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Datenschutz: Angst vor "Elena"

Das neue Datenerfassungs- und Vernetzungsprogramm „Elena“ wird bereits kurz nach seinem Start heftig kritisiert. Warum wurde „Elena“ eingeführt und wie berechtigt sind die Ängste vor Datenmissbrauch?

Der Name klingt weiblich nett, aber das kann die Kritiker nicht beschwichtigen. „Sämtliche Klagemöglichkeiten“ will die Gewerkschaft Verdi gegen „Elena“ ausloten lassen. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar stellt die „verfassungsrechtliche Zulässigkeit“ in Frage. Oppositionspolitiker wie die Linke Petra Pau sprechen von einem „Datenmonster“. Und auch die mitregierende FDP äußert Zweifel an dem frisch gestarteten Projekt der Bundesregierung.

Letzteres ist nicht nur daraus zu erklären, dass es andere ersonnen haben. „Elena“ ist zwar ein Kind der rot-grünen Regierung, die mit dem damals noch „Jobcard“ genannten Projekt Papierkram sparen, die Arbeitgeber entlasten und Sozialbetrug verhindern wollte. Doch es ängstigt inzwischen auch manchen seiner einstigen Förderer. Der Name steht für „elektronischer Entgeltnachweis“, es handelt sich um das größte Erfassungs- und Vernetzungsprojekt von Arbeitnehmerdaten, das es in Deutschland je gegeben hat.

Die Ursprungsidee klang sinnvoll. Die Arbeitgeber sollten Basisdaten ihrer Beschäftigten wie Verdienst, Arbeitszeit oder Sozialabgaben elektronisch an einen Zentralcomputer der Deutschen Rentenversicherung in Würzburg weiterleiten. Stellt ein Bürger dann einen Antrag, für den die Behörde eine Arbeitgeberbescheinigung benötigt, kann diese auf den Server zurückgreifen – und dem Antragsteller Rennerei, Wartezeit und Arbeitgeberbelästigung ersparen. Vom Wohngeld, Hartz IV und Kitaplatz-Anforderung bis hin zur Zeugenentschädigung – für rund 180 Antragsarten werden bislang solche Bescheinigungen verlangt. Durch die zentrale Datenspeicherung und den Zugang über eine spezielle Signaturkarte des Betroffenen würden sie überflüssig. Und wenn tatsächlich einmal alle Bereiche einbezogen seien, ließen sich dadurch bis zu 85 Millionen Euro an Verwaltungskosten sparen, argumentieren die Befürworter.

Ab 2012 soll „Elena“ für die ersten Bereiche – Arbeitslosen-, Eltern- und Wohngeld – in Betrieb gehen. Aber um einen Vorlauf zu haben, sind alle Arbeitgeber schon seit dem Neujahrstag 2010 verpflichtet, die Einkommensdaten ihrer Beschäftigten elektronisch an die zentrale Speicherstelle zu melden. Betroffen sind bis zu 40 Millionen Beschäftigte. Und was Gewerkschaften und Datenschützer so umtreibt, ist die Tatsache, dass sich unter den angeforderten Angaben eben auch eine Menge höchst sensibler befinden.

So enthält das Arbeitgeberformular, für das es eigens eine 56-seitige Ausfüllanleitung gibt, etwa auch die Rubrik „Fehlzeiten“. Dort steht dann nicht nur, ob und wie oft der Beschäftigte sich krank gemeldet, sondern auch ob und wie lange er an „rechtmäßigen“ oder „unrechtmäßigen“ Streiks teilgenommen hat. Und selbst Abmahnungen oder Kündigungsgründe müssen eigens aufgelistet werden – aus Arbeitgebersicht wohlgemerkt. Diese Angaben seien notwendig, um über eventuelle Sperrzeiten für Sozialleistungen entscheiden zu können, heißt es zur Begründung.

„Überbordend“, nennt der Linken-Politiker Wolfgang Neskovic solchen „Datenhunger“. Die Politik habe sich verführen lassen von den enormen technischen Möglichkeiten, findet er. Und auch Verdi- Chef Frank Bsirske kritisiert eine „Detailversessenheit“, bei der „Missbrauch fast programmiert“ sei. Dadurch habe sich ein ursprünglich sinnvolles Projekt ins „absolute Gegenteil verkehrt“.

Tatsache ist, dass die Bürger solche Angaben auch früher schon den Behörden vorlegen mussten – allerdings nur für ganz bestimmte Anträge. Das Besondere und Problematische an „Elena“ ist, dass diese Informationen von 40 Millionen Menschen sozusagen auf Vorrat an einer Stelle konzentriert und von dort abrufbar sind. Und dass die meisten dieser Menschen die Sozialleistungen, für die es solcher Detailangaben bedarf, zeitlebens wohl gar nicht in Anspruch nehmen werden.

Da hilft es wenig, dass das Arbeitsministerium nun ein wenig einlenken und zumindest die direkte Zuordnung von Streiktagen auf die Beschäftigten verhindern will. Und es ändert auch nichts, dass der Chef des „Elena“-Bereichs bei der Rentenversicherung, Robert Kronthaler, auf aufwendige Verschlüsselungsprozeduren verweist und garantiert, dass die Daten „vollständig sicher“ seien. Für Experten wie den Frankfurter Arbeitsrechtler Peter Wedde handelt es sich bei „Elena“ um die Auswüchse einer neuen Daten-Sammelleidenschaft – und um unerlaubte Vorratsdatenspeicherung. Gebe es die Datenbank erst mal, so warnt er, könnten auch andere Lust bekommen, sie zu nutzen.

Ähnlich argumentieren auch regierende Politiker wie Baden-Württembergs Justizminister Ulrich Goll (FDP). Bei jeder staatlich organisierten Datensammlung müsse „damit gerechnet werden, dass ihre Nutzungsmöglichkeiten nachträglich erweitert werden“, sagte er dem „Südkurier“. Eine Vorratsspeicherung wie bei „Elena“ stehe in keinem Verhältnis zum Nutzen des Verfahrens. Es reiche, wenn die Arbeitgeber die Daten erst dann weiterleiteten, wenn sie gebraucht würden.

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