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Ansprache im sitzen: Bundeskanzlerin Angela Merkel gibt die Regierungserklärung ab.

© dpa

Debatte über Regierungserklärung der Kanzlerin: Mensch, Mittelpunkt, Merkel

Kanzlerin Angela Merkel hat die Politik von Union und SPD erklärt. Zeit wurde es - vier Monate nach der Wahl. Szenen einer noch sehr frischen Zweckgemeinschaft. Mit Lob von der SPD für die CSU und Kritik der Grünen am früheren Wunschpartner. Unser Nachrichten-Ticker zum Nachlesen.

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Angela Merkel hat den Menschen zum Mittelpunkt ihrer Politik erklärt. Die großen Themen: Europa, Energiewende, Sozialreformen, Bildung und Arbeit. Die Opposition hat die Regierungschefin nicht überzeugt. Gregor Gysi erklärt sich zum Anwalt der deutschen Unternehmen, Grünenfraktionschef Anton Hofreiter schießt sich vor allem auf die SPD ein. Und eine Premiere gab es an diesem Mittwoch im Bundestag.

Hiermit beenden wir unseren Live-Ticker. Für das Interesse, liebe Leserin, lieber Leser, bedanken wir uns herzlich.

13:05 Uhr: Und abschließend ein paar Worte zu Europa. Abgang und Applaus für den Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Anton Hofreiter. Und auch wir verabschieden uns an dieser Stelle aus dem Bundestag.

13:01 Uhr: Auch Anton Hofreiter findet, wenig überraschend, dass die Energiewende ein ganz wichtiges Projekt ist. Er sagt: "Warum machen wir denn die Energiewende? Nicht, weil wir Windräder so schön finden, sondern um aus Atomenergie und Kohle auszusteigen. Und damit das Klima nicht völlig aus den Fugen gerät." Aber, und jetzt geht es wieder gegen die SPD und besonders gegen Sigmar Gabriel, die große Koalition nutze hier nicht ihre Mehrheit, sondern kuschele doch wieder mit den Betreibern der Braunkohlegruben. Und das trifft dann noch mal die Genossen in NRW. Aber, sagt Hofreiter auch, die Grünen wollen mit der großen Koalition bei der Energiewende zusammenarbeiten. Weil dieses Projekt nur im gesellschaftlichen Konsens gelingen kann. Aber bitte nicht weiter die Windenergie ausbremsen!

12:56 Uhr: Hofreiter fragt die Sozialdemokraten, ob sie es wirklich ernst meinen mit der Koalition mit der Union. Schließlich würde die SPD nun für eine Politik stehen, die sie in der Vergangenheit immer bekämpft hätten. Zum Beispiel in der Steuerpolitik, wo die Kanzlerin gerade noch einmal ganz deutlich gesagt hat, mehr oder höher wird es mit ihr nicht geben. "Das Wir entscheidet" aus dem SPD-Wahlprogramm sei doch jetzt zum "Die Kanzlerin entscheidet" geworden. "Masse macht nicht automatisch Klasse", findet Hofreiter. Nur weil 80 Prozent der Abgeordneten im Bundestag die Regierung stützen, findet er, sei das doch kein Grund, keine neue Ideen zu haben. Er erinnert daran, wie Merkel sich vor Jahren damals noch mit Umweltminister Gabriel als Klimakanzlerin inszenierte, und fragt sie und Gabriel: "Was ist davon übrig geblieben?" Und Hofreiter will auch noch wissen: "Was ist die Idee für die kommenden vier Jahre?" Er wirft der Kanzlerin vor, nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu setzen. Die Regierung verwalte nur den Status Quo. Und nachdem er die SPD abgewatscht hat, gratuliert er der Kanzlerin zur Frauenquote.

12:50 Uhr: Nach Oppermann spricht der Fraktionschef der zweiten Oppositionspartei, Anton Hofreiter von den Grünen.

12.49 Uhr: Nein, die SPD ist offenbar immer noch nicht zu 100 Prozent glücklich mit der Koalition: Die Regierungsbildung war nicht einfach, sagt Oppermann. "Wir haben hart gerungen." Und er greift noch einmal auf die Überzeugungsmittel vor dem SPD-Mitgliedervotum über den Koalitionsvertrag zurück: die ganzen Menschen in Deutschland, denen es jetzt endlich besser gehen soll.

Oppermann lobt Seehofer. Für den Heimatminister in Bayern!

