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Politik: Das Öl steht an der Grenze und Milosevic profitiert auch noch vom Embargo gegen sein Lande (Kommentar)

Das Geschenk aus Brüssel wartet noch immer an der mazedonisch-jugoslawischen Grenze: 14 Tanklastwagen mit kostbarem Heizöl für die zwei von der Opposition regierten Städte Nis und Pirot im Süden Serbiens. Ein Trauerspiel.

Das Geschenk aus Brüssel wartet noch immer an der mazedonisch-jugoslawischen Grenze: 14 Tanklastwagen mit kostbarem Heizöl für die zwei von der Opposition regierten Städte Nis und Pirot im Süden Serbiens. Ein Trauerspiel. Dort müssen die Bürger frieren, weil die Reserven der städtischen Kraftwerke zu Ende gehen. Die Belgrader Behörden ziehen alle Register, um die Europäische Union mit ihrem Projekt "Öl für Demokratie" auflaufen zu lassen.

Vorwände gibt es immer neue: Zuerst mussten Proben der kostbaren Lieferung zu chemischen Untersuchungen nach Belgrad geschickt werden. Jetzt heisst es, einige der Tanklaster im Konvoi unter der Flagge der EU seien überladen. Die Lieferungen nach Nis und Pirot hätten den Auftakt machen sollen für mehr Heizöl für mehr Städte in Serbien. Jetzt scheint das gut gemeinte Projekt tot, bevor es richtig begonnen hat.

Die EU wollte sich mit dem Projekt "Öl für Demokratie" aus einem Dilemma retten, das sich in der Konfrontation mit Slobodan Milosevic immer deutlicher zeigt. Die Sanktionen gegen das Belgrader Regime sind über die Jahre kontraproduktiv geworden. Das Embargo hilft Milosevic und macht den Stand der ohnehin schon schwachen Opposition noch schwieriger. Die Sanktionen einfach aufheben - das geht jedoch auch nicht, weil der jugoslawische Präsident dies als Sieg seiner Politik feiern und seine Macht zementieren könnte.

In der Theorie sah das Wunderrezept perfekt aus: Die EU unterstützt im harten Winter Städte in Serbien, die sich bei den letzten Lokalwahlen gegen Slobodan Milosevic und für die Opposition entschieden haben. Serbiens Bevölkerung sollte nicht mehr pauschal für die Politik des Autokraten von Belgrad bestraft werden. War der Brüsseler Plan einfach naiv? Slobodan Milosevic mag es selbstverständlich nicht, wenn das feindliche Ausland an "seinen" Zöllnern vorbei den oppositionellen Hochburgen in den Städten hilft. Weshalb sollte er auch der Opposition den Erfolg gönnen?

Slobodan Milosevic lebt vom Embargo und von der Abschottung seines Landes. Das Volk im Reich des Autokraten erfährt Tag für Tag in den staatlichen Medien, dass es das Ausland mit Serbien schlecht meint. Die Propagandamaschinerie läuft auf Hochtouren und soll von der sozialen Misere ablenken. Da wird zum Beispiel die Verhaftung von fünf Männern bekannt gegeben, die angeblich in französischen Auftrag einen Anschlag auf das jugoslawische Staatsoberhaupt geplant haben sollen. Auch die unabhängigen Medien im Land sind unter anhaltendem Druck als "fünfte Kolonne" im Dienst des westlichen Auslandes. Jetzt will das Regime Serbiens Medien "dekontaminieren" und die letzten kritischen Journalisten auf patriotischen Kurs bringen.

Die Kluft zwischen der Propagandawelt und der tristen Realität wird immer größer. Das Regime hat dem Land eine "moralische und spirituelle Erneuerung" verschrieben und predigt den Wiederaufbau im Alleingang. Mit missionarischem Eifer wird Serbiens Widerstand gegen die "Kolonisierung des Balkans" und gegen den Aggressor im Westen gepriesen. Serbien sei auf die westliche Hilfe nicht angewiesen, heisst es.

Die Opposition hat bisher aus der Kluft zwischen Fiktion und trister Realität kein Kapital schlagen können. Die Oppositionsführer pflegen ihren Streit, und das Volk versinkt immer tiefer in die Apathie. Wird es eines Tages aufwachen und sich zur Wehr setzen? Dies könnte morgen, in einem Monat, aber auch erst in einem Jahr der Fall sein.

Vor der zerstritttenen Opposition muss sich der jugoslawische Präsident kaum fürchten. Milosevic war sich selbst immer der größte Feind. Er hat die serbisch kontrollierten Gebiete von Kroatien über Bosnien bis in das Kosovo verloren. Er hat schon ohne Not Wahlen gefälscht und er hat jetzt auch ohne Not die 14 Tanklastwagen mit dem Heizöl von der EU blockiert. Er hätte den Brennstoff den oppositionellen Hochburgen gönnen sollen. Irgendwann wird das Volk den Widerspruch zwischen Scheinwelt am Fernsehen und der bitteren Kälte im Wohnzimmer nicht mehr ertragen. Slobodan Milosevic wird selbst den Funken für die Explosion zünden, die ihn am Ende vom Sockel sprengen wird.

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