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Politik: Das Schweigegelübde

Von Robert Birnbaum „Wir wollen, dass ein Schlussstrich unter die Debatte gezogen wird“, sagt Guido Westerwelle. „Schlussstrich“ ist in diesem Zusammenhang vielleicht kein richtig gutes Wort.

Von Robert Birnbaum

„Wir wollen, dass ein Schlussstrich unter die Debatte gezogen wird“, sagt Guido Westerwelle. „Schlussstrich“ ist in diesem Zusammenhang vielleicht kein richtig gutes Wort. Außerdem müssten es zwei Striche sein, weil sein Vize Jürgen W. Möllemann nicht nur den Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden, Michel Friedman, attackiert hatte, sondern auch die älteren Semester der Partei. Aber Möllemann hat in den Sitzungen von Präsidium und Vorstand der FDP am Montag in beiden Fällen für sich in Anspruch genommen, im Zorn gehandelt zu haben, so dass der Jurist Westerwelle gewissermassen Tateinheit zugestehen konnte. Ein einziger Schlussstrich also.

Es hat in den Gremiensitzungen noch einmal Kritik an Möllemann gegeben, allerdings – da hat ein Vorgespräch zwischen dem Vize und dem Chef einiges abgefangen – keine wirklich massive. Westerwelle hat Möllemann etwa in der Sitzung zugestanden, dass man über den Menschen Friedman und seine Charaktereigenschaften durchaus geteilter Meinung sein könne. Nur müsse diesbezügliche Abneigung deutlich unterschieden werden von der Abneigung gegen Friedman als Repräsentanten der Juden in Deutschland. „Als Person darf jeder jeden kritisieren“, sagt der FDP-Chef. Westerwelle hat auch noch einmal angemerkt, dass er es nicht in Ordnung fand, dass Möllemann sich bei den jüdischen Mitbürgern entschuldigt hat, bei Friedman aber ausdrücklich nicht.

Am deutlichsten kritisiert worden ist Möllemann für seine Attacken gegen die Alten in der FDP, ntlich Hildegard Hamm-Brücher und Gerhart Baum, die er als „Querulanten“ abgetan hatte. Selbst der Ehrenvorsitzende Walter Scheel, altershalber inzwischen ein seltener Gast im Parteivorstand, hat tadelnd daran erinnert, dass Hamm-Brücher und Baum zu seiner Zeit als „Jungtürken“ firmiert haben. Burkhard Hirsch hat den Parteivize zur Entschuldigung aufgefordert. Entschuldigt hat sich Möllemann aber nicht. Es hat auch niemand darauf bestanden. Es sei ganz allgemein der Wille spürbar gewesen, das Thema nun zu beenden, sagt ein Möllemann-Gegner aus dem Präsidium.

Dazu hat beigetragen, dass Infratest in der Gremiensitzung – neben einer für die FDP hoch erfreulichen Potenzialanalyse, der zufolge gut ein Drittel der Befragten sich vorstellen könnten, FDP zu wählen – erste negative Befunde aus der Umfrageforschung berichtet hat: Weniger bei der direkten Sonntagsfrage nach der Wahlentscheidung als bei den indirekten Indikatoren – Führungsstärke, Sympathiewerte, Geschlossenheit – hat die Affäre der FDP augenscheinlich geschadet. Möllemann hat daraufhin eine Art Schweigegelübde abgelegt: Zu den Themenkomplexen „Friedman“ und „Querulanten“ werde man von ihm nichts mehr hören. Er sei, sagt einer, der dabei war, „für seine Verhältnisse zerknirscht“ gewesen. Die Betonung dürfte mehr auf dem „für seine Verhältnisse“ liegen.

Westerwelle reichte das aber aus, um zu konstatieren, die Meinungsunterschiede „sind ausgeräumt". Wer jetzt noch behaupte, die FDP habe die Debatte gezielt losgetreten, Fehler seien absichtlich gemacht worden und die FDP sei auf dem Weg zum rechten Rand, müsse sich als bösartig bezeichnen lassen. „Die FDP ist die geborene Partei der Mitte“, versichert der FDP-Vorsitzende. Am Dienstag soll der Friede, den die FDP mit Möllemann geschlossen hat, ergänzt werden durch den Frieden, den die FDP mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland schließt. Das Treffen im Berliner Dehler-Haus findet allerdings ohne Möllemann statt. Den hatte der Zentralratspräsident Paul Spiegel nach seiner Nicht-Entschuldigung bei Friedman ausdrücklich ausgeladen.

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