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Welcher Depp fährt da vor mir so langsam? Dashcams zeichnen alles auf.

© dpa

Dashcam im Auto: Lieber Überwachung als Raserei

Dashcams sind Kameras, die sich immer mehr Autofahrer hinter der Frontscheibe installieren. Datenschützer warnen. Es könnte aber sein, dass der Nutzen der Dashcam größer ist als ihr Schaden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Für Verkehrsüberwachung, traditionell Sache der Polizei, fühlen sich zunehmend auch Bürger zuständig: „Dashboard-Cams“, fest installierte Kameras hinter der Windschutzscheibe und/oder im Heck, finden immer mehr Käufer. Sie nehmen den fließenden Verkehr auf, der Speicher wird, wenn er voll ist, automatisch überschrieben. Kommt es zum Unfall, gibt es ein Beweismittel mehr – das natürlich die Unschuld des Dashcam-Eigners belegen soll.

Die Bundesrepublik wäre kaum das Land der Richter und Denker, würde die Sache nicht gründlich hinterfragt. Das Verwaltungsgericht im bayerischen Ansbach hat jetzt klargestellt, dass hier das Datenschutzgesetz anzuwenden ist, zum Nachteil der Filmfahrer. Denn mit dem Vorhaben, das Material nach einem Crash der Polizei zu übergeben, werde der persönliche oder familiäre Bereich verlassen, in dem ohne Limit videografiert werden dürfe. Heimliche Aufnahmen Dritter seien generell verboten, heißt es, sie stellten einen „erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ dar.

Wollen wir Dashcam-Wildwest bis zur juristischen Klärung?

Wer dem zustimmt, wie vermutlich viele, sollte dabei nicht stehenbleiben. Denn wenn das Anliegen wirklich so wichtig ist, sollte es der Aushandlung zwischen Datenschützern und Verwaltungsrichtern entzogen und dem Parlament vorgelegt werden. Für ein Verbot, bewehrt mit einem Bußgeld, gibt es gute Argumente. Dagegen ist offen, wie die Gerichte weiter entscheiden. Jeder Einzelfall könnte zu einer neuen Abwägung führen. Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung dürften Jahre vergehen. Wollen wir so lange Dashcam-Wildwest?

Ausnahmsweise ein klares Ja, denn es fehlt bisher an überzeugender Empirie. So datenschützerisch das Ansbacher Urteil klingt, womöglich ist es falsch. Der Straßenverkehr ist eine Gefahrenzone mit tausenden Toten jährlich und Sachschäden in Millionenhöhe täglich. Ungezählt die Situationen, in der es angesichts hasardierender Autolenker gerade noch einmal gut gegangen ist. Es ist kaum zu bestreiten, dass Dashcams, massenhaft verbreitet, disziplinierende Effekte auslösen könnten. Raser und Drängler würden im Kameravisier vermutlich an Lust verlieren. Das kann kein Schaden sein.

Autofahren ist ohnehin öffentlich

Zugleich ist der angeblich so erhebliche Eingriff in die Persönlichkeitsrechte eher theoretischer Natur. Gesichter sind durch Autoscheiben kaum zu erkennen, Kennzeichendaten für Private nicht ohne weiteres ermittelbar. Autofahren ist ohnehin eine überaus öffentliche Tätigkeit, zumal eine mit unverfänglichem Erscheinungsbild, jedenfalls soweit man sie ordnungsgemäß ausübt. Aufnahmen im Internet zu verbreiten, bleibt dennoch klar rechtswidrig, die anderen Verkehrsteilnehmer sind also von der Rechtsordnung geschützt. Massenerfassung von Straßenverkehr kann also sinnvoll sein, wie auch am Fall des Lkw-Schützen zu erkennen ist, der zurzeit vor Gericht steht und nur dank ihrer geschnappt werden konnte. Edward Snowden in allen Ehren: Den Schutz, den der E-Mail-Verkehr verdient, hat der Straßenverkehr nicht nötig.

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