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Politik: Das Land hätte für eine EU-Mitgliedschaft einiges zu tun

In fünf Bereichen fordert die Europäische Union seit Jahren Fortschritte von der Türkei, bevor sie ernsthaft für die Vollmitgliedschaft in Frage kommt. In vier dieser fünf Bereiche hat es in jüngster Zeit zwar mehr oder weniger hoffnungsvolle Bewegungen gegeben; ein entscheidender Durchbruch ist aber nirgends zu verzeichnen.

In fünf Bereichen fordert die Europäische Union seit Jahren Fortschritte von der Türkei, bevor sie ernsthaft für die Vollmitgliedschaft in Frage kommt. In vier dieser fünf Bereiche hat es in jüngster Zeit zwar mehr oder weniger hoffnungsvolle Bewegungen gegeben; ein entscheidender Durchbruch ist aber nirgends zu verzeichnen.

- Kurdenfrage: Die etwa zwölf Millionen Kurden unter den 60 Millionen türkischen Staatsbürgern sind zwar keiner ethnischen Verfolgung ausgesetzt, werden aber politisch und strafrechtlich verfolgt, wenn sie sich für Autonomie oder besondere Minderheitenrechte einsetzen. Die EU fordert von der Türkei mehr Selbstbestimmungsrechte für die Kurden. Die Türkei will solche Zugeständnisse aber erst machen, wenn die kurdische Rebellenorganisation PKK endgültig kapituliert hat. Der PKK-Krieg steht zwar nach der Ergreifung von Rebellenchef Abdullah Öcalan vor seinem Ende; ob der türkische Staat dann auch seine Versprechungen wahr macht und etwa kurdischen Sprachunterricht zulässt, ist trotz einiger positiver Signale aus Ankara offen.

- Menschenrechte: Obwohl die türkische Verfassung den Bürgern die meisten Grundrechte zusichert, wird dem Staat darin zugleich die Macht gegeben, diese Rechte zu beschneiden. In der Praxis sind dadurch die Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit stark eingeschränkt. Dazu kommen extralegale Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte. Trotz einzelner Reformen etwa im Justizwesen und der Einrichtung eines Menschenrechtsministeriums hat sich daran bisher nichts Grundlegendes geändert.

- Demokratisierung: Die Türkei erfüllt zwar mit einer gewählten Volksvertretung und einer Gewaltenteilung formell die Kriterien für eine Demokratie. De facto übt die Armee aber durch den Nationalen Sicherheitsrat und dank ihrer verfassungsmäßigen Rolle als Garantin des Staates überproportionale Macht aus. Zwar setzte nach dem Erdbeben vom August erstmals Kritik am Staat und eine gesellschaftliche Debatte über die Möglichkeiten einer Zivilgesellschaft ein; konkrete Ergebnisse hat diese Diskussion bisher aber nicht gezeitigt.

- Griechenland: Mit dem EU-Land und traditionellen Erzfeind streitet sich die Türkei seit Jahren vor allem über die Grenzziehung in der Ägäis. Seit dem jüngsten Wechsel im griechischen Außenministerium und vor allem seit den Erdbeben in beiden Ländern hat sich das bilaterale Klima zwar spürbar erwärmt. Konkrete Fortschritte in den Streitfragen gibt es aber nicht.

- Zypern: Die Mittelmeerinsel ist geteilt, seit griechische Nationalisten 1974 dort putschten und die Türkei daraufhin einmarschierte. Europa und die UN wollen den Abzug der türkischen Truppen und eine Wiedervereinigung der Insel; die Türkei fordert dagegen die Anerkennung der bisher isolierten Türkischen Republik Nordzypern. In dieser Frage will sich Ankara keinen Zentimeter bewegen, während die anderen europäischen Forderungen zumindest theoretisch und teilweise akzeptiert werden.

Abgesehen von diesen politischen Hindernissen tut sich auch wirtschaftlich zwischen der Türkei und Europa ein wahrer Abgrund auf: Allein die Inflation von derzeit 65 Prozent macht deutlich, wie weit der Weg nach Europa noch ist.

güs

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