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Nur Bürokraten können sich einen solchen Stempel ausdenken.

© dpa

Debatte um Bürokratieabbau: Die Deregulierung ist wieder da

Sigmar Gabriel plant, Bürokratien in Deutschland abzubauen. Das ist richtig. Die Sache hat nur einen Haken: Die eigenen Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag sind von dem neuen Vorhaben ausgenommen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ursula Weidenfeld

Irgendwann muss es den Großkoalitionären unheimlich geworden sein. Allein im ersten Jahr ihrer Amtszeit haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Minister den Deutschen neue Bürokratielasten im Umfang von fast zehn Milliarden Euro aufgebürdet. Auch den glühendsten Verfechtern des starken Staates ist jetzt klar geworden, dass das nicht so weitergehen kann. Von diesem Sommer an soll für jedes neue Gesetz, das mehr Bürokratie schafft, an anderer Stelle Bürokratie im selben Umfang abgebaut werden. Das ist jedenfalls der Plan von Vizekanzler Sigmar Gabriel. Er ist vernünftig.
Länder wie Großbritannien zeigen nämlich, dass die sogenannte „One in, one out“-Regel wirkt. Wer sich immer wieder zwingt, Regeln auf ihre Qualität, Effizienz und Relevanz zu prüfen, trennt sich nach und nach von überflüssigen und veralteten Paragraphen. Neue Bürokratie wird nur noch dann beschlossen, wenn sie sich wirklich lohnt. Das heißt: Die Deregulierung ist wieder da. Wer in den vergangenen Jahren das D-Wort in den Mund nahm, musste sich vorwerfen lassen, nichts aus der Finanzkrise gelernt zu haben oder ein verirrter Neoliberaler zu sein. Deregulierung, das war FDP und verschwand mit der Partei von der Agenda. Nun aber ist sie zurück. Gabriel knüpft damit sowohl an Vorschläge des CDU-Manns Johannes Ludewig an als auch an die „Neue-Mitte-Politik“ von Gerhard Schröder und Tony Blair.
Der Normenkontrollrat klagt bitter, dass in Deutschland die Bürokratie wuchert, obwohl die Bundesregierung sich das Gegenteil vorgenommen habe. Vor allem der Mindestlohn mit akribischen Dokumentationspflichten und aufwendiger Überwachung trage zur Bürokratiebeschleunigung bei. Die Energiewende und die Finanzmarktregulierung kommen dazu, außerdem zahlreiche europäische Regelungen. Insgesamt schätzt der Normenkontrollrat den Bürokratieaufwand für Unternehmen auf 200 bis 300 Milliarden Euro.
Es ist klug, jetzt endlich auf die Bremse zu treten. Die Sache hat nur einen Haken: Wie eine Drogenabhängige, die sich vor der Entzugsklinik noch schnell eine Spritze setzt, feiert auch die Bundesregierung eine letzte Party: Ihre eigenen Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag sind von dem neuen Vorhaben ausgenommen.

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