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Politik: Das Wichtigste am Rande

Der EU-Gipfel versucht die Griechenlandkrise zu ignorieren und das Schengen-Abkommen zu retten

Gerade einmal eine halbe Stunde haben sich Europas Staatenlenker bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel gegeben, um die Causa Griechenland abzuhaken. Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou zeigte sich beim Abendessen am Donnerstag wortkarg. In der kommenden Woche muss er das nächste Spar- und Privatisierungspaket mit einem Volumen von 78 Milliarden Euro durch das Parlament bringen. So lange das nicht vollbracht ist, hält auch der Rest Europas den Atem an. Wirklich zu entscheiden hatte der Gipfel in Sachen Griechenland nichts. Das hatten die Euro-Finanzminister zu Beginn der Woche bereits getan. Die Staats- und Regierungschefs beschränkten sich bei ihrem Treffen am Donnerstag und Freitag darauf, die von den Finanzministern ausgegebene Marschroute zu bestätigen. Das heißt: Erst wenn das 78-Milliarden-Sparpaket das Athener Parlament passiert hat, gibt es neues Geld für Athen.

„Wir müssen Schritt für Schritt vorgehen“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag. Damit Athen weitere Hilfszahlungen der Europäer erhält, muss nach den Worten der Kanzlerin im Anschluss an die erhoffte Zustimmung der griechischen Abgeordneten zu Papandreous Sparpaket zunächst die Gesamtsumme für das zweite Hilfsprogramm festgelegt werden. Anschließend werde es darum gehen, welchen Anteil Privatgläubiger – also Banken, Versicherungen und Rentenfonds – schultern.

Welchen Umfang das zweite Hilfsprogramm für Athen haben wird, ließ Papandreou am Freitag durchblicken. Die neuen Hilfen für Athen würden sich in etwa in derselben Größenordnung wie das 110-Milliarden-Programm bewegen, das die Europäer und der Internationale Währungsfonds (IWF) vor mehr als einem Jahr geschnürt hatten, sagte der griechische Regierungschef. Zu der besonders in Deutschland diskutierten Frage, wie hoch die Gläubigerbeteiligung am Ende sein wird, hielten sich Merkel und Co. bedeckt. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy nannte zwar auch keine Summe, wies aber immerhin darauf hin, dass nicht nur die Banken beim Hilfspaket mitmachen wollen, sondern auch die Versicherungen – „auf freiwilliger Basis“ wohlgemerkt. Frankreichs Banken und Versicherungen halten in Griechenland erheblich mehr Staatsanleihen als deutsche Institute. Die Privatgläubiger sollen sich nach den Vorstellungen Merkels und Sarkozys freiwillig dazu verpflichten, ihre Griechenland-Anleihen am Ende der Laufzeit in neue Hellas-Bonds umzutauschen.

Obwohl sich die Staats- und Regierungschefs in Brüssel bemühten, in Sachen Griechenland Ruhe auszustrahlen, konnten auch sie nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Hellas-Rettung inzwischen einem Rennen gegen die Zeit gleicht. Wenn Athen bis Mitte Juli keine neuen Hilfszahlungen erhält, ist Griechenland pleite. Bis zum 3. Juli sollen die Euro-Finanzminister das zweite Hilfspaket festzurren. Und wenn Papandreous Spar- und Privatisierungsprogramm zuvor die Parlamentshürde nicht nehmen kann? Auf Spekulationen über einen möglichen Plan B wollte sich Merkel gar nicht einlassen: „Ich gehe davon aus, dass alles getan wird, so dass die Abstimmung positiv ausgeht“, sagte die Kanzlerin.

Damit Papandreou in der kommenden Woche möglichst souverän in diese Abstimmung gehen kann, stärkten die Staats- und Regierungschef ihm zumindest symbolisch den Rücken. Sie einigten sich darauf, dass Athen technische Unterstützung von Experten erhalten soll, um Fördermittel aus den EU-Strukturfonds auch tatsächlich abzurufen. Häufig seien von der EU zur Verfügung gestellte Fördergelder in Griechenland gar nicht in Anspruch genommen worden, sagte Merkel. Und dann fügte sie noch hinzu: „Die Menschen in Griechenland können das.“

Angesichts der drängenden Probleme Griechenlands gerieten die anderen Beschlüsse des EU-Gipfels in den Hintergrund. So wurde unter anderem festgelegt, dass die EU-Staaten die Möglichkeit haben, angesichts der Flüchtlingsströme aus der arabischen Welt verstärkt an ihren Grenzen zu kontrollieren. Allerdings sollen diese Kontrollen örtlich und zeitlich begrenzt sein. Das ist eine Reaktion auf die Kontroverse zwischen Frankreich und Italien – Sarkozy hatte sich kurzfristig geweigert, tunesische Flüchtlinge aus Italien ins Land zu lassen. Aufregung hatte auch die Ankündigung der dänischen Regierung ausgelöst, künftig wieder permanent Zöllner an den Grenzen nach Deutschland und Schweden zu postieren. Nun wird die EU-Kommission aufgefordert, bis September einen Vorschlag zum Umgang mit Grenzkontrollen zu machen.

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