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Politik: Das Rezept für den optimalen Staat: den Aufwand reduzieren (Kommentar)

Ja, das haben die Liberalen bis heute nicht gut gelernt: ihre Lehre und ihre Botschaften richtig zu erklären und auf den Markt zu tragen. Der Liberalismus hätte Besseres verdient.

Ja, das haben die Liberalen bis heute nicht gut gelernt: ihre Lehre und ihre Botschaften richtig zu erklären und auf den Markt zu tragen. Der Liberalismus hätte Besseres verdient. Wer würde ihre Vertreter sind Neoliberale oder - schlimmer noch - Ökonomisten schelten. Kein Liberaler, der da glaubt, die Gesellschaft käme ohne Regeln aus, die ihr Zusammenleben ordnen und ihre Wirtschaft auch. Das Wort Ordo vor dem Hauptwort Liberalismus, das Markenzeichen der Freiburger Schule, gilt auch als Programm. Aber das heißt eben nicht, die einmal gefundene Ordnung müsse nun auf ewig festgeschrieben werden.

Das liberale Programm ist genau genommen ein permanentes Suchprogramm. Auf dem Plakat "Wanted" ist die jeweils einer aktuellen Lage angepasste, die geeignetste Ordnung ausgeschrieben. Und das meint nicht nur, wie viel Staat es denn sein soll, sondern was für ein Staat? Wie viel und was muss ganz da oben, nun in Berlin oder gar in Brüssel geregelt werden? Was können die Bundesländer oder die Gemeinden besser? Was kann man vielleicht sogar den NGOs, den nicht gouvernementalen Organisation, den Kirchen, den Vereinen, den Nachbarschaften überlassen, weil sie es besser machen als die da oben? Was schließlich können die Privaten besser?

Ein einfaches Mengenmaß für den optimalen Staat suchen nur Naive. Kein intelligenter Ökonom, der nicht weiß, dass da kein einfacher positiver Zusammenhang besteht zwischen dem, was wir als Wohlstand und Wirtschaftswachstum messen, und der sogenannten Staatsquote, die eigentlich eine Staatsabgabenquote ist. Jedes Plädoyer für mehr oder weniger Staat lässt sich mit entsprechenden empirisch belegten Beispielen untermauern. Also streiten wir besser um die Qualität staatlichen Handelns und um die unterschiedlichen Verfasstheiten.

Mehr oder weniger föderal? Können wir bei einem subsidiär aufgebauten Staatswesen mehr an Staat vertragen? Um was sollen sich die verschiedenen Ebenen überhaupt kümmern? Müssen sie heute bei uns noch Schwimmbäder bauen und verwalten oder tun es auch "Belegungsrechte" für Schüler? Wie steht es mit Kindergärten, Bibliotheken und Museen? Sind da andere, bessere Träger denkbar? Die Daseinsvorsorge hat zum Ende dieses Jahrhunderts nun einmal - dank des enormen Wohlstandsgewinns bei den meisten Bürgern - eine andere Aufgabe.

Also spricht alles dafür, die Suche nach einem neuen Gesellschaftsmodell mit einem neuen Ordnungsrahmen nicht zu stoppen, sondern zu fördern. Nicht etwa nur wegen des angeblich so unvergleichlich großen Drucks durch die anhaltende Globalisierung, sondern weil sich die eigenen Erfahrungen zusammen mit veränderten Daten in neue, mehr Lebens- und Zusammenlebensqualitäten bietende Modelle umformen lassen.

Und alles spricht dafür, dass dabei Wettbewerb die Suchprozesse nach neuen Gesellschafts- und Marktordnungen beschleunigt und verbessert. Gut, wenn Sachsen das Abitur nach dem zwölften Schuljahr erlaubt, gut wenn Bayern die Vermögensteuer nicht wieder einführen möchte. Gut, wenn die Gemeinden ihre Steuersätze in gewissen Bandbreiten variieren dürfen. Uniformen sind nicht das Ehrenkleid einer modernen Gesellschaft. Innovation und Nachahmung dessen, was im Wettlauf für gut befunden wird, das sind die Schlüssel zu einem besseren Staat. Gerechtigkeit und Gemeinsinn haben im modernen Kapitalismus und in der Wettbewerbsgesellschaft immer noch eine bessere Chance als in den oft schmutzigen Händen "öffentlicher Sorgenträger". Und allen sollte man heftig misstrauen, die Kosten-Nutzen-Überlegungen als etwas Schmutziges und Anrüchiges sehen.

Würden wir aufgeben zu erkunden, welcher Weg uns einem aufgeklärten Ziel mit weniger Aufwand näher bringt, dann hätten wir das Reich der Aufklärung schon verlassen, das Rationalitätsprinzip an den Nagel gehängt. Es gibt keinen Bereich staatlichen Handelns, der diesem Rationalitätstest nicht immer wieder von neuem unterzogen werden sollte. Das gilt auch für alle sozialpolitischen Aktivitäten. Die Frage, was sich mit weniger Aufwand anders organisieren und lösen lässt, ist nicht unanständig, unanständig ist es, sie nicht zu stellen.

Heik Afheldt

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