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Politik: Das Richtige und das Falsche

Von Gerd Appenzeller

Das Urteil ist eindeutig, es könnte verheerender nicht sein: 82 Prozent der Deutschen glauben laut einer Umfrage des dimap-Institutes, dass die Hartz-Reformen die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößern. Dabei haben die Befragten an Hartz IV gedacht, an die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Davor aber gab es schon Hartz I bis III. Was die Bundesbürger von jenen Reformvorhaben halten, wissen wir nicht genau. Aber immerhin haben wir jetzt schriftlich, dass diese Neuerungen der Arbeitsmarktpolitik mit einer Ausnahme nichts gebracht haben. Manche waren sogar kontraproduktiv, haben zu längerer Arbeitslosigkeit und höheren Kosten geführt. Das liest man in umfangreichen Untersuchungen, die noch die letzte Bundesregierung in Auftrag gegeben hat. Wenn das „Handelsblatt“ die Studien nicht publik gemacht hätte, ahnten wir heute noch nichts von ihnen.

Offensichtlich waren die Empfänger der Botschaft, gleich ob politisch schwarz oder rot gewandet, in der gleichen Verlegenheit. Sie wussten nicht, wie sie es dem Volk sagen sollten, dass die gemeinsam vorangetriebenen Reformen im Grunde in einer Totalschlappe geendet haben. Dabei gibt es zur Häme keinen Anlass. Die Alternative kann ja kaum lauten, alles beim Alten zu lassen. Dieses Alte, das war eine Geld- und Ressourcenvernichtung in der Bundesanstalt für Arbeit, die erst durch die Entdeckung offenbar wurde, dass deren Mitarbeiter sich weitgehend mit Geldverteilung und nur zu einem geringen Teil mit der Vermittlung von Arbeitslosen befassten. Plötzlich sah sich damals bestätigt, wer die Nürnberger Behörde schon immer für ein bürokratisches Monstrum gehalten hatte, mit angeschlossenen Fort- und Weiterbildungseinrichtungen, deren Effizienz niemand kontrollierte, weil sowohl Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerorganisationen zu den Trägern gehörten und sich gegenseitig nicht wehtun wollten.

Es bleibt eine der großen Leistungen der Regierung Schröder, hier einen Mentalitätswechsel erzwungen zu haben. Mehr Selbstverantwortung, hieß das neue Leitmotiv. Die Wunderwaffe Peter Hartz stand für alle Neuerungen, mit denen Arbeitslose schneller wieder in Jobs vermittelt werden sollten – jener Peter Hartz, der vor der Wolfsburger Rotlichtaffäre vor allem durch unkonventionelle Beschäftigungsmodelle berühmt geworden war. Die hatte er als Arbeitsdirektor bei VW ins Werk gesetzt, um dort Massenentlassungen zu vermeiden.

Manches, was Hartz sich ausgedacht hatte, klang logisch. Aber nicht alles funktionierte. Zum Beispiel nicht jene arbeitsamt-nahen Personal-Service-Agenturen, die für schnellere Vermittlung Arbeitsloser sorgen sollten, tatsächlich aber, weil dem Arbeitsmarkt zu fern, erfolglos blieben und allenfalls privaten Vermittlern die Arbeit wegnahmen. Auch von den Minijobs haben Arbeitslose nicht profitiert, hingegen aber sehr von den immer wieder geschmähten so genannten Ich-AG’s, die den Handwerks- und Handelskammern ein Dorn im Auge sind und unter anderem deshalb zurückgestutzt werden sollen. Offenkundig wäre gerade das jedoch ein fataler Fehler, weil sich hier alleine in diesem Jahr mit staatlicher Hilfe 233 000 Menschen selbstständig gemacht haben.

Statt die Ergebnisse der Evaluation nun verschämt im Aktenschrank aufzubewahren, hätten die alte wie die neue Regierung Konsequenzen ziehen müssen – jene Reformen kippen, die nichts gebracht haben, den erfolgreichen hingegen noch mehr Spielraum geben. Vor allem aber sollten sich alle Beteiligten eines eingestehen, was sie lange bestritten: Alle Hartz-Reformen zusammen, mit Ausnahme der Ich-AGs, schaffen keine neuen Arbeitsplätze. Dafür benötigt Deutschland Konjunkturauftrieb auch im Binnenmarkt. Wenn die Menschen kein Geld haben, dann können sie nichts konsumieren und auch keine Nachfrage schaffen. Denn sparen, Geld auf die hohe Kante legen, können nur jene, die gut verdienen. Für alle anderen reicht es gerade, um über die Runden zu kommen. Für den Aufschwung reicht das nicht.

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