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Politik: Das macht Arbeit

NACH GERSTER

Von Lorenz Maroldt

Von der Ära Gerster werden einige kuriose Details in Erinnerung bleiben. Interessanter sind die Grotesken und Absurditäten, doch die sind bald vergessen – leider. Nur die Damen und Herren Scheinheiligkeiten, wie Ursula Engelen-Kefer und Guido Westerwelle, die werden weiter wirken, im Wortsinn.

In Erinnerung bleibt, wie ein eher klein gewachsener Mann sich seiner gigantischen Aufgabe nähert: in langen Limousinen, teuren Hotelzimmern, neuen Büros, mit Goldknopf am Sakko und einem Rücken, der so demonstrativ durchgedrückt ist, dass sich das Rückgrat nach hinten krümmt. Kurios auch, wie die ZDF-Moderation Petra Gerster über Vorwürfe gegen den Vorstandsvorsitzenden der Arbeitsbehörde berichtet, im Hintergrund das Bild ihres Bruders. Was bleibt, ist auch ein modisch anmutender Etikettenschwindel: Die Behörde mit ihren 90000 Mitarbeitern heißt jetzt nicht mehr Anstalt, sondern Agentur. Welch ein Fortschritt.

Die gängigste These ist jene, Gerster sei vor allem über sich selbst, und das heißt: seinen Stil, seinen Charakter gestürzt. Strittige Beraterverträge kommen nur erschwerend hinzu. Auch der Verwaltungsrat, der Gerster das Vertrauen entzog, möchte das so verstanden wissen. Eine bequeme Lüge. Viel unbeliebter als Gerster selbst war seine Mission. Das aber verschwieg die Vorsitzende des Verwaltungsrates, DGB-Vize Engelen-Kefer, nach einer tribunalartigen Sitzung.

Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass ein betont eloquenter, zu allen stets netter, bescheidener Chef jetzt weiter wäre als Gerster, was die radikale Neustrukturierung der Behörde betrifft. Er hätte aber ein paar Intrigen vermieden und wäre vielleicht noch im Amt. Gerster mag sich in der Rolle eines modernen Konzernchefs sehen, doch das wäre Selbstbetrug. Ton und Auftritt ließen nichts erkennen von seinem Studium der Psychologie, nur viel von seiner Zeit bei der Bundeswehr. Gefühl und Härte lassen sich aber verbinden. Verstehen, erklären, werben – durchsetzen: Erfolgreiche Vorstandsvorsitzende, auch Kanzler, können das; für Erfolglose wie Gerster tragen stets andere die Schuld.

Bigott auch, wie die Opposition reagiert. Guido Westerwelle, Profiteur der Demontage des Kanzler-Protegés, nennt dessen Entlassung falsch – und fordert die Zerschlagung der Anstalt, pardon: Agentur. Für ihn ist Gerster zugleich Mittel zum Zweck und ein Geistesverwandter – nur ist der konsequenter. Wenn Gerster, wie der FDP-Chef sagt, ein Bauernopfer ist, wer sind dann wohl die Bauern? Laurenz Meyer, CDU-Generalsekretär, bedauert mit traurigem Dackelblick, Millionen Arbeitslose hätten zu lange unter der „Affäre“ gelitten; die Regierung habe zu spät reagiert. Doch die Union hätte Gerster gern noch länger im Amte ertragen.

Und die Regierung? Schröder brauchte Gerster als Blitzableiter im Reformprozess; doch politisch allein gelassen hat er ihn nicht. Erst zum Schluss wich er aus, um nicht selbst schwer getroffen zu werden. Anzulasten ist ihm jedoch, dass er die Illusion wach hielt, Arbeitslosigkeit ließe sich mit besserer Vermittlung bekämpfen. Seltsam auch, dass vieles in dieser Regierung erst lange geplant wird – und dann doch überstürzt wirkt, fehlerhaft ist: wie die Maut, das Pfand auf die Dose, die Gesundheitsreform und eben die Modernisierung der Arbeitsbehörde.

Gerster stürzte über eine große Opposition mit nicht identischen, aber sich überschneidenden Zielen: Schröder schaden, Reformen verzögern. Beides gelang, in kleinen Maßen. Stolz können die Teilopponenten nicht sein auf ihren armseligen Zerstörungserfolg. Bis auf weiteres bleibt es dabei: Wer in Deutschland Probleme verwaltet, hat es leichter als jeder, der nach Lösungen sucht.

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