12:44 Uhr: Was für eine Tour de Force. Oppermann versucht, genau so viele Themen unterzubringen, wie die Kanzlerin in ihrer Regierungserklärung. Er hat aber keine Stunde Zeit und muss dafür sehr schnell sprechen. Jetzt geht es um die Zuwanderung. "Deutschland profitiert wie kein anderes Land in der EU über die Freizügigkeit, und wir freuen uns über jeden, der hierher kommt, um zu arbeiten", sagt er. Und fordert bei Problemen keine lautstarken Parolen sondern "tatkräftiges Handeln". Und ein Kopliment an die CSU (ungläubiges Raunen): Die Idee von Horst Seehofer, in Bayern einen Heimatminister zu ernennen, sei richtig. Es gebe sehr viele Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen, weil sie vor Krisen oder Kriegen fliehen. Es sei Aufgabe der Politik, auch diesen Menschen eine Heimat zu geben. Ob das tatsächlich die Aufgabe von Markus Söder in Bayern ist, die ihm Horst Seehofer zugedacht hat?

12.41 Uhr: Oja, auch Oppermann spricht natürlich zur Energiewende. Die muss aber auch bezahlbar bleiben, sagt er. Und die Unternehmen müssen sie auch tragen können. Da wird der Schwerpunkt etwas anders gesetzt als vorhin von der Kanzlerin. "Eine Energiewende im Interesse des Allgemeinwohls soll es geben, und dafür hat der Wirtschaftsminister unsere volle Unterstützung", sagt Oppermann. Das klingt fast wie eine Drohung, und Sigmar Gabriel schaut dementsprechend.

12:37 Uhr: Oppermann will Politik "für die fleißigen Leute". Also doch nicht nur, wie von Gabriel betont, Politik und Koalitionsvertrag für die "kleinen Leute"?

12.34 Uhr: Erstmal ein Lob an die neue Freundin und Zustimmung für die Kanzlerin: Ja, die soziale Marktwirtschaft wird von fast allen Deutschen getragen, und sie wollen auch, dass diese gestärkt wird. Oppermann spricht von einem Grundkonsens und versucht darüber auch noch einmal zu erklären, warum SPD und Union nach der Wahl zueinander gefunden haben. Und noch einmal: Die soziale Marktwirtschaft will auch die SPD ganz doll stärken. 

12.27 Uhr: SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann beglückwünscht Gysi dazu, jetzt im Bundestag Oppositionsführer zu sein.

12:24 Uhr: Gysi glaubt, dass die große Koalition nur die Politik von Schwarz-Gelb fortsetzt. Viele Bürger werden enttäuscht sein, sagt der Oppositionschef und beendet seine Rede..

12.22 Uhr: Auch Gysi widmet wie vorher die Kanzlerin der Energiewende viel Zeit. Wie bei anderen Themen vorher findet der Fraktionschef der Linken, dass die Politik der Regierung sich gegen die "kleinen und mittelständischen Unternehmen" wendet. Wenn Strom wirklich preiswert werden soll, will Gysi wieder die staatliche Strompreisaufsicht einführen. Die Stromsteuer sollte gesenkt oder abgeschafft werden und die Ausnahmen in der Industrie auf ein Minimum reduziert werden. Eine Abwrackprämie bei der Verschrottung von energiefressenden Haushaltsgeräten und ein gebührenfreier Sockeltarif gehören ebenfalls zum Programm.

12.20 Uhr: Keine Koalition in der Opposition: Gysi spricht und die Grünen klatschen (fast) gar nicht.

12.13 Uhr: Gysis Rezept zur Rettung der Eurozone: Umverteilung. Denn alle Milliardäre der Eurozone haben zusammengenommen ein größeres Vermögen als alle europäischen Staatsschulden zusammen. In Deutschland sieht es nicht besser aus, sagt Gysi. 40 Prozent der Deutschen besäßen ein Prozent des Vermögens. Also doch bitte höhere Steuern, fordert er.

Gysi kann auch nett. Er wünscht Merkel gute Besserung.

12:11 Uhr: Gysis erste Attacken bleiben von Merkel und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) ungehört. Sie beraten sich mit Fraktionschef Volker Kauder (CDU), der an die Regierungsbank getreten ist.

12:10 Uhr: Jetzt ist es schon so weit gekommen, dass die Linke die Unternehmen vor US-Wirtschaftsspionage schützen müssen. Sagt Gregor Gysi.

12:08 Uhr: Also: Mehr deutsche Soldaten in Auslandseinsätze? Nein. "Krieg ist der falsche Weg." Was Merkel zur NSA gesagt hat? Wenn die Kanzlerin "ihre Unterwürfigkeit gegenüber der USA nicht aufgibt", wird das nix mit der Aufklärung. "Warum", fragt Gysi, "werden keine Amerikaner aus Deutschland ausgewiesen?"

