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Geht es doch nur mit Assad? Der türkische Präsident Erdogan hat seine Meinung in der Syrien-Frage geändert - und damit den Widerspruch des Außenministers provoziert.

© Reuters

Davutoglu widerspricht Erdogan: Streit in Ankara: Was tun mit Assad?

Kein Land hat so viele Syrien-Flüchtlinge aufgenommen wie die Türkei. Jetzt vollzieht Präsident Recep Tayyip Erdogan eine Kehrtwende und ist bereit, sich mit dem bisher verhassten Diktator, Syriens Staatschef Assad, zu arrangieren. Doch der Außenminister widerspricht. Ein Machtkampf?

Recep Tayyip Erdogan, Präsident und starker Mann der Türkei, erlebt es nicht alle Tage, dass ihm aus dem Regierungslager bei einem wichtigen Thema öffentlich widersprochen wird. Ausgerechnet in der hochsensiblen Syrien-Frage ist dies nun geschehen. Kein anderer als Ministerpräsident Ahmet Davutoglu dementierte eine Aussage Erdogans zur Haltung der türkischen Regierung mit Blick auf die politische Zukunft des syrischen Staatsschefs Baschar al-Assad. Während Erdogan eine Übergangsphase mit Assad für möglich hält, ist Davutoglu dagegen. Die Verwirrung ist Ausdruck einer allgemeinen Ratlosigkeit in Ankara.

Vergangene Woche hatte Erdogan Freund und Feind damit überrascht, dass er eine seit Jahren bestehende Position der Türkei über den Haufen warf und sich bereit erklärte, Assad in eine Übergangslösung für Syrien einzubinden. Bis dahin hatte Ankara stets darauf bestanden, dass der syrische Präsident von der Macht entfernt werden müsse, bevor sinnvolle Gespräche über eine neue politische Ordnung in dem Bürgerkriegsland beginnen könnten.

Erdogan handelte mit Blick auf die internationale Lage, die ein Festhalten an der bedingungslosen Assad-Muss-Weg-Haltung nicht mehr ratsam erscheinen ließ. So haben wichtige Staaten wie Deutschland und Großbritannien angedeutet, dass sie sich Gespräche mit Assad vorstellen könnten. Gleichzeitig macht Russland mit seinem verstärkten Engagement in Syrien klar, dass eine Ablösung Assads als Anfangspunkt einer Friedenssuche auf absehbare Zeit nicht in Frage kommt.

„Kehrtwende“ war einer der Begriffe, mit dem Erdogans plötzlicher Schwenk in der türkischen Presse beschrieben wurde. Der Präsident überraschte auch türkische Regierungsminister: Nur wenige Tage vor der Stellungnahme des Präsidenten hatte Außenminister Ferifun Sinirlioglu noch die alte Haltung seines Landes gegen russische Kritik verteidigt.

Wer hat das letzte Wort?

Doch Davutoglu fuhr dem Chef Erdogan jetzt in die Parade. Vor türkischen Journalisten sagte er am Rande der UN-Vollversammlung in New York, es gebe keine neue Position der Türkei. „Wir sind überzeugt, dass eine Übergangsregierung mit Assad keine Übergangsregierung sein würde, sondern zu einem Dauerzustand werden würde“, sagte Davutoglu. Für Assad sei in einer Übergangslösung für Syrien kein Platz.

Damit liegt Davutoglu ganz auf der Linie der von der Türkei unterstützten syrischen Exilopposition. Deren Dachverband SNC erklärte nach Erdogans Äußerungen verärgert, es gebe Versuche, den Massenmörder Assad auf internationaler Ebene zu „rehabilitieren“. Es sei erstaunlich, wie Aggression und Tyrannei plötzlich zu Säulen einer Friedenslösung in Syrien erklärt würden.

Manche Beobachter vermuten, dass hinter den gegensätzlichen Positionen von Erdogan und Davutoglu mehr liegt als nur eine Abstimmungspanne zwischen dem Präsidialamt und dem Büro des Regierungschefs. Anfang September soll Erdogan in einer Rede hinter verschlossenen Türen außenpolitische Fehler der Regierung beklagt haben. Laut der Zeitung „Hürriyet“ sagte Erdogan, er sei in außenpolitischen Fragen falsch informiert worden. Zudem werde er selbst öffentlich wegen Fehltritten in der Außenpolitik kritisiert, die er überhaupt nicht zu verantworten habe.

Möglicherweise wollte Erdogan mit seiner Lockerung der türkischen Position hinsichtlich der Rolle von Assad also einen Fehler Davutoglus korrigieren. Nun stellt sich die Frage, ob Präsident oder Ministerpräsident das letzte Wort haben werden. In den bevorstehenden internationalen Gesprächen zur Syrien-Krise wird die Türkei beim Thema Assad eindeutig und verbindlich Stellung beziehen müssen.

Sollte Erdogan tatsächlich wegen der Syrien-Politik seines Landes frustriert sein, könnte man es ihm nicht verdenken. Kaum etwas geht voran. Es gibt keine Hinweise auf eine baldige Beilegung des Konflikts beim Nachbarn oder auf ein Ende des Zuzugs von Flüchtlingen, der bereits zwei Millionen Menschen in die Türkei gebracht hat. Der türkische Plan für eine Schutzzone in Nord-Syrien, in der 300.000 Flüchtlinge neu angesiedelt werden sollen, ist nicht zuletzt wegen des russischen Engagements auf Assads Seite kaum zu verwirklichen.

Über kurz oder lang wird sich Ankara deshalb bewegen müssen, schrieb Murat Yetkin, Chefredakteur der „Hürriyet Daily News“, in einer Kolumne. Die von Russland angeregten Gespräche im Oktober seien eine Chance für die Türkei, ihre unnachgiebige Haltung im Syrien-Konflikt zu revidieren. Davutoglu tue besser daran, gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft zu handeln, statt ganz allein auf der bisherigen Position zu beharren.

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