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Politik: Das Labor der Nazis

Die IG Farben wird achtzig Jahre alt. Das ist kein Grund zum Feiern

Am Ende der achtzigjährigen IG-Farben-Geschichte steht die Insolvenz. Noch 370 marode Wohnungen bleiben dem Unternehmen, das eigentlich schon 1952 von den Alliierten zerschlagen wurde, seitdem aber als „IG Farben in Abwicklung“ weiter existierte. In die Pleite rutschte die „IG Farben i. A.“ vor zwei Jahren, als sich eine Immobiliengesellschaft weigerte, ihr rund 500 sanierte Wohnungen abzukaufen. Mit dem Geld hätten die Bankschulden von 28 Millionen Euro getilgt werden können.

Es ist das unrühmliche Ende eines unrühmlichen Unternehmens. Wie keine zweite Firma war die IG Farben in die Verbrechen der Nazis verstrickt. Ja, man kann sagen, dass das „Dritte Reich“ samt Angriffskrieg und industrieller Menschenvernichtung ohne ihr Mittun so nicht möglich gewesen wäre.

Gegründet wurde die Interessengemeinschaft Farbenindustrie AG 1925 als Zusammenschluss mehrerer Chemieunternehmen. Die mächtigsten waren Bayer, BASF, Hoechst und Agfa. Das Stammkapital der IG Farben betrug 1,1 Milliarden Reichsmark, sie beschäftigte rund 83 000 Menschen und war der größte Chemiekonzern der Welt. Stammsitz wurde Frankfurt am Main, wo die IG Farben 1930 das größte Bürogebäude Europas bezog. Schon früh suchte man den Kontakt zum aufstrebenden Adolf Hitler. Der versprach 1932, das für den Weltmarkt zu teure synthetische Benzin der IG Farben durch Zölle zu schützen. Die Firma spendete daraufhin 400 000 Reichsmark für den Wahlkampf der NSDAP. Nach der Machtergreifung sicherte Hitler ihr eine Absatzgarantie zu.

In den dreißiger Jahren wurde die IG Farben zu einer Art Staatsunternehmen. Unter der Aufsicht Hermann Görings produzierte man zahlreiche kriegswichtige Erzeugnisse. In den besetzten Ländern übernahm die IG Farben ganze Werke. 1943 hielt sie in Deutschland rund 400 Gesellschaften und 600 Unternehmensbeteiligungen in 101 anderen Ländern. In 334 Fabriken und Minen arbeiteten rund 330 000 Menschen für die IG Farben. Die Hälfte waren Zwangsarbeiter, zehntausende starben. Die IG Farben war Teil des SS-Programms „Vernichtung durch Arbeit“ geworden.

Ab 1941 investierte die IG Farben in den Bau des Bunawerks in Auschwitz, wo Kautschuk und synthetisches Öl hergestellt wurden. Die KZ-Häftlinge, die dort arbeiteten, waren im eigens errichteten Lager Monowitz untergebracht. Ihre Bewachung übernahm die SS. Die IG Farben war auch direkt am Morden beteiligt. Ihre Tochter Degesch produzierte das Gas Zyklon B für die Gaskammern.

Nach dem Krieg musste sich die IG Farben wegen Mitschuld an den NS-Verbrechen in den Nürnberger Folgeprozessen ab 1947 verantworten. Von den 23 Managern, die vor Gericht standen, wurden 13 zu Freiheitsstrafen verurteilt. Alle wurden jedoch vorzeitig begnadigt und bekleideten anschließend einflussreiche Positionen in der Wirtschaft.

Nach der Zerschlagung der IG Farben existierten Bayer, BASF, Agfa und Hoechst als eigenständige Konzerne weiter und expandierten. Sie lehnten die Verantwortung für die Verbrechen der IG Farben ab, da für die Verwaltung des Restvermögens die „IG Farben in Abwicklung“ gegründet worden war. Mit deren Aktien wurde bis vor wenigen Jahren noch an der Börse spekuliert, weswegen es auf den Hauptversammlungen des Unternehmens regelmäßig zu Protesten kam. Die einzige Entschädigung, die die „IG Farben i. A.“ jemals zahlte, bestand aus jeweils knapp 4800 Mark an 5855 ehemalige Zwangsarbeiter. Im Gebäude der IG Farben in Frankfurt am Main sind heute die Geisteswissenschaften der Goethe-Universität untergebracht.

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