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Der Zeichner und Direktor der Wochenzeitschrift "Charlie Hebdo", bekannt unter dem Künstlernamen Charb, mit der aktuellen Ausgabe des Hefts.

© AFP

Update

Debatte um die Meinungