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Politik: DDR-Devisenbeschaffer Schalck-Golodkowski will von Stasi-Abhöraktionen nichts gewusst haben

Das Ambiente im Berliner Palais am Festungsgraben wirkte reichlich konspirativ. Auffällig unauffällige Leute säumten die Treppe zum Festsaal.

Das Ambiente im Berliner Palais am Festungsgraben wirkte reichlich konspirativ. Auffällig unauffällige Leute säumten die Treppe zum Festsaal. Anlass war der Auftritt des DDR-Devisenbeschaffers Alexander Schalck-Golodkowski, der am Donnerstag sein Buch "Deutsch-deutsche Erinnerungen" vorstellte. Die aktuellen Veröffentlichungen von Stasi-Abhörprotokollen westdeutscher Politiker hatten das Interesse am dubiosen Deutschlandpolitiker und Stasi-Offizier "im besonderen Einsatz" noch gesteigert.

Entsprechend lange lässt sich die Hauptperson bitten. Die ehemalige Ost-Berliner Bruderkuss-Gesellschaft kann derweil Herzlichkeiten austauschen und vom "beeindruckenden Alex" schwärmen. Im prächtigen Saal mit goldumrandeten Spiegeln und ölbemalten Wänden kommt fast staatstragende Stimmung auf. Besonders liebkost wird Schalcks Frau Sigrid, die den Einzug ihres Mannes aus der ersten Reihe verfolgt.

Begleitet wird Schalck vom ehemaligen Bonner Vertreter in Ost-Berlin, Günter Gaus. Früher durfte Gaus seinen geheimen Gesprächspartner nicht öffentlich grüßen, heute tut er es "gerne". Schalck, der sich aus der Sicht von Gaus wegen seiner Arbeit "nicht zu schämen" brauche, sei ein korrekter Verhandlungspartner gewesen. Dass er heute als Dunkelmann der DDR dargestellt werde, kann Gaus nicht verstehen.

Der Angesprochene freut sich über das Lob. Mit ruhiger Stimme beginnt er, aus dem Buch vorzutragen, das seinen Aufstieg im DDR-Apparat sowie die Flucht nach Bayern 1989 beschreibt. Schalck referiert, wie er für seinen Staat 49 Milliarden Valuta-Mark einsammelte und wie er nach der Wende mit mehr als 50 Strafverfahren und einem Untersuchungsausschuss konfrontiert war. Gaus: "Das waren keine glimpflichen Jahre für ihn." Verurteilt wurde Schalck letztlich zu 16 Monaten auf Bewährung - wegen Verletzung von Embargobestimmungen. Er selbst sieht sich "fast rehabilitiert".

Nun hat die CDU einen Spendenskandal am Hals, und Schalck kann nicht verbergen, dass er sich darüber freut. Im Zuge der Enthüllungen würden westdeutsche "Demagogie und Heuchelei" beim Umgang mit der Vergangenheit erkennbar, doziert er. Von den MfS-Abhörprotokollen will Schalck nichts gewusst haben: "Der Tagesspiegel-Bericht hat mich überrascht." Spitzbübisch fügt er hinzu: "Solche Informationen hätte ich früher gut nutzen können."

Gaus sieht nun die Stunde gekommen, die "missglückte DDR-Aufarbeitung" anzuprangern. Er klagt, dass das vereinte Deutschland den Stasi-Akten "nicht gewachsen" sei und macht sich Sorgen um die politische Kultur. Vor einem Untersuchungsausschuss hätten solche Dokumente jedenfalls nichts zu suchen, findet Gaus, und erntet Applaus.

Nach dem kurzen Ausflug in die Tagespolitik gerät die Debatte wieder ins Fahrwasser von SED-Parteitagsritualen. Der ehemalige Ost-Berliner Baustadtrat Günter Peters erhebt sich, um Schalck ein Buch zu überreichen. Und DDR-Planungschef Gerhard Schürer referiert in feinstem Partei-Deutsch: "Bei mir sind zahlreiche Anrufe eingegangen, die zum Ausdruck gebracht haben, dass man Alexander Schalck-Golodkowski für sein Buch danken muss." Der verhasste Schattenmann der DDR gibt sich gerührt: "Ich habe Sehnsucht nach Berlin", schließt er. Dann schreibt Schalck - abgeschirmt von Bodyguards - Autogramme für seine Fans.

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