12:05 Uhr: Oppositionsführer Gregor Gysi (Linke) hat das Wort. Er wünscht Merkel gute Besserung und empfiehlt aus eigener schmerzvoller Erfahrung nur noch altersgerechten Sport zu betreiben. Das war's mit den Freundlichkeiten. Gysi schreitet zur Attacke.

12:03 Uhr: Zum Ende der Regierungserklärung erinnert die Kanzerlin an den Beginn des Ersten Weltkriegs vor hundert Jahren, und an das, was darauf folgte - Zweiter Weltkrieg und Holocaust. Heute, sagt sie, sind wir Europäer zum Glück vereint. Dafür gibt es anhaltenden Applaus. Und dann: "Die neue Bundesregierung will dazu beitragen, dieses Glück zu schützen und zu wahren." Merkel ist am Ende ihrer Rede. Langanhaltender Beifall von der Union, die SPD hört etwas früher auf zu klatschen, in den hinteren SPD-Reihen wird gar nicht geklatscht. Bundestagspräsident Lammert wünscht der Kanzlerin im Namen des ganzen Hauses eine baldige Genesung.

12:01 Uhr: Merkel sagt: "Wir wollen, dass das Internet eine Verheißung bleibt." Die Digitale Überwachung ist aber ein Problem, das sagt die Kanzlerin jetzt auch. Und der Datenschutz muss weiterentwickelt werden. Gerade hakt es aber zum Beispiel mal wieder bei der EU-Datenschutzverordnung. Das sagt die Kanzlerin nicht. Im Blick auf die Enthüllungen über die NSA-Programme durch Edward Snowden - den sie direkt erwähnt - sagt die Kanzlerin, sie führe die Gespräche mit USA mit der "Kraft unserer Argumente, nicht mehr und nicht weniger". Dafür gibt es Applaus, aber was es genau heißt, bleibt etwas erratisch. Aber Krach mit den USA will die Kanzlerin auf keinen Fall, denn: "Deutschland kann sich keinen besseren Partner als die USA wünschen", und die transatlantische Partnerschaft bleibe von "überragender Bedeutung".

12:00 Uhr: Und noch einmal: "Der Mensch im Mittelpunkt unseres Handelns."

11:53 Uhr: Merkel hat die Rentenpläne der großen Koalition von Union und SPD wie erwartet verteidigt. Schon bei der Einführung der Rente mit 67 sei eine vorzeitige Rente nach 45 Beitragsjahren berücksichtigt worden. Jetzt werde dies modifiziert. "Die Menschlichkeit einer Gesellschaft zeigt sich im Umgang mit Schwachen, ... wenn sie alt sind und wenn sie krank sind." Das Kabinett hatte am Morgen die Rentenpläne von Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) gebilligt.

11.49 Uhr: Die CSU hat gesagt: "Wer betrügt, der fliegt." Die Kanzlerin sagt: Man wolle sicherstellen, dass durch "die Freizügigkeit keine faktische Einwanderung in die Sozialsysteme" entstehe. Aber konkret passieren wird erst einmal nichts. Ob aber durch die Rechtssprechung der Europäischen Gerichtshofes "nationaler Handlungsbedarf entsteht", sei "noch nicht absehbar, aber nicht auszuschließen". Deshalb gibt es jetzt schon einmal einen Ausschuss, der sich um das Thema kümmert, und im Zweifel betroffene Kommunen unterstützen soll.

11:48 Uhr: Eisiges Schweigen bei der SPD, als Merkel davon spricht, die Augen nicht vor Missbrauch bei der Zuwanderung zu verschließen. Auch beim Thema Maut rührt sich bei der Sozialdemokratie keine Hand.

Gerade auch im Blick auf die alternde Gesellschaft sagt die Kanzlerin, dass "jeder junge Mensch gute Chancen auf Bildung" braucht. Dazu gehörten der Ausbau der Kindertagesstätten, der Hochschulpakt aber auch die duale Berufsausbildung für Hochschulabbrecher. Außerdem sei dies auch eine zentrale Aufgabe der Integrationspolitik. Auf dem Integrationsgipfel in diesem Jahr wird es schwerpunktmäßig um die Ausbildung von Kindern mit Migrationshintergrund gehen.  

11:46 Uhr: In erster Reihe der Ehrentribüne sitzt der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, und hört aufmerksam zu, als es um Migration und doppelte Staatsbürgerschaft geht.

11:45 Uhr: "Jeder Mensch muss in Würde sterben können", sagt die Kanzlerin. Die Debatte um die Sterbehilfe wird bald der Bundestag führen.

