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Politik: „Das ist eine hochgradig verlogene Debatte“

Der letzte DDR-Innenminister Peter-Michael Diestel über ehemalige Stasi-Leute, die heute in der Birthler-Behörde beschäftigt sind

Von Matthias Schlegel

Berlin - Der letzte DDR-Innenminister und heutige Rechtsanwalt Peter-Michael Diestel hat die in den vergangenen Wochen aufgeflammte Debatte über die Beschäftigung von ehemaligen MfS-Leuten in der Stasi-Unterlagenbehörde als „hochgradig verlogen“ bezeichnet. Diestel sagte dem Tagesspiegel, es habe 1990 in der Politik „völlige Übereinstimmung“ darüber geherrscht, „dass in der neuen Demokratie die Gerichte aussortieren müssen, wer an der Gestaltung der Gesellschaft teilnehmen darf und wer nicht“. Ansonsten sei man dankbar gewesen, dass die Sicherheitskräfte in der DDR die Waffen und damit die Macht abgelegt hätten.

Er sei als stellvertretender Regierungschef für den gesamten hochbewaffneten militärischen Komplex zuständig gewesen und habe die Aufgabe gehabt, „mit Gleichgesinnten den effektivsten Geheimdienst der Welt zu zergliedern“. Da sei es „klug und normal“ gewesen, sich einer Reihe von Leuten zu bedienen, „die sich auskennen und wissen, was eine Legende, was eine konspirative Wohnung oder eine sonstige nachrichtendienstliche Kategorie ist“. Heute seien „plötzlich alle schlauer“. Dabei sei das ein „völlig normaler Vorgang“ gewesen. Schließlich hätte man eine „hochexplosive Situation“ riskiert, wenn es nicht gelungen wäre, Vertrauen herzustellen.

Diestel kritisierte Äußerungen Marianne Birthlers, die den Eindruck erweckten, er selbst habe Personalvorschläge für die Übernahme von ehemaligen MfS-Leuten gemacht. In seiner Zeit als Innenminister seien „keine Leute in die damalige Gauck-Behörde gekommen. Die waren alle schon da – als Archivare oder Sicherheitsbeamte“. Ihre Dienste seien schon vom Bürgerkomitee zur Auflösung der Staatssicherheit in Anspruch genommen worden. Er selbst habe „keinen einzigen Personalvorschlag gemacht“.

Birthler hatte in der vergangenen Woche mitgeteilt, 49 ehemalige hauptamtliche Mitarbeiter des MfS seien „in den letzten Monaten der DDR vom letzten DDR-Innenminister, Peter-Michael Diestel, aus dem MfS in den Dienst des Ministeriums des Innern der DDR übernommen worden und wechselten somit am 3. 10. 1990 in den Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums“. Zum 1.1.1991 hätten sie unbefristete Arbeitsverträge beim damaligen Sonderbeauftragten für die Stasi-Unterlagen erhalten, der dem Innenministerium unterstand.

Die Umstände der Beschäftigung von ehemaligen MfS-Mitarbeitern in der Stasi-Unterlagenbehörde und deren Tätigkeitsfelder werden im Auftrag der Bundesregierung jetzt vom früheren Verfassungsrichter Hans Klein und dem Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat an der FU Berlin Klaus Schroeder überprüft.

Diestel war als Mitglied der Deutschen Sozialen Union (DSU) im Frühjahr 1990 in die letzte DDR-Regierung unter Lothar de Maizière eingezogen. Im August 1990 wechselte er in die CDU. Seit 1990 besitzt er eine Rechtsanwaltszulassung und hat heute Büros in Potsdam, Berlin, Leipzig und in den mecklenburgischen Orten Güstrow und Zislow. Er war Rechtsbeistand für zahlreiche ehemalige hauptamtliche, aber auch inoffizielle Mitarbeiter (IM) der Stasi. So verteidigte er den unter IM-Verdacht stehenden ARD-Sportkoordinator Hagen Boßdorf und den PDS-Fraktionschef im sächsischen Landtag, Peter Porsch.

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