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Update

Das Netz und Guttenbergs Rücktritt: Zwischen Triumph, Trauer und Häme

Nach Karl-Theodor zu Guttenbergs Rücktritt läuft das Netz noch einmal zur Hochform auf. Verteidiger und Vernichter des Minister stehen sich unversöhnlich gegenüber. Irgendwo dazwischen: die wachsende Zahl der Witzbolde.

Lange hatte sie sich nicht zu Wort gemeldet - die Guttenbbergkritische Doktorandeninitiative, der der plötzliche Rücktritt ein wenig den Wind aus den Segeln genommen hatte. Doch die Reaktion der Bundeskanzlerin, Adressatin eines offenen Briefes der Initiative, in dem der laxe Umgang der Wissenschaftlerin Merkel mit dem mutmaßlichen Plagiator zu Guttenberg moniert wurde, ruft sie wieder auf den Plan: "Wir sind enttäuscht über die Reaktion der Bundeskanzlerin. Sie hat die Chance nicht genutzt, sich auch zur Sachfrage zu äußern", schreiben die Initiatoren auf ihrer Facebookseite. "Jetzt ist eine Facebook-Seite 'Causa Merkel' fällig", kommentiert eine Userin. Ein anderer fordert: "Keine Missverständnisse aufbauen. Selbst im Falle einer 'Causa Merkel' geht es am Ende doch auf die Cause Guttenberg zurück. Letztlich haben wir den Brief an Frau Dr. Angela Merkel geschrieben. Sie hat das aufzuarbeiten."

In eine ähnliche Richtung geht eine Stellungnahme der anonymen Macher des Enthüllungs-Wikis "GuttenPlag", die bereits um 12 Uhr erscheint: "Wir bedauern, dass Herr Freiherr zu Guttenberg bei der Ankündigung seines Rücktritts keine klaren Worte zur offensichtlichen Täuschungsabsicht und zur Urheberschaft der Dissertation gefunden hat. Der Rücktritt des Bundesministers der Verteidigung war nicht Ziel dieses Projekts. Ziel ist die detaillierte Aufklärung der Umstände, unter denen die Dissertation entstanden ist. Daher werden wir weiterhin an der Analyse und Dokumentation der Doktorarbeit arbeiten und unsere Ergebnisse in einem Abschlussbericht veröffentlichen."

Unterdessen erscheinen im Netz die ersten ausführlicheren Analysen: Auf seinem Blog beschwört der Marketingcoach Mathias Priebe den Sieg des Internets über die Boulevardmedien, in einem "Spiegel-Online"-Interview lobt auch der Initiator der Doktorandeninitiative Tobias Bunde die "Kraft des Internets" und sagt Bemerkenswertes über die Glaubhaftigkeit auch der seriösen Meinungsumfragen zum Thema Guttenberg: "Unsere Generation hat keine Faxgerät und oft kein Festnetz-Telefon, wir stimmen im Netz ab. Wenn 500 Leute über Festnetz-Telefone befragt werden, zweifle ich daran, dass so eine Umfrage repräsentative Ergebnisse liefern kann." Auf "sueddeutsche.de" sieht PR-Experte Michael Spreng Angela Merkel als "wahre Verliererin", bereits vor Tagen warnte Merkel-Biograph Gerd Langguth im "Handelsblatt" vor einer Regierungskrise, was derzeit erstaunlich oft retweetet wird.

Die heftigen Reaktionen, die unmittelbar auf den Rücktritt folgten, sind zu diesem Zeitpunkt schon wieder Vergangenheit: "Und auch darin bleibt sich #Guttenberg treu: die Unschuld in Person. Was für ein widerwärtig winselnder Muttersöhnchenkadaver!" schreibt Nutzerin Pinkdoll bei Twitter unmittelbar nach Guttenbergs Rücktritt. Eine Frage, die die Online-Community zu diesem Zeitpunkt generell beschäftigt: Wie akzeptabel ist es, dass der Minister immer nur von "Fehlern", die, wie viele vermuten, nicht einmal er, sondern ein Ghostwriter gemacht hat, redet, nie aber von 'Schuld'? "Die letzte Rede von #Guttenberg war nur eines: EKELHAFT", schreibt "hoppelhase_hans", "Dieter Bohlen sucht doch immer skandalträchtige Kandidaten", schlägt User "Geese" dem Verteidigungsminister eine neue Karriere vor. Auch bei Facebook regiert unmittelbar nach dem Rücktritt Häme: "Schrecklicher Verdacht: Plagiierte Guttenberg seine Rücktrittserklärung?" schreibt ein User bei Facebook, ein anderer geht noch weiter: "Guttenberg ist Tunesien, aber wer ist Ägypten?"

