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Foto: p-a/dpa

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Politik: Das teure !

160 statt 30 Millionen fürs NRW-Landesarchiv: Staatsanwalt vermutet Untreue

Helmut Linssen war nicht erfreut. Als dem damaligen Finanzminister der schwarz-gelben Landesregierung von Jürgen Rüttgers (CDU) Mitte 2009 erneut Kostensteigerungen für das geplante Landesarchiv präsentiert wurden, legte er sein Veto ein. Alle Kalkulationen des Vorzeigeprojekts im Duisburger Binnenhafen waren da schon aus dem Ruder gelaufen, statt geplanter 30 Millionen sollte der Umbau fast 100 Millionen Euro kosten. Der landeseigene Baubetrieb BLB wollte dem Land das Objekt zunächst für vier Millionen, 2009 schon für sieben Millionen Euro vermieten. Laut einem dem Tagesspiegel vorliegenden Vermerk aus der Düsseldorfer Staatskanzlei vom 17. Juni 2009 sagte Linssen, „er habe bezüglich des Neubaus des Landesarchivs in Duisburg erhebliche Zweifel, er halte die Thematik inzwischen für unübersichtlich“. Die Planer in Rüttgers Staatskanzlei um Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse Brockhoff erkannten den politischen und juristischen Sprengstoff hinter der Kostensteigerung – und notierten, es könnte „der Vorwurf erhoben werden, der BLB habe die maßgeblichen Grundstücke unter Ausblendung wirtschaftlicher Gesichtspunkte auf politischen Druck der Staatskanzlei gekauft“. Der BLB müsse aber nach kaufmännischen Grundsätzen handeln.

Diese waren da schon mehrfach vernachlässigt worden. Zunächst hatte allerdings vor allem Grosse Brockhoff dafür gesorgt, dass sich die Kosten erhöhten. Statt eines Zweckbaus für das Landesarchiv in Düsseldorf entschied man sich aus politischen Gründen, das Projekt im Duisburger Binnenhafen zu realisieren. In Protokollen aus der Planungsphase weist Grosse Brockhoff darauf hin, die Architektur solle „ein Ausrufezeichen für das gesamte Ruhrgebiet setzen“ und die Entwürfe zunächst „losgelöst von der Kostenrelevanz diskutiert werden“. Erste recht günstige Entwürfe werden dann verworfen, am Ende landet man nach einem internationalen Architekturwettbewerb bei dem Plan für einen teuren Umbau mit aufgesetztem Hochhaus auf dem Speichergebäude im Duisburger Hafen. Allein dies hat die Kosten erheblich in die Höhe getrieben. „Da wollte sich Grosse Brockhoff auf Kosten der Steuerzahler verwirklichen“, erklärt ein Verfahrensbeteiligter heute.

Neben der Architektur hat Gerangel um das Grundstück das Projekt verteuert. Als sich die Landesregierung im Januar 2007 für den Umbau im Hafen entschied, sollte der BLB das Grundstück mit dem ungenutzten Speicher für rund zwei Millionen Euro kaufen. Dem BLB kam der Essener Immobilienentwickler Kölbl Kruse zuvor, der wenig später auch noch angrenzende Grundstücke von der Stadt günstig erwerben konnte – obwohl sich das Land damals düpiert fühlte. „Wir wussten nicht, dass andere dort kaufen wollten“, erklärt dazu heute Grosse Brockhoff. BLB und Stadt schlagen wenig später das Angebot von Kölbl Kruse aus, das Grundstück für rund vier Millionen zurückzukaufen, stattdessen verhandelt man einen Mietvertrag. „Die Details dazu habe ich nicht gekannt, die Konstruktion ist idiotisch“, erklärt dazu Grosse Brockhoff. Bei steigenden Baukosten soll auch die Miete steigen.

2008 zog das Land die Reißleine und kaufte Kölbl Kruse das Grundstück doch ab. Statt vier Millionen Euro musste man inzwischen 29,9 Millionen zahlen, weil sich die Essener neben dem Grundstück mit 17 Millionen noch ihre Planungskosten (vier Millionen) und den auf 30 Jahre abgeschlossenen Mietvertrag (mit 8,3 Millionen) bezahlen ließen.

Aktuell kalkuliert das Land mit 160 Millionen Euro Gesamtkosten und niemand wagt eine Prognose, ob damit das Archiv am Ende wirklich gebaut werden kann. Neben der Staatsanwaltschaft interessiert sich der Landtag für die Vorgänge aus der schwarz-gelben Regierungszeit, SPD und Grüne erwägen die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

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