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Bundesweit gibt es rund eine Million Leiharbeitnehmer.

© dpa/Wolfgang Kumm

Debatte über Leiharbeit: "Eine radikale Arbeitszeitverkürzung wäre eine Alternative zur Leiharbeit"

Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat Tarifverhandlungen in der Leiharbeit verteidigt. Die Linken-Vorsitzende Katja Kipping will Verträge für gesetzeswidrig erklären, wenn sie nicht den gleichen Lohn für Leiharbeitnehmer vorschreiben wie für die Stammbelegschaft. Ein Gastbeitrag.

Wer heute nicht weiß, ob er morgen oder im nächsten Jahr noch genügend hat, um halbwegs anständig über die Runden zu kommen, ist erpressbar. Das gilt für die Hartz-IV-Beziehenden wie für Leiharbeiter/innen – die Angst vor Sanktionen oder die Angst, den Job zu verlieren, sind allgegenwärtig. Sie pressen Grundsicherungsbeziehende wie Leiharbeiter/innen in die Rolle der Bittsteller, die sich am liebsten mit jedem Krümelgeld, mit jedem noch so mies bezahlten Job zufrieden geben sollen.

Die Linke hat eine klare Ansage: Hartz IV muss weg, durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung in Höhe von 1050 Euro ersetzt werden. Ich fordere auch ein bedingungsloses Grundeinkommen.

Leiharbeit gehört grundsätzlich abgeschafft

Und Leiharbeit? Die gehört grundsätzlich abgeschafft. Warum? Auftragsspitzen zu überbrücken oder im Krankheitsfall eine andere Arbeitskraft in einer Firma zu finden, dürfte in einer gut organisierten und mit der Belegschaft gemeinsam erarbeiteten Strategie eigentlich kein Problem sein. Auch Arbeitszeitkontenregelungen können bei sogenannten Auftragsspitzen schon viel abfangen. Der Urlaub von Kolleg/innen ist sowieso im Betriebsablauf einzuplanen, also auch kein Grund für Leiharbeit. Grundsätzliche kann auch eine Auftragsspitze hinterfragt werden: Ist sie wirklich nötig, weil nicht planbare Ereignisse zu unplanbarer Nachfrage führten, oder geht es doch nur darum, Konkurrenzflexibilität der Unternehmen auf Kosten der Beschäftigten durchzusetzen?

Die 30-Stunden-Woche wäre eine bessere Alternative

Eine viel bessere Alternative zur Leiharbeit wäre eine radikale Arbeitszeitverkürzung, sagen wir auf jahresdurchschnittlich dreißig Stunden die Woche. Warum? Weil in solch einer Konstellation tatsächlich notwendigen „Auftragsspitzen“ die Spitze gebrochen werden kann – und zwar im Einvernehmen mit der Belegschaft und den einzelnen Beschäftigten, die dann, wenn sie überzeugt sind, auch mal einen Monat ihre Arbeitszeit auf 35 Wochenstunden erhöhen könnten. Dann dafür einen anderen Monat eben weniger arbeiten. Flexibilität ohne die Zustimmung der Beschäftigten ist erzwungene Flexibilität. Die ist ebenso abzulehnen wie erzwungene Erwerbsarbeit.

Für Leiharbeit braucht es klare Regeln

Die Linke sagt auch: Solange Leiharbeit noch existiert, müssen klare Regeln herrschen. Die erste Regel lautet: equal pay. Keine Leiharbeiterin, kein Leiharbeiter hat weniger Lohn zu erhalten als ein Betriebsangehöriger mit den gleichen Aufgaben. Zweitens: Weil verliehene Arbeiter/innen auf Abruf arbeiten oder aus dem Betrieb abgezogen werden können, haben sie Anspruch auf eine Flexibilitätszulage von 10 Prozent des Bruttolohns. Drittens: Sämtliche Leiharbeitstarifverträge, egal von wem mit wem geschlossen, die diese Kriterien nicht erfüllen, sind als gesetzeswidrig zu betrachten und gemäß den gesetzlichen Vorgaben zu gestalten. Das gilt auch für Verträge der DGB-Tarifgemeinschaft.

Leiharbeit darf nicht zum Dauerphänomen werden

Zu den gesetzlichen Vorgaben gehört auch eine Überlassungshöchstdauer (gekoppelt an den Arbeitsplatz), damit die Unternehmen Leiharbeit nicht zum Dauerphänomen machen können. Selbstverständlich haben die Belegschaften ein Mitbestimmungsrecht (verbunden mit einem Zustimmungsverweigerungsrecht) darüber, ob und wo Leiharbeiter/innen eingesetzt werden sollen. Damit kann auch der Einsatz von Leiharbeiter/innen als eine Gruppe, die Druck auf die Beschäftigten ausüben soll, ausgehebelt werden.

Alle diese Maßnahmen, von Mindestsicherung/Grundeinkommen über das Verbot von Leiharbeit und radikale Arbeitszeitverkürzung, Mitbestimmung sowie gleicher Lohn für gleiche Arbeit und Flexibilitätsbonus wirken in Richtung weniger Erpressbarkeit der Lohnabhängigen, sind also zu befürworten. Da haben wir noch gar nicht über die notwendige grundsätzliche Demokratisierung und Ausrichtung der Produktion an den Bedürfnissen der Menschen gesprochen.

Katja Kipping ist seit 2012 Vorsitzende der Linkspartei. Die Dresdnerin ist seit 2005 Mitglied des deutschen Bundestags

Katja Kipping

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