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Gibt der Staat zu wenig für die Schulen aus?

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Debatte über Steuererhöhungen: Schulen und Brücken taugen nicht als Argument

Höhere Steuern und Abgaben werden in allen Parteien mit angeblich notwendigen Mehrausgaben in Bildung und Infrastruktur begründet. Doch diese Argumente sind falsch und irreführend. Sie klingen nur gut, lenken aber von der Wahrheit ab.

Nun sondieren sie also. Erst Schwarz-Rot, dann Schwarz-Grün. Die Steuern werden eine Rolle spielen. Rot-Grün hatte im Wahlkampf mit Erhöhungen geworben, für Gutverdiener und Vermögende. Die Union sperrt sich. Doch nicht nur höherer Spitzensteuersatz und Vermögensteuer spielten vor der Wahl eine Rolle. Es ging auch um das Ehegattensplitting und um die Abkehr von der Abgeltungssteuer samt Freibetragshöhe. Die Mehrwertsteuer war ein Thema, beim ermäßigten Satz. Es ging um die steuerliche Progression, also die Frage, wie weit die Einkommen vor allem in der Mitte entlastet werden oder nicht. Und dann gab es noch die Straßenmaut. Andere Abgaben werden auch Thema werden, die bei einer Erhöhung die Preise treiben und damit auch die Mehrwertsteuereinnahmen. Die Erfahrung rät, dass man sich darauf einstellen muss, dass die Verhandlungen auf höhere Einnahmen für den Staat hinauslaufen. Nicht umsonst sind Ministerpräsidenten in den Delegationen, die Länder klagen am lautesten über Geldmangel. Dass nur Vermögende belastet werden, darauf sollte sich der Rest nicht verlassen. Man erinnere sich an Schwarz-Rot 2005: Aus heiterem Himmel steig die Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent. Die Union hatte zwei Prozentpunkte angekündigt, die SPD wollte keine Erhöhung. Vor der Wahl.

Was Böses ahnen lässt, sind die Begründungen für höhere Steuern und Abgaben. Sie sind aus allen Parteien zu hören. Es geht demnach um mehr Geld für bessere Bildung und mehr Geld für bessere Infrastruktur. Es wird der Eindruck vermittelt, dass hier eine Unterfinanzierung besteht. Und wer wollte da widersprechen? Klügere Kinder, sichere Brücken. Es klingt gut und vernünftig. Es ist aber leider falsch und irreführend.. Aber Bildung und Infrastruktur taugen als Argumente nicht.

Straßen und Brücken sind Pflicht, nicht Kür

Natürlich gibt es bei Autobahnen, Bundes-, Land- und Kommunalstraßen, bei Brücken und Kanälen Probleme. Aber das ist keine Überraschung. Sie nutzen sich eben ab. So gibt es beständigen Baubedarf: Neubau, Ausbesserung, gründliche Sanierung, die eine oder andere Notoperation. Aber das rechtfertigt, wenn die staatlichen Ebenen vernünftig wirtschaften, keine Steuererhöhung. Das Bauen und Unterhalten von Straßen etc. ist eine staatliche Grundaufgabe, dafür sind die Steuern, die man hat, zuallererst zu verwenden – Infrastruktur ist Pflicht, nicht Kür. Und wenig ist besser planbar als der staatliche Hoch- und Tiefbau. Wenn hier das Geld fehlt, dann ist schlecht geplant, schlecht gewirtschaftet, schlecht verwaltet worden.

Sind zu viele Brücken marode?
Sind zu viele Brücken marode?

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 Studie von interessierter Seite

Doch unverzagt wird von interessierter Seite der Eindruck erweckt, dass republikweit der Beton zerrieselt, das Straßen über weite Strecken marode ist und einstürzende Altbauten die Zukunft versperren. Und dass mehr Geld nötig sei, in dem Fall auch über Mehreinnahmen aus der Straßenmaut, wie die Verkehrsministerkonferenz fordert. Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) sieht allein bei den kommunalen Straßenbrücken einen erheblichen Investitionsbedarf. Mit Hochrechnungen  und Schätzungen kommt das Institut auf ein notwendiges Plus von einer Milliarde Euro im Jahr bis 2030. 17 Milliarden insgesamt also für einen überschaubaren Teilbereich. Das klingt dramatisch. Freilich muss man wissen, dass das Institut vom Städtetag und vom Städte- und Gemeindebund getragen wird. Auftraggeber der Studie waren der  Bundesverband der Deutschen Industrie, der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, der Bundesverband Baustoffe, Steine und Erden und die Wirtschaftsvereinigung Stahl. Das heißt nicht, dass die Zahlen unseriös sind – aber man darf sie mit einem leisen Zweifel lesen.

 Eher ein Regionalproblem

Das große nationale Problem, der angeblich so riesige Investitionsbedarf bei der Infrastruktur, ist in Wahrheit eher ein Regionalproblem. Der Osten Deutschlands etwa hat kaum noch Nachholbedarf nach der massiven Sonderförderung der letzten 20 Jahre. Defizite gibt es allenfalls noch im kommunalen Bereich, aber das ist machbar. Denn auch in den nächsten Jahren sind die Ost-Länder noch besser ausgestattet als die West-Länder. Auch im Süden der Republik zieht das Argument nicht wirklich, dort sind die Städte, Kreise und Gemeinden in aller Regel recht wohlhabend und sollten ihre Kommunalinfrastruktur im Griff haben. Letztlich geht es um einige größere Ecken Deutschlands, in denen sich ein Investitionsstau gebildet hat – die Klagen aus Nordrhein-Westfalen oder Schleswig-Holstein sind nicht ganz ohne Grund. Aber dafür braucht es keine Mehreinnahmen, sondern eine andere Mittelverteilung.

