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Soldaten der Deutsch-Französischen Brigade beim Appell.

© dpa

Debatte über eine Europaarmee: Ein Geisterbataillon

Seit vielen Jahren wird über die Euroarmee geredet. Dabei sind nicht einmal nationale Truppen verzahnt.

Jüngst forderte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker den Aufbau einer Europäischen Armee, um die Verteidigungsbereitschaft Europas zu stärken. Es war wohl eher rhetorischer Aktivismus als ernst gemeinte Forderung. 1,9 Millionen Männer und Frauen im militärischen Dienst. Damit übertreffen sie an Zahl die aktiven Streitkräfte der USA um 500.000 Soldaten, verfügen aber kaum über deren Schlagkraft. Jede europäische Armee folgt den nationalen Vorgaben, Kräfte und Fähigkeiten werden kaum aufeinander abgestimmt. Eine supranationale Euroarmee könnte also nicht nur effektiver sein, sondern würde auch noch erhebliche Kosten einsparen.

Am greifbarsten war die Schaffung einer europäischen Armee 1950/54, als die Konfrontation zwischen West und Ost sich zum Kalten Krieg verfestigte und es um die Frage ging, wie das entmilitarisierte Westdeutschland in ein gemeinsames Verteidigungssystem mit eigenen Soldaten eingebunden werden sollte. Damals fand der Plan einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft mit einer supranationalen Armee breite Zustimmung in Europa und den USA. Letztlich scheiterte die Realisierung 1954 an der Weigerung Frankreichs, auf seine militärische Souveränität zu verzichten.

Es gibt schon eine Vielzahl europäischer militärischer Projekte

Die Kernpunkte des Problems, der Verzicht auf die nationale Souveränität, sind seither nicht gelöst. Dabei gibt es schon eine Vielzahl europäischer militärischer Projekte. Neben den EU-Battlegroups gibt es die Deutsch-Französische Brigade, das Deutsch-Niederländische Korps, das Multinationale Korps Nord-Ost mit Polen und das Eurokorps, in dem Soldaten aus ganz Europa und Nato-Partnern Dienst tun. Während es sich bei den Korps allerdings nur um Befehlsstäbe handelt, denen im Bedarfsfall Truppen unterstellt werden, ist die Deutsch-Französische Brigade ein auch personell aufgestellter multinationaler Verband. An ihm lassen sich exemplarisch die Probleme aufzeigen, welche eine Euroarmee in der Praxis haben würde.

Es gibt große kulturelle Unterschiede

So bestehen starke kulturelle Unterschiede zwischen den einzelnen europäischen Streitkräften. Während in der Bundeswehr während des Dienstes Alkoholverbot besteht, will der französische Kamerad auf den Wein zum Mittagessen nicht verzichten. Auch sind die Hierarchiegefälle größer als in der deutschen Truppe. Das alles kann man als organisatorisch lösbare Probleme abtun.

Deutlich problematischer wird es für eine multinational gemischte Truppe, was die Verständigung untereinander betrifft. Auf den höheren Ebenen der Führungsstäbe funktioniert es durch Sprachenausbildung und die Arbeitssprache Englisch. Doch darunter machen sich die Verständigungsprobleme umso deutlicher bemerkbar und verhindern wirkliches Zusammenwachsen. Auch dort, wo Deutsche und Franzosen in einer Kaserne untergebracht sind, kommt es meist nur zu oberflächlichen Kontakten. Man bleibt unter sich.

Eine Euroarmee müsste daher neu geschaffen werden

Nach dem Ersten Weltkrieg hat man sich in Deutschland von den Strukturen der kaiserlichen Armee abgewandt, die aus den jeweiligen Kontingenten der Bundesstaaten bestand. Und auch die Bundeswehr hatte Wehrpflichtige quer durch die Republik verteilt, um Animositäten zwischen landsmannschaftlich geprägten Truppenteilen vorzubeugen. Eine Euroarmee müsste daher neu geschaffen werden, ohne Bezug auf nationale Traditionen, mit eigenem Selbstverständnis, einer Arbeitssprache und einer übernationalen Ausgestaltung. Dann könnten nationale Armeekontingente verringert werden.

Wer hätte die Befehlsgewalt?

Das eigentliche Problem aber, welches die Schaffung einer Euroarmee begleitet, liegt im Raum der politischen Legitimität. Die EU-Battlegroups wurden seit ihrem Bestehen 2005 nie eingesetzt, was nicht an fehlenden Gelegenheiten lag. Vielmehr ist der Einsatzbefehl von einem einstimmigen Beschluss der Mitglieder des Europäischen Rates, also der europäischen Regierungschefs, abhängig. Eine einheitliche europäische Außenpolitik ist aber selbst noch reine Utopie. Es stellt sich daher zuerst die Frage, wer die Befehlsgewalt über die Eurotruppe innehätte. Es fehlt der EU in ihrem derzeitigen Zustand schlicht an Souveränität, einen Einsatzbefehl geben zu können. Anstatt von einer Euroarmee zu sprechen, sollte man sich stärker bemühen, die nationalen Armeen aufeinander abzustimmen und die Ausrüstung zu vereinheitlichen. Doch selbst dies wäre eine Herkulesaufgabe.

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