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Politik: DDR-Kommandeur im Fall Gueffroy vor Gericht

Ein früherer DDR-Grenzkommandeur muss sich seit Freitag vor dem Berliner Landgericht als Befehlsgeber für den tödlichen Schuss auf das letzte Maueropfer Chris Gueffroy verantworten. Der heute 42-Jährige soll laut Anklage im Februar 1989 ihm unterstellten Grenzsoldaten vor Dienstantritt befohlen haben, "Fluchten unbedingt zu verhindern und Fluchtwillige äußerstenfalls zu töten".

Ein früherer DDR-Grenzkommandeur muss sich seit Freitag vor dem Berliner Landgericht als Befehlsgeber für den tödlichen Schuss auf das letzte Maueropfer Chris Gueffroy verantworten. Der heute 42-Jährige soll laut Anklage im Februar 1989 ihm unterstellten Grenzsoldaten vor Dienstantritt befohlen haben, "Fluchten unbedingt zu verhindern und Fluchtwillige äußerstenfalls zu töten". Der Staatsanwalt wirft dem Angeklagten deshalb Anstiftung zum Totschlag vor. Der ehemalige Offizier - heute trägt er langes graumeliertes Haar, Bart und Latzhosen - verweigerte am Freitag zum Prozessauftakt die Aussage.

Chris Gueffroy war am 5. Februar 1989 kurz vor Mitternacht erschossen worden, als er zusammen mit einem Freund die Berliner Mauer überklettern wollte. Die beiden 20-Jährigen hatten schon fast alle Hindernisse überwunden, als auf sie das Feuer eröffnet wurde. Eine Kugel traf Gueffroy ins Herz, sein Freund wurde am Fuß verletzt und in der DDR wegen Republikflucht zu drei Jahren Haft verurteilt. "Nach diesem Vorfall belobigte der Angeklagte den Schützen", verlas der Staatsanwalt die Anklage. Der Todesschütze ist 1994 vor dem Berliner Landgericht rechtskräftig zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden. Drei mitangeklagte Grenzposten wurden freigesprochen.

Einer von ihnen hat am Freitag als erster Zeuge in dem Verfahren ausgesagt - zugunsten des Ex-Majors. "Der war menschlich total in Ordnung", sagte der 36-jährige Erfurter über den Angeklagten, der inzwischen als Kraftfahrer sein Geld verdient. Ronald F. habe bei den Vorgesetzten nicht zu den "Scharfmachern" oder "150-Prozentigen" gezählt. Die Soldaten seien von den Offizieren angewiesen worden, nur als "letztes Mittel" zur Waffe zu greifen und nur auf die Beine zu zielen.

Ob der Angeklagte aus Hellersdorf auch am 5. Februar 1989 die Grenzsoldaten vergattert hat, konnte der Zeuge elf Jahre nach der Tat nicht bestätigen. Ein wirkungsloses Ritual schien die tägliche Dienstanweisung der Vorgesetzten allerdings nicht zu sein. "Die Vergatterung war Gesetz. Es war unser Auftrag, keine Fluchten zuzulassen", sagte der ehemalige Grenzsoldat. Für den Prozess sind vier weitere Verhandlungstage bis zum 21. Juni angesetzt.

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