Doch es gibt auch die anderen Stimmen - gerade die Macher der Facebook-Gruppe "Gegen die Jagd auf Karl-Theodor zu Guttenberg", mit über 300.000 Fans immerhin die größte Unterstützerplattform im Netz, halten dem Minister auch in der Stunde seines Rücktritts die Standarte: "Die Rücktrittserklärung von zu Guttenberg war gut begründet und erklärte vieles. Er hat gezeigt, dass ihm das Wohl des Landes vor seinem eigenen Wohl steht und damit Größe offenbart, die es kaum noch in der Politik gibt. Er war ein ausgezeichneter Minister, hat richtig bei der Plagiatsaffäre reagiert und keine Fahnenflucht begannen, sondern offen gekämpft und seinen Job erledigt." Und dann noch: "Hut ab vor diesem großen Mann!" Schuld sind hier natürlich die Anderen: "Schade, dass wir damit einen der wenigen richtig guten Politiker - zumindest für einige Zeit - verlieren. Man sollte jetzt nicht vergessen in welcher niederträchtigen Art und Weise von der SPD (Gabriel, Beck, ...) und den Grünen (Trittin, Roth, ...) auf ihn geschossen wurde. Die Opposition hat die Würde des Parlaments verletzt und damit der Demokratie geschadet."

Zur gleichen Zeit tobt auch das Facebook-Forum der guttenbergkritischen Doktoranden, allerdings vor Wut - allerdings auf Karl-Theodor zu Guttenberg: "Unglaublich, jetzt schafft er es sogar im Rücktritt noch, die Dreistigkeit aufzubringen und sich selbst als unglaublich guten Menschen darstellen zu wollen", schreibt eine Userin. "Selbst in seiner Rücktrittsrede lügt er noch und sucht die Schuld schon wieder bei den anderen! Er hat es doppelt und dreifach versaut! Und mir wird schlecht, wenn ich höre, wie es vor Selbstmitleid nur so trieft!!" bestätigt eine andere.

Wieder andere sehen den Rücktritt vor allem mit Sorge: "Auf welche Führerpersönlichkeit wird sich die deutsche Unterschicht jetzt fokussieren?" schreibt j4k3 bei Twitter, "Ich befürchte, dass die #csu den #guttenberg jetzt zum #märtyrer macht ..." schreibt ein anderer User. "was mich interessiert: ob sich die alte auster bundeswehr jetzt wieder gegenüber den medien verschließt, nachdem sich das kommunikationslima in den vergangenen zwei jahren rapide verbessert hatte", schreibt ein politischer Journalist auf Facebook.

Um kurz nach 12 wird dann auch die Homepage des Ex-Verteidigungsministers umgebaut: Der Reiter "Verteidigungsminister" führt zunächst zu einer Fehlermeldung, dann wird er ausgetauscht gegen einen Reiter "Persönliche Erklärung". Auf Karl-Theodor zu Guttenbergs Facebookseite sammelt die dort ebenfalls veröffentlichte "Persönliche Erklärung" derweil binnen einer halben Stunde beinahe 1.500 Kommentare - darunter auch kontroverse: "na also, geht doch!:-) gratuliere zur zwar späten aber einzig richtigen entscheidung!!!" gibt ein User dem Minister mit auf den Weg, "Der Rücktritt dieses feinen Herrn zeigt, dass der demokratische Prozess funktioniert", bestätigt ein anderer. Andere fordern die Rückkehr des beliebten Politikers: "Komm zurück, das Volk braucht SIE!" bittet einer um das, was ein anderer prophezeit: "Ein Guter geht. Der Rote Filz jubelt jetzt. Aber ein, noch stärkerer Gutti kommt zurück."
Mit wachsendem Abstand zum plötzlichen Rücktritt gesellen sich auch immer mehr Witzbolde zu Befürwortern und Gegnern: "Wäre Guttenberg ein Transformer, hieße er von jetzt an 'Mehrtürer'", schreibt Twitter-User cb_greenwood, "Karl-Theodor ist nur kurz Kippen holen", befürchtet ein anderer. Eine ganze Online-Installation ist unter dem Link http://isguttenbergdown.com/ zu finden. Einen ersten Vorschlag für einen Nachfolger macht das Satiremagazin "Titanic": "Noch jünger! Noch reicher! Noch beliebter!" so wird im Start-Cartoon Justin Bieber zum Guttenberg-Nachfolger aufgebaut.

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