. Und ob die Kirche im 21. Jahrhundert noch eine Zukunft hat. „Diese Ernennung ist eine Frage unserer Integrität“.

Seit Wochen schwelt der Streit um die Ernennung des homosexuellen Kanonikus Jeffrey John von der Southwark Cathedral in London zum neuen Bischof von Reading. Seit dem Streit um die Ordination von Frauen standen sich Traditionalisten und Liberale in der Kirche nicht mehr so unversöhnlich gegenüber. Der Fall John droht die anglikanische Weltkirche und ihre über 70 Millionen Christen zu spalten. Das hat es noch nie gegeben: Bischöfe befehden sich mit Briefen und in Fernsehinterviews öffentlich.

Am Montag versuchte das Oberhaupt der Anglikaner, Erzbischof Rowan Williams, die Wogen zu glätten. Nach wochenlangem Schweigen schickte er allen 116 englischen Bischöfen eine E-Mail und erinnerte sie an die Prioritäten. Armut, Krieg und Ungerechtigkeit seien wichtiger als der Streit um Sexualität und Priestersex. „Wir setzen unsere Glaubwürdigkeit aufs Spiel". Doch der liberale Williams hatte wenig Erfolg. Umgehend kam neue Kritik, auch aus Nigeria: „Unsere Ansichten werden ignoriert", schimpfte Bischof Cyril Okoracha aus Ostnigeria. Bischöfe in Australien, in Kanada und den USA sprachen sich öffentlich gegen die Ernennung Johns aus. Der englische Bischof von Lewes, Wallace Benn, warnte: „Nur ein Verzicht von Dr. John wird die Spaltung der Kirche noch verhindern." John, ein frischer, rundlicher 50-jähriger, übt sich vor allem im Schweigen.

Der „Times" erzählte er in einem Interview von dem Dilemma, in das ihn die Ernennung bringt. Zum Pionier der Schwulenbewegung fühlt er sich der theologische Traditionalist, der den Gottesdienst am liebsten im geschmückten Messgewand zelebriert, eigentlich nicht berufen. Seit 27 Jahren lebt er in einer festen Beziehung mit seinem Partner, und „es ist völlig klar, dass diese Beziehung bleibt. Sie ist fürs Leben". Aber dies bringt ihn nun in Konflikt zwischen seinem Verantwortungsbewusstsein für die Einheit der Kirche und den vielen homosexuellen Anglikanern, für die er nun Hoffnungsträger ist. „Was immer passiert, ob ich das durchfechte oder ob ich mich zurückziehe – es wird Menschen geben, die verletzt werden", weiß John.

Seine Brisanz erhält der Fall aus der Widersprüchlichkeit der geltenden „Lösung" des Problems bei den Anglikanern. Seit 1991 werden zwar homosexuelle Partnerschaften zwischen Laien akzeptiert, aber nicht bei Geistlichen. Sie dürfen zwar in heterosexuellen Beziehungen leben, Schwule müssen aber im Zölibat leben. John versichert zwar, dass seine Beziehung heute „rein platonischen" Charakter habe und deshalb „nur noch fester und inniger" sei. Er macht aber kein Hehl aus ihrem früheren, langjährigen physischen Charakter.

Der Streit brach offen aus, als neun englische Bischöfe in einem offenen Brief Einspruch gegen Johns Ernennung erhoben. „Das kirchliche Verständnis der Bibel und lange Tradition besagen, dass die Ehe der richtige Platz für sexuelle Beziehungen ist", schrieben sie. Mehrere Gemeinden in der Diözese Reading lehnten John bereits ab. Konservative befürchten, dass seine Ernennung den Kompromiss von 1991 einfach dadurch aussetzt, dass ohne Debatte der Theologen und Bischöfe neue Fakten geschaffen werden. Die andere Seite glaubt, dass Fundamentalisten Johns Ernennung für eine Jagd auf Homosexuelle in der Kirche nützen. Sie fürchten, ungeachtet dessen, was die Fundamentalisten in Afrika und Australien sagen, dass die Kirche den Anschluss verpassen könnte. Allein in England haben die Anglikaner in der letzten Dekade 25 Prozent ihrer Mitglieder verloren. Kanonikus Jeffrey John soll am 9. Oktober zum Bischof geweiht werden. Erzbischof Rowan Williams wird sich bald etwas einfallen lassen müssen, will er die Kirchenspaltung verhindern.

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