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Grünen-Fraktionschefin sieht Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) in der Verantwortung.

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Update

Datenschutz: Künast macht Aigner Vorwürfe wegen Meldegesetz

Die schwarz-gelbe Regierung hat die Neuregelung des Meldegesetzes zu Gunsten der Adresshändler abgeändert. Datenschützer protestieren. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast kritisiert die Verbraucherschutzministerin. Diese hätte sich "mehr für die Bürger einsetzen müssen".

Die Aufregung ist groß, der Bundesrat soll es nun richten. SPD, Grüne und Linke wollen Änderungen beim neuen Bundesmeldegesetz durchsetzen. Mit guten Aussichten: Die Länder müssen dem Gesetz zustimmen, Schwarz-Gelb aber hat keine Mehrheit im Bundesrat.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast kritisierte Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) wegen des Gesetzes. Aigner hätte sich, was den Umgang mit Daten angehe, „für die Bürger viel früher einsetzen müssen“, sagte Künast am Montag im ZDF-Morgenmagazin. Aigner, die am Wochenende gesagt hatte, über die Neuregelung müsse noch diskutiert werden, habe dem Gesetz als Bundestagsabgeordnete „faktisch“ zugestimmt.

Aigners Zweifel an dem Gesetz kommen nach Künasts Einschätzung zu spät: „Wir werden das Gesetz mit den grün- und rotregierten Ländern über den Bundesrat wieder kippen. Und dann haben wir das gekippt und nicht sie.“

Der ursprüngliche Entwurf des Bundesinnenministeriums war von der schwarz-gelben Koalition in den Ausschussberatungen in einem zentralen Punkt ungebogen worden – ganz offenkundig auf Wunsch von Adresshändlern, Auskunfteien und Inkassounternehmern. Die brauchen möglichst aktuelle Adressbestände. Zu deren Kunden gehören neben allerlei Versand-, Online- und sonstigen Unternehmen, die ihre Waren an den Mann und die Frau bringen wollen, auch wohltätige und gemeinnützige Organisationen, denen es um Spendenaktionen und Fundraising geht. Soweit es sich um seriöse Anbieter und Organisationen handelt, ist Adresshandel grundsätzlich nichts Verwerfliches. Es gehört zum Geschäft. Übrigens auch für den Staat, denn er verlangt Gebühren.

Bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs im vorigen Herbst lobte sich das Bundesinnenministerium noch, dass man das Recht auf informationelle Selbstbestimmung stärken wolle. Im Paragrafen 44, in dem einfache Auskünfte über namentlich bekannte Personen aus den Melderegistern der Kommunen geregelt werden, wurde nämlich festgelegt, dass für die Übermittlung von Daten zum Zwecke der Werbung und des Adresshandels eine konkrete Einwilligung der betroffenen Personen erfolgen muss.

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Diese datenschutzrechtliche Begrenzung ist natürlich eine erhebliche Behinderung für die Adressnutzer (mutmaßlich vor allem bei Inkassounternehmen, die gezielt nach Personen suchen). Deren Lobby scheint bei den Abgeordneten von Union und FDP auf Verständnis gestoßen zu sein. Daher wurde die Einwilligungslösung – gegen den erklärten Widerstand vor allem der SPD – im Bundestag gekippt und die bislang übliche Widerspruchsvariante in den Paragrafen 44 aufgenommen. Dort heißt es nun, dass jede betroffene Person – über die konkret Daten angefragt werden – das Recht hat, der Übermittlung von Daten zu widersprechen. Darauf ist jeder Bürger laut Gesetz bei der Anmeldung am Wohnort „sowie einmal jährlich durch ortsübliche Bekanntmachung“ hinzuweisen. Wenn die Daten „ausschließlich zur Bestätigung oder Berichtigung bereits vorhandener Daten verwendet werden“, ist gar kein Widerspruch möglich.

Bei der automatisierten Melderegisterauskunft, die dem elektronischen Abgleich schon bestehender Adressdateien dient, war die Einwilligung von vornherein nicht vorgesehen – auch hier ist der Widerspruch vorgesehen, muss also der Bürger aktiv werden und nicht derjenige, der Adressdaten haben möchte. Abgleichungen sind für Unternehmen oder Organisationen wichtig, um die Adressdateien einigermaßen aktuell zu halten. Dazu gehören nicht zuletzt auch Sterbedaten. Post an Tote gilt in der Werbebranche als potenzieller Imageverlust.

Neben dem Widerspruch beim Meldeamt haben alle Bürger aber eine weitere Möglichkeit, sich gegen ungebetene Werbung per Post, Telefon oder E-Mail zu wehren. Man kann sich in sogenannte Robinsonlisten eintragen – natürlich mit der kompletten Adresse. Diese Listen werden zumindest von seriösen Firmen und Organisationen genutzt, um die eigenen Adressdateien abzugleichen – wer auf der Robinsonliste steht, wird bei Direktmarketingaktionen nicht mehr berücksichtigt. Zumindest ist dies der Zweck des Angebots. Etwa zwei Millionen Bürger nutzen die Möglichkeit bereits, sich in solche Robinsonlisten einzutragen. Diese werden angeboten von zwei privaten Einrichtungen, dem Interessenverband deutsches Internet und dem Deutschen Dialogmarketing-Verband.

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