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Videoüberwachung

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Datenschutz: Gläserner Autofahrer - stoppt Karlsruhe die Überwachung?

In acht Bundesländern gleicht die Polizei mittlerweile automatisch Nummernschilder per Videoüberwachung ab. Sie will damit Kriminellen auf die Spur kommen. Autofahrer und Datenschützer sehen das Grundrecht verletzt. An diesem Dienstag entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

Autokennzeichen werden inzwischen in Bayern, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein erfasst. Allein in Bayern werden nach Angaben des Freistaats fünf Millionen Nummernschilder im Monat gescannt und mit den rund 2,7 Millionen Daten der Fahndungsdateien abgeglichen. Doch der Erfolg der heftig umstrittenen Überwachung ist mit einer Trefferquote von 0,03 Promille höchst dürftig.

Vielen Bürgern und Datenschützern geht die Überwachung zu weit. Drei Autofahrer aus Hessen und Schleswig-Holstein klagten vor dem Bundesverfassungsgericht. Sie sehen durch die Datenerfassung ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung unverhältnismäßig einschränkt. Doch der hessische Innenminister Volker Bouffier (CDU) weist den Vorwurf drohenden Datenmissbrauchs in der mündlichen Verhandlung im vergangenen November zurück.

Abgleich mit Demonstranten-Daten?

Es würden nur jene Kennzeichen gespeichert, die etwa wegen Diebstahls in zwei Dateien des Bundeskriminalamts (BKA) und der Schengen-Staaten zur Fahndung ausgeschrieben seien, so Bouffier. Alle Nichttreffer würden "unverzüglich" gelöscht. Deshalb könnten weder Bewegungsprofile von unschuldigen Bürgern erstellt, noch die Identität der Autofahrer festgestellt werden, betont der hessische Innenminister. Ein Vertreter des Landes Schleswig-Holstein musste aber auf die kritischen Fragen des Gerichts einräumen, dass die Suchdatei durchaus um die Autokennzeichen etwa von gewaltbereiten Demonstranten oder Hooligans erweitert werden könnte.

Würden die Videokameras der Länderpolizeien dann noch vernetzt mit jenen zehntausenden Kameras des Bundes zur Lkw-Mauterfassung auf den Autobahnen, wie es Bundesinnenminister Schäuble will, dann wäre der Überwachungsstaat perfekt, argumentieren die Kritiker. Jede längere Autofahrt könnte dokumentiert werden, denn laut Gericht erfassen die Mautkameras des Bundes "schon jetzt alle vorbeifahrenden Fahrzeuge, also nicht nur Lastkraftwagen". Beim nächsten G-8-Gipfel in Deutschland etwa könnte der Staat unauffällig und noch weit von den Tagungsorten entfernt missliebige Demonstranten vorbeugend und im eigentlichen Wortsinn unauffällig aus dem Verkehr ziehen und sie so um eines ihrer wesentlichen Grundrechte, die Versammlungsfreiheit, bringen.

Polizeigewerkschaft zweifelt

So weit wird es Karlsruhe vermutlich aber nicht kommen lassen. Selbst die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) zweifelt inzwischen, dass den Beamten das "unerlässliche Instrument zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität" erhalten bleibt: "Es ist ein absolutes Unding, dass die Politik schon wieder Gesetze verabschiedet hat, die offensichtlich nicht mit der Verfassung übereinstimmen und im Nachhinein vom Bundesverfassungsgericht korrigiert werden müssen", erklärte die Gewerkschaft. Zuletzt hatten die Verfassungsrichter ein nordrhein-westfälisches Landesgesetz zur Online-Durchsuchung von Computern für nichtig erklärt.

Jürgen Oeder[AFP]

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