 Bildung ist nicht unterfinanziert

Auch das zweite Argument zieht nicht. Der Bildungssektor ist keineswegs unterfinanziert. Das Ziel, das sich Bund und Länder gesteckt haben - bis 2015 zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung und Forschung auszugeben – ist mit aktuell 9,5 Prozent nahezu erreicht. Der Bildungssektor kann aus dem Vollen schöpfen. Die Defizite, die es gibt und viele Bürger nerven (Lehrerversorgung, Bauten, Ausstattung, Stundenausfall, Bürokratismus), gehen meist nicht auf Mangel an Geld zurück, sondern auf Versäumnisse in der Verwaltung und das Verhalten der Beteiligten.

 Massives Plus bei den Ausgaben

Dass die Losung „mehr Geld für Bildung“ mittlerweile ein Popanz ist, zeigen die Zahlen des Statistischen Bundesamts. Demnach sind die Gesamtausgaben für Bildung, Forschung und Wissenschaft seit 1995 erheblich gewachsen. Sie lagen damals bei 162,5 Milliarden Euro, im Jahr 2011 dagegen belief sich dieses Gesamtbudget auf 245,1 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der gesamte Bundesetat hat ein Volumen von 310 Milliarden Euro. Der weitaus größte Teil des Zuwachses bei der Bildung geht auf staatliche Mehrausgaben zurück, ein erklecklicher Teil auch auf die höheren Ausgaben der Wirtschaft für Forschung und Entwicklung. Und Mehrausgaben sind es in der Tat: Das Bildungsbudget wuchs zwischen 1995 und 2011 um 50,8 Prozent, während die Preissteigerung in diesem Zeitraum 26,5 Prozent betrug.

Noch deutlicher wird der recht gute Zustand der Bildungsfinanzierung, wenn man sich einen  Indikator anschaut, der sehr lebensnah die Verhältnisse spiegelt. 2010 wurden in ganz Deutschland für jeden Schüler an öffentlichen Schulen (also einschließlich der Berufsschulen) 5800 Euro ausgegeben. 15 Jahre zuvor waren es 4300 Euro. Das Plus beträgt also 35 Prozent, auch hier erheblich über der Inflation. Das liegt natürlich auch daran, dass – regional unterschiedlich – die Schülerzahlen zurückgehen, während die Zahl der Lehrer blieb. Und Bildungsausgaben sind zu einem sehr hohen Prozentsatz Personalausgaben. Aber muss man mehr für Schulen ausgeben, wenn die Zahl der Kinder abnimmt oder stagniert? 

 Kein Gerechtigkeitsgefälle

Die Ausgaben pro Schüler zeigen auch, dass es auch keineswegs ein Gerechtigkeitsgefälle zwischen einzelnen Ländern gibt, das auf die Finanzen zurückzuführen und daher mit Geld zu heilen wäre. Baden-Württemberg etwa kommt je Schüler an allgemeinbildenden Schulen mit 6300 Euro aus, Berlin kann dagegen 7600 Euro je Schüler ausgeben. Die unter Bevölkerungsschwund leidenden ostdeutschen Länder kommen auf sehr hohe Werte (im Schnitt knapp 7700 Euro), während die im Finanzausgleich tendenziell benachteiligten Länder Nordrhein-Westfalen (5500 Euro), Schleswig-Holstein (5700 Euro), Rheinland-Pfalz (6000 Euro) und Niedersachsen (6100 Euro) weniger einsetzen - wobei sich mindestens im Fall NRW schon die Frage nach der landespolitischen Verantwortung dafür stellt. Aber eine generelle bundesweite Unterfinanzierung lässt sich nicht behaupten.

 Es geht um Schulden und Pensionen

Die eigentlichen Gründe, weshalb Politiker in Bund und Ländern gern höhere Steuern hätten, sind nicht Bildung und Infrastruktur. Die beiden Sektoren dienen nur als Scheinargumente. In Wahrheit geht es um Schulden und Personal. Es sind die stetig wachsenden Ausgaben für die pensionierten Beamten, welche den Landeshaushalten zunehmend  die Luft rauben. Das sind Pflichtausgaben, denn man hat den Staatsdienern ihre steuerfinanzierte Altersversorgung versprochen und auch nicht geknausert dabei. Vergessen wurde, dafür rechtzeitig in den Etats vorzusorgen und die Pensionsempfänger stärker zu beteiligen. Nun beginnt der Schuh zu drücken.

Die mit der globalen Finanzkrise enorm gewachsenen Schulden sind längst über jene Marke hinausgewachsen, die der Euro-Pakt erlaubt. Um Schuldentilgung kommen Bund und Länder aber nicht herum, denn wenn die Zinsen wieder steigen, dann wachsen auch die Zinslasten – die aber sind nur tragbar, wenn die Schuldenhöhe sinkt. Die Schuldenbremse zwingt ohnehin dazu, und einige Landesregierungen bekommen möglicherweise Probleme, sie einzuhalten. Steuererhöhungen oder Umfinanzierungen zugunsten ihrer Etats wären da sehr willkommen.

Die Ehrlichkeit fehlt

Ehrlich wäre es also, wenn in der Debatte über Steuern und Abgaben die Forderungen mit höheren Schulden und mehr Pensionslasten begründet würden. Aber das traut sich die Politik nicht. Also singt man lieber das süße Lied von der Bildungsrepublik und stimmt den Trauerchoral von den maroden  Brücken an. Aber man muss da nicht mitsingen.

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