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Politik: David gegen Goliath – nächste Runde

Die Hoffnungen der USA trogen: Obwohl Fidel Castro die Bühne verlassen hat, sitzt sein Regime fest im Sattel. Venezuelas Ölmilliarden helfen dabei

Der König ist tot – es lebe der König. An diesen Spruch fühlen sich dieser Tage Kubabeobachter erinnert. Fidel Castro (80) ist so krank, dass er fünf Monate lang weder in der Öffentlichkeit gesehen wurde noch am Freitag an der Sitzung der Nationalversammlung teilnahm. Ein spanischer Chirurg, dessen Urteil mit Spannung erwartet wurde, sagte am gestrigen Dienstag, Castro habe keinen Krebs, er habe Probleme mit dem Verdauungsapparat, sei aber auf dem Wege der Besserung. Eine Operation sei unnötig.

An der Tatsache, dass bereits ein Machtwechsel auf Kuba stattfand, hätte auch ein anderes Urteil wenig geändert. Die Frage ist, wie Washington mit diesem Machtwechsel umgeht. Denn seit August haben Fidels Bruder Raul (75) und ein halbes Dutzend alter Getreuer die Führung der Insel übernommen. Dieser Regierungswechsel ging ohne das von Washington und der Exilgemeinde prophezeite Chaos über die Bühne, und der Nachfolger drückt der neuen Regierung bereits seinen Stempel auf.

So signaliserte Raul Castro Dialogbereitschaft gegenüber Washington. Kuba, so bekräftigte er mehrmals, wünsche eine Normalisierung der Beziehungen mit den USA – gleichberechtigte allerdings. Washington lehnte, wie erwartet, dankend ab und gab die Losung des „wait and see“ aus. Innenpolitisch läutete der Nachfolger ebenfalls schon die Post-Castro-Ära ein. Studenten gegenüber erklärte Raul Castro vergangene Woche, es sei Zeit für einen Wechsel. Umgeben von drei Generationen kubanischer Regierungsvertreter stellte er den, „natürlich graduellen“ Übergang auf jüngere Semester an der Spitze Kubas in Aussicht.

All dies schafft ein Dilemma für Washington und die Exilgemeinde. Denn seit der Revolution 1959 wurde kaum ein anderer Tag mit so viel Spannung und Vorfreude erwartet wie der Tag, an dem Fidel Castro das Ruder aus der Hand gibt. Danach, so das schlichte Wunschdenken, hätten Castros Antagonisten eine Art Carte Blanche, das vom kommunistischen Erzfeind befreite Eiland nach Gutdünken neu zu gestalten. Ironischerweise kam und ging dieser Zeitpunkt, und nichts ist geschehen. Fidels Regime endete im August und alles ist ruhig auf Kuba und an der Küste Floridas.

Was die Frage der Nachfolgeregierung betrifft, ist sein Tod irrelevant, denn diese sitzt bereits im Sattel. Die Zentralfiguren neben Raul Castro sind: José Ramon Balaguer, ein Arzt, der schon mit den Castro-Brüdern in der Sierra Maestra kämpfte und für das Gesundheitswesen zuständig ist, José Ramon Machado, ebenfalls loyaler Castrista aus Revolutionstagen, jetzt Erziehungsminister, und Carlos Lage, Architekt der Wirtschaftsreformen der 90er, nun an der Spitze des Energieministeriums. Zentralbankpräsident Francisco Soberon Valdes und Außenminister Felipe Perez Roque komplettieren die Riege der Schlüsselfiguren.

Den wirtschaftlichen Motor am Laufen hält Venezuelas Präsident Hugo Chavez. Der linksgerichtete Populist, ebenfalls kein enger Freund der USA, hat die frühere Rolle der ehemaligen Sowjetunion übernommen und subventioniert Castros Regime mit billigem Öl im Wert von jährlich zwei Milliarden Dollar. In diesem Jahr soll die kubanische Wirtschaft um 12,5 Prozent gewachsen sein.

Die Rolle des David gegen Goliath, die Washington den Gebrüdern Castro in den vergangenen vier Jahrzehnten dank des Handelsembargos lieferte, kann das Regime also weiterspielen. Das Handelsembargo, das amerikanischen Firmen den Handel mit der Insel ebenso verbietet wie amerikanischen Touristen einen Ausflug auf die Insel, wurde über die Jahre für Fidel Castro zum perfekten Alibi für alle Übel des kubanischen Systems.

Am politischen System änderte es nichts. „Es gibt wohl kaum eine andere politische Maßnahme, die über eine längere Zeit so zum Scheitern verurteilt war als dieses Embargo“, urteilt José Miguel Vivanco von Amnesty International in einem Artikel in der „Financial Times“. Er fordert, dass die USA aufhören sollten, sich wie Goliath zu gebärden, „dann hört auch Kuba auf, wie David auszusehen.“ Doch dies verlangt ein radikal neues Denkmuster in Washington, wo die Stimmen von 1,5 Millionen Exilkubanern in Florida, das bei jeder Wahl eine entscheidende Rolle spielt, bislang die Politik gegenüber der Insel diktierten.

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