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Politik: Das letzte Wort hat Saddam

Das irakische Parlament lehnt die UN-Resolution ab – der Sohn des Staatschefs forderte zuvor die Annahme

Zwei Tage lang haben die irakischen Parlamentarier die neue Resolution der Vereinten Nationen beraten – und sie am Ende einstimmig abgelehnt. Die Entscheidung des Gremiums, das von Diktator Saddam Hussein nur in kritischen Momenten einberufen wird, kam für unabhängige Beobachter überraschend. Auch die Vehemenz der Kritik an dem UN-Dokument erstaunte viele: „unehrlich“, „provokativ“, „Lüge“, lauten einige der Kommentare. „Wir haben nichts zu verbergen“, sagte der Abgeordnete Mustapha al Adhami. „Aber wenn man die Resolution genau studiert, erkennt man, dass irgendein von den Waffeninspekteuren erhobener Vorwand als Kriegsgrund ausreicht.“ Die USA hätten sich damit ein Dokument gesichert, das „eine Aggression gegen den Irak“ legitimiere, so die Meinung der Parlamentarier. Viele sehen in der Resolution einen „Plan zur Invasion des Irak“, den man ablehnen müsse, um die Souveränität des Landes zu schützen.

Doch die Abgeordneten betonten auch, dass das „letzte Wort“ bei Staatschef Saddam Hussein liege. Zuvor hatten sie aber eine Intervention von dessen ältestem Sohn Udai Hussein ignoriert. Eindringlich appellierte Udai in einem Brief an die Abgeordneten, der Resolution zuzustimmen und auf eine Beteiligung arabischer Waffeninspekteure zu drängen. In einem Land, in dem der zaghafteste Ansatz von Kritik, die kleinste Abweichung von der offiziell akzeptierten Meinung das Leben kosten kann, zweifelt keiner daran, dass sowohl die Parlamentsdebatten als auch Udais Initiative ein sorgfältig inszeniertes Schauspiel sind. Fast alle Abgeordneten gehören der herrschenden Baath-Partei an und sind Saddam Hussein bedingungslos ergeben.

Das Nein der Abgeordneten in Bagdad, so sind Beobachter überzeugt, entspricht zweifellos dem Wunsch des Diktators. Die UN-Resolution, insbesondere die Forderung nach bedingungslosen Inspektionen, bedeutet eine schwere persönliche Demütigung für Iraks Herrscher. Das Schauspiel im Parlament dürfte ihm helfen, sein Gesicht zu wahren, wenn er sich bis Freitag entscheiden muss. Das Volk, so könnte er dann argumentieren, sei zwar gegen die Resolution. Um Schaden vom Irak abzuwenden, werde er jedoch auf die Bedingungen der UN eingehen.

Hussein hat stets bewiesen, dass er zu allem bereit ist, wenn es darum geht, den eigenen Untergang abzuwenden. Deshalb glauben diplomatische Kreise in Bagdad, dass Saddam die Resolution akzeptieren wird. Der Präsident wird nun das höchste Entscheidungsgremium, den „Kommandorat der Revolution“ einberufen. Beobachter rechnen damit, dass er Udais Appell an das Parlament aufgreifen wird, in dem dieser davon spricht, dass der Irak „die Initiative“ verloren habe und sich die „weise Führung“ daher widerwillig entschlossen habe, den UN-Forderungen zuzustimmen. Auf diese Weise würde Saddam Zeit gewinnen, während ein Nein des Rates einen Krieg unvermeidlich machen dürfte.

Dennoch dringen aus dem Irak auch kriegerische Töne. „Alle nötigen Maßnahmen“ würden getroffen, um „Iraks Unabhängigkeit und die Integrität seines Volkes zu schützen“, so Udai. Die Vorbereitungen für einen Krieg laufen deshalb weiter auf Hochtouren. Nach Erkenntnissen der US-Regierung hat der Irak im Ausland bereits große Mengen einer Arznei bestellt, die als Gegenmittel gegen Nervengas gilt. Washington geht nach Medienberichten davon aus, dass der Irak damit im Fall eines Giftgas-Einsatzes gegen US-Truppen seine Soldaten schützen will.

Birgit Cerha[Beirut]

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