11:44 Uhr: Merkel verteidigt die Frauenquote. "Jahrelanges Zureden hat nicht geholfen."

11.39 Uhr: Das Mantra dieser Regierungserklärung: "Der Mensch im Mittelpunkt des politischen Handelns." Ja wer denn sonst?

11.34 Uhr: Beim Thema Arbeit wird die Opposition unruhig, beim Mindestlohn erst recht. Merkel nennt das Ergebnis zum Mindestlohn ab 2015 (mit Einschränkungen) einen "Kompromiss, bei dem die Vorteile die Nachteile überwiegen". Arbeitsministerin Nahles runzelt die Stirn.  

11.30 Uhr: Die Bundesregierung will bis zum Sommer Vorschläge vorlegen, wie die Verhandlungen über eine Neuregelung des Bund-Länder-Finanzausgleichs angelegt werden können. Die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden müssten künftig klarere Zuständigkeiten erhalten, sagt Merkel. Spätestens 2019 müssen die Finanzbeziehungen neu geregelt werde, weil dann der Solidarpakt II für den Aufbau Ost ausläuft.

11.28 Uhr: Über die Energiewende ist viel gestritten worden, Merkel nennt sie "eine Herkulesaufgabe" und "nationale Kraftanstrengung". Und sie appelliert an alle Beteiligten, zusammenzuarbeiten und "über ihren Schatten zu springen". Denn auch wenn "die Welt mit einer Mischung aus Unverständnis und Neugier darauf schaut, ob und wie sie gelingen wird", gibt sich die Kanzlerin überzeugt: Die Energiewende kann ein "weiterer deutscher Exportschlager werden". Auch wenn SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel federführend bei der Energiewende ist, die Kanzlerin macht hier klar, das ist auch ihr Projekt. Bis 2050 sollen 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien kommen. Der Strom soll bezahlbar bleiben. Applaus.

11.25 Uhr: Sie hat es gesagt! Keine neuen Steuern! Und keine höheren! Man merke sich Datum und Uhrzeit. Die Union klatscht. Die SPD hält sich zurück. Die Sozialdemokraten hatten sich im Wahlkampf immer für höhere Steuern einsetzt - zum Beispiel für Reiche.

11:21 Uhr: Jetzt geht es um Europa, und da ist die Kanzlerin unzufrieden mit dem Status Quo. "So werden wir nicht stärker aus Krise herauskommen", sagt sie. Der "trügerischen Ruhe jetzt in Europa" dürfe man nicht trauen. Im Gegenteil, man müsse "Vorsorge für die Zukunft treffen". Was das heißt: Merkel wirbt für eine vertiefte Wirtschafts- und Währungsunion. Sie weil "eine echte Wirtschaftsunion". Mit einem "mehr an Verbindlichkeiten" und "weiterentwickelten EU-Verträgen". Was das genau bedeutet, bleibt offen.   

11:20 Uhr: Der letzte Mohikaner: FDP-Mann Hellmut Könighaus sitzt auf seinem separierten Einzelplatz in der dritten Reihe der Bundesratsbank. Er ist Wehrbeauftragter der Bundesregierung.

11.16 Uhr: Die Finanzkrise gibt es schon seit ein paar Jahren, jetzt macht sich Merkel für die Finanztransaktionssteuer stark. "Die ganze Welt muss die Lektion der Finanzkrise lernen", sagt sie. "Kein Finanzplatz und -akteur darf ohne angemessene Regulierung bleiben." Die Finanztransaktionssteuer soll kommen, denn "der Staat ist der Hüter der Ordnung". Diese Erkenntnis soll sich durchsetzen, sagt die Kanzlerin. Die SPD-Fraktion klatscht nahezu begeistert.

11.12 Uhr: "Es muss um den Menschen im Mittelpunkt unseres Handelns gehen", sagt Merkel. Ein höhnisches "Ohhhhh. . ." ertönt im Plenum. Abschätzige Zwischenrufe.

Merkel erklärt, wie sie die Regierung weiterführen will durch die "globale Dynamik": Dazu brauche man einen Kompass, und dieser Kompass sei in Deutschland die "soziale Marktwirtschaft". Weil darin "wirtschaftliche Kraft und sozialer Ausgleich miteinander verbunden" seien. Mit zeitlos gültigen Prinzipien, die aber weiterentwickelt werden können. Applaus bei der Koalition, Raunen und Jaulen bei der Opposition.

