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Einst Regierungspartner, nun Konkurrenten: Peer Steinbrück und Angela Merkel.

© dpa

Das sagt die Konkurrenz über Peer Steinbrück: "Ich nehme jeden, der kommt"

Nun ging es doch ganz schnell bei der SPD – und für den Personen-Wahlkampf bleibt bis zum Herbst 2013 noch viel Zeit. Wie gehen die anderen Parteien mit der Kandidatur Steinbrücks um?

Von
  • Sabine Beikler
  • Robert Birnbaum

Mit ihm gerechnet haben viele, doch das Tempo, mit dem Peer Steinbrück zum Kanzlerkandidaten wurde, hat nicht nur die SPD verblüfft. Auch Konkurrenten und Koalitionswillige brauchten am Freitag ein bisschen, bis sie ihre Sprachregelungen fanden. Gemeinsam ist vielen Reaktionen der Respekt vor der Person. Ob es Peer Steinbrück freilich gelingt, die SPD zu mobilisieren und ihr eine plausible Machtoption zu eröffnen, wird je nach Parteibuch naturgemäß höchst unterschiedlich eingeschätzt.

DIE UNION

Angela Merkel hat für ihre potenziellen Konkurrenten seit Monaten den gleichen Spruch parat: „Ich nehme jeden, der kommt.“ Das ist in all seiner Mehrdeutigkeit durchaus ernst gemeint. Merkel führt nachhaltig die Beliebtheitsskalen an, sie steigt als klare Favoritin in den Ring. Noch am Freitag bescheinigte ihr das Politbarometer einen Vorsprung von 53 gegen 36 Prozent für den fiktiven Fall, dass das Volk den Kanzler direkt wählen könnte.

Die Kanzlerin, versichern Leute, die sie gut kennen, habe auch keine Scheu, sich auf ihre Art mit ihrem Ex-Finanzminister anzulegen. Die frühere Nähe sei ihr nicht unangenehm, vielleicht sogar im Gegenteil: Gerade weil Steinbrück inhaltlich der Amtsinhaberin nahe sei, werde es ihm umso schwerer fallen zu begründen, dass die Leute ihn statt Merkel wählen sollten. Als Steinbrück im Frühjahr schon einmal mit Kritik an Merkels Euro-Krisenmanagement nach vorn preschte, hatten sich CDU-Strategen bereits den Konter überlegt: Hier die Frau, die die Krise tatsächlich im Zaum gehalten hat – da der Besserwisser im Konjunktiv.

Sehen Sie hier Bilder aus den harmonischen Tagen von Peer Steinbrück und Angela Merkel:

Andererseits wissen sie in der CDU auch, dass die Schwachstelle dieses Wahlkampfs nicht im Kanzleramt liegt, sondern im ganzen Drumherum der entzauberten Wunsch-Koalition. Ob Schwarz- Gelb in den Umfragen in einem Jahr überhaupt als plausible Möglichkeit dasteht, weiß kein Mensch. Wie die drei dauerverzankten Partner ihren Wählern inhaltlich vermitteln wollen, wofür sie gemeinsam noch einmal vier Jahre brauchen, ist bisher ebenso nebulös. Zugleich wird in der CDU die Gefahr gesehen, dass ein Kandidat Steinbrück die FDP in Versuchung führen könnte, sich aus dem jahrzehntelangen Bündnis mit der Union zu lösen.

Deshalb freut es sie heimlich umso mehr, dass Steinbrück derart früh und „holterdipolter“ ins Rennen gehen muss. „Ein Jahr ist eine irre lange Strecke“, sagt ein christdemokratischer Stratege. So lange die Spannung zu halten und den Kandidaten nicht vorher in Scharmützeln zu verschleißen, sei richtig schwer. Ein Christsozialer verweist in München auf die Erfahrungen, die der bayerische SPD-Spitzenkandidat Christian Ude gemacht hat: „Der ist auch umjubelt gestartet – aber die SPD ist seither keinen Schritt vorangekommen.“ Nach kurzem Anstieg seien die Umfragewerte für die Partei des Münchner Oberbürgermeisters längst wieder ins Trostlos-Normale abgesunken.

Ein Kanzlerkandidat ist freilich schon von Amtes her ein anderes Kaliber, und Steinbrück als Person ist es ebenfalls. Doch gerade darauf setzen manche in der Union gewisse Hoffnungen. Zwar werde Steinbrück sich eine ganze Menge lockere Sprüche leisten können – mal eben die Kavallerie in Marsch zu setzen sei schließlich sein Markenzeichen. Aber an einen potenziellen Kanzler der wichtigsten Wirtschaftsnation würden schon auch hohe Anforderungen gestellt. „Da muss man die nötige Demut mitbringen“, sagt ein Christdemokrat und empfiehlt dem Konkurrenten listig: „Jeden Morgen Kreide!“

Und was sagen FDP, Grüne und Linke?

