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Politik: Datenschutzbericht: Lückenlose Informationsspur

Der datengierige Big Brother ist inzwischen nicht mehr der Staat, findet Deutschlands oberster Datenschützer, Joachim Jacob. Vielmehr sei es heute die Privatwirtschaft, vor der es die Bürger zu schützen gelte.

Der datengierige Big Brother ist inzwischen nicht mehr der Staat, findet Deutschlands oberster Datenschützer, Joachim Jacob. Vielmehr sei es heute die Privatwirtschaft, vor der es die Bürger zu schützen gelte. Äußerst kritisch äußert sich der Bundesbeauftragte für den Datenschutz über die Machenschaften privater Firmen im Umgang mit persönlichen Kundendaten. "Das Interesse der privaten Wirtschaft an Transparenz und Aufklärung war in den vergangenen Jahren nicht übermäßig ausgeprägt", so Jacob bei der Vorstellung des jüngsten Datenschutzberichts in Berlin.

Die Bürgerinnen und Bürger reagieren nach den Aussagen des Datenschutzbeauftragten immer misstrauischer auf das wachsende Ansinnen der privaten Wirtschaft, möglichst umfassende Sammlungen persönlicher Daten von Kunden zu erhalten. Den meisten Deutschen vermittle der Einsatz von Internet, Handys und Kreditkarten das Gefühl, "immer gläserner, berechenbarer oder manipulierbarer" zu werden. Jacob will jetzt verstärkt auf eine Selbstregulierung der Unternehmen setzen.

Allerdings scheint den Bürgern allein mit solchen Regelungen wenig geholfen. "Jeder einzelne muss mehr Verantwortung für den Schutz seiner Daten übernehmen", appelliert Jacob. Dazu gehöre auch, sich mit dem Kleingedruckten auseinander zu setzen. Denn dort finden sich meist die Klauseln, wonach der Kunde mit seiner Unterschrift auch der Weitergabe seiner Daten zustimmt.

Neues Gesetz geplant

Der Staat, der böse Datensammler, dieses Schreckensbild der Liberalen - das war einmal. Diesen Kampf gegen die Obrigkeit haben die Bürger gewonnen, auch dank des Bundesverfassungsgerichts und dem "Recht auf informationelle Selbstbestimmung", mit dem es sie munitionierte. Noch in dieser Legislaturperiode könnte der Triumph kolossal werden. Das Bundesinneministerium arbeitet an einem neuen Gesetz, das den Menschen ein ganz ungewohntes Recht gibt: Statt dass der Staat die Bürger ausforscht, dürfen die Bürger den Staat ausforschen. Lesen Sie auch zu diesem Thema: Der gläserne Surfer Das Gesetz hat noch keinen Namen, aber große Vorbilder. In den USA zum Beispiel ist es der so genannte Freedom of Information Act (FOIA). Gemeint ist damit ein selbstständiges Auskunftsrecht gegenüber staatlichen Einrichtungen. Auch in einigen EU-Ländern gehört es zum Alltag, sogar in Deutschland. Berlin, Schleswig-Holstein und Brandenburg verfügen über solche "Informationsfreiheitsgesetze". Der Bund will nun zumindest in Sachen Bundesbehörden vorangehen. Eva Schmierer vom Bundesinnenministerium gibt zu, dass die Länder mit Anträgen bislang "keineswegs überrannt worden sind". In Kiel waren dagegen sogleich die örtlichen Scientologen zur Stelle, um zu wissen, was über sie gespeichert war. Ansonsten geht es den Leuten um Baupläne, Statistiken, Schulangelegenheiten oder Vergabe von öffentlichen Aufträgen.

Vor allem Letzteres ist für Gewerbetreibende interessant. "Hier dürften einige Anfragen zu erwarten sein", sagt Werner Schmidt, Sprecher des Bundesbeauftragten für Datenschutz, der künftig übrigens Bundesbeauftragter für Datenschutz und Akteneinsicht heißen soll. Der im Bieterverfahren unterlegene Konkurrent kann sich künftig über die Motive für den Zuschlag der Behörde schlau machen, zumindest so weit sie aktenkundlich sind. Schmidt: "Der Druck auf die Behörden nimmt allein schon deshalb zu, weil sie wissen, dass ihr Handeln zusätzlich von der Öffentlichkeit kontrolliert werden kann." Das Vorhaben soll damit auch ein Stück Korruptionsbekämpfung sein.

Das neue Recht gilt nicht schrankenlos. Nach Angaben des Innenministeriums muss das Begehr begründet sein, "nur so" gibt es die Auskunft nicht. Die größte Befürchtung der Gegner des Vorhabens hat sich nach Auskunft Schmierers zumindest in den Ländern nicht bewahrheitet. "Die Querulanten bleiben zuhause", sagt sie. Einige Verwaltungsexperten hätten sie "wie Heuschrecken" in die Behörden einfallen sehen. Im Bundesgesetz wird vorgebaut: Die Akteneinsicht gibt es nicht umsonst. Wer etwas wissen will, muss zahlen.

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