Gute Laune auf der Regierungsbank und die Gedanken eines Altkanzlers

11:07 Uhr: Jetzt lobt Merkel erst einmal die eigene Arbeit der vergangenen Jahre: "Deutschland geht es so gut wie lange nicht", sagt die Kanzlerin. Und: "Wir tragen maßgeblich dazu bei, dass die europäische Staatsschuldenkrise überwunden werden kann." Das gehe aber nur, sagt sie, wenn die Sozialpartner in Deutschland auch weiter gut zusammenarbeiten. Von Deutschland als dem kranken Mann Europas rede keiner mehr. Da möchte doch niemand widersprechen.

11:05 Uhr: Gute Laune auf der Regierungsbank. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) scherzt mit Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD). Und das, obwohl Nahles eine Menge Geld von Schäuble für die Rentenreform haben will. Aber das ist ja im Koalitionsvertrag vereinbart.

11:03 Uhr: Merkel hat das Wort. Sie beginnt mit der Lage in der Ukraine. Die Menschen dort wollten sich nicht von Europa abwenden. Ihre Wünsche müssten Gehör finden. Merkel sagt, dass durch den Druck der Demonstrationen "offensichtlich ernsthafte Gespräche über notwendige Reformen" zwischen Regierung und Opposition möglich werden. Die "Tür für ein EU-Assoziierungsabkommen" stehe der Ukraine weiter offen.   

11:01 Uhr: Gregor Gysi (Linke) sitzt in der dritten Reihe, arbeitet eifrig an seinem Manuskript und wirkt, als ob er sich schon auf einen fulminanten Auftritt als Oppositionsführer freut.

11:00 Uhr: Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) eröffnet die Sitzung.

10:52 Uhr: Wem die heute gehaltenen Reden nicht reichen, der kann die von Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) jetzt nachlesen. Wichtige Reden von Schröder und ausführliche Darstellungen zum politischen Wirken sind seit Dienstag auf einer neu gestalteten Internetseite zu finden. Darunter sind Reden und Informationen zur Agenda 2010, den Verhandlungen zum Atomausstieg, zu den Terroranschlägen vom 11. September und zum Beginn des Irakkriegs („Es ist die falsche Entscheidung getroffen worden.“).

10:51 Uhr: Schon am Vormittag hat das Kabinett die Rentenpläne von Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) beschlossen. Ein dicker Brocken: Das Paket enthält die besonders umstrittene abschlagfreie Rente ab 63 für langjährig Versicherte, die verbesserte Mütterrente, eine Aufstockung der Renten für Erwerbsgeminderte und bessere Reha-Leistungen. Insgesamt schlagen die Pläne bis 2030 mit jährlich neun bis elf Milliarden Euro zu Buche. Bezahlt werden soll alles zunächst aus der gut gefüllten Rentenkasse.

Die Verbesserungen sollen vom 1. Juli an gelten. Merkel wird in ihrer Rede die Beschlüsse verteidigen. Die arbeitgeberfreundliche "Initiative neue soziale Marktwirtschaft" hat heute mit ganzseitigen Anzeigen in vielen Tageszeitungen gegen die Reform protestiert. "Wer ist eigentlich für die Rentenpläne der Regierung?", fragte die Initiative. Antwort: "Niemand der lesen kann."

10:50 Uhr: Nach einer zweieinhalbstündigen Generalaussprache über Merkels Rede schließen sich heute Debatten über die Außen-, die Verteidigungs- und die Entwicklungspolitik an. Wie auch in den Sitzungen des Bundestags am Donnerstag und Freitag werden die Fachminister ihre Pläne vortragen. Linke und Grüne, die zusammen nicht einmal ein Fünftel der Abgeordneten haben und damit die seit Jahrzehnten kleinste Opposition stellen, dürften die Aussprache zu umfangreicher Kritik nutzen. Bei einer auf 60 Minuten angesetzten Debatte haben Linke und Grüne jeweils acht Minuten Redezeit.

10.48 Uhr: Die Opposition ruft Merkel dazu auf, vier Monate nach der Wahl im Parlament endlich darzulegen, welche Ziele sie verfolge. "Bislang kennen wir nur Streit innerhalb der Koalition über Einzelvorschläge von Ministern", sagt Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. "Das ist definitiv zu wenig, da muss Merkel jetzt liefern."

10.45 Uhr: Merkels Regierungserklärung soll rund eine Stunde dauern. Das ist nichts ungewöhnliches. Völlig neu dagegen: Es wird die erste Regierungserklärung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland sein, die im Sitzen vorgetragen wird. Die Kanzlerin hatte sich beim Skilanglauf in den Weihnachtsferien das Becken angebrochen. Die Ärzte haben ihr geraten, viel zu liegen - und offensichtlich nicht lange zu stehen. (mit dpa)

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