DIE FDP

Wer in der FDP umherhorcht, was sie von Steinbrücks Kür hält, muss mit einer Gegenfrage rechnen: „Welche FDP meinen Sie?“ Tatsächlich reicht das Spektrum liberaler Einschätzungen vom Störfaktor für einen profilscharfen Wirtschaftswahlkampf bis zum potenziellen Partner. Die Meinungsbildung verläuft dabei, sagt ein Insider, quasi geografisch von Nord nach Süd. Im hohen Norden ruft Wolfgang Kubicki den SPD-Kandidaten zum Ampelmann aus. „Ich glaube, dass Peer Steinbrück für die FDP neue Optionsräume eröffnet“, sagt der FDP-Fraktionschef in Kiel. Mit dem Pragmatiker Steinbrück seien Problemlösungen vorstellbar, „an die manche heute noch gar nicht denken“. Zwar wolle er nicht unbedingt eine Ampel, sondern plädiere für Schwarz-Gelb – aber andererseits sei ein rot-grün-gelbes Bündnis für ihn kein Tabu.

Weiter südlich fällt die Begeisterung etwas geringer aus. „Ein respektabler Mann“, sagt Fraktionschef Rainer Brüderle über den Kandidaten, „kantig“ sei er auch. Aber der Rheinland-Pfälzer Brüderle, obwohl aus der Heimat rot-gelbe Bündnisse gewohnt, betont: „Wir wollen diese Koalition fortsetzen – dafür kämpfen wir.“ Ein offener Ampel-Wahlkampf gilt bei Leuten wie Brüderle als Selbstmord, findet die Partei ihre verbliebenen Wähler doch weiterhin am ehesten am Rand der Union. Man werde offiziell auf Schwarz-Gelb setzen müssen: „Wir kommen aus der Klemme nicht heraus“, sagt ein Freidemokrat. Gut denkbar allerdings, dass Steinbrück irgendwann von sich aus „vernünftige Liberale“ entdecke – falls sich anders eine plausible Machtperspektive nicht zeige.

Im Video: Steinbrück will für die SPD das Kanzleramt zurückerobern:

DIE GRÜNEN

Der Traum von Rot-Grün verblasst mit Steinbrück nicht – auch wenn sich viele Grüne daran erinnern, welch harte Auseinandersetzungen es bei Rot-Grün zwischen 2002 und 2005 in NRW unter dem Ministerpräsidenten Steinbrück gegeben hat. „Bei Steinbrück war ständig Alarm“, heißt es. Aber alles in allem können die Grünen mit dem SPD-Kanzlerkandidaten gut leben. Er sei der Kandidat, „der in der klassischen SPD-Klientel mobilisieren kann“, sagte Parteichefin Claudia Roth der Nachrichtenagentur dpa. Dass die SPD zu diesem Zeitpunkt ihren Kanzlerkandidaten vorstellt, sehen die Grünen ausnahmslos positiv. „Es ist gut, dass Steinbrück jetzt antritt. Denn die Regierung hat dafür, wie schlecht sie ist, wieder viel zu gut dagestanden. Das hat auch viel mit der Kanzlerkandidatendebatte und bisherigen Unsortiertheit der SPD zu tun“, sagte der hessische Fraktions- und Landeschef Tarek Al-Wazir dem Tagesspiegel. Für die Grünen gebe es mit dem SPD-Konservativen Steinbrück auch „die Chance, die rot-grünen Wechselwähler auf unsere Seite zu ziehen“, sagte Parteiratsmitglied Al-Wazir. Damit könnten die Grünen punkten: Steinbrück als Verfechter der Agenda 2010 und Hartz IV gegen grüne Wahlkampfschwerpunkte soziale Gerechtigkeit, Teilhabe, Bildungspolitik und Energiewende.

DIE LINKEN

Die Sozialisten können mit Steinbrück punkten. Linksfraktionsvize Dietmar Bartsch forderte unmittelbar nach Bekanntwerden der Kandidatur Steinbrücks den SPD-Mann auf, sich von der Agenda 2010 zu distanzieren. Diese Attacken wird Steinbrück nun öfter erfahren. „Es ist gut für die Linke, aber schlecht für das Land, denn ein Regierungswechsel wird mit Steinbrück unwahrscheinlicher“, sagte der Berliner Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich. Die stellvertretende Linken-Chefin Sahra Wagenknecht sprach von einem „Offenbarungseid“ der SPD. Die Linke sieht sich durch Steinbrück deutlicher in der Position als SPD-Herausforderin und hofft, mit dem konservativen SPD-Kanzlerkandidaten die Gewerkschafter und Arbeitnehmer, die sich von der SPD abgewendet haben, bei der Linken aber noch nicht angekommen sind, für sich zu gewinnen. Aber: Die Flirtoffensive, die die Sozialisten mit der SPD und den Grünen für eine rot-rot-grüne Koalition vor Wochen begonnen haben, wird bei dem SPD-Kandidaten Steinbrück sicher nicht auf große Gegenliebe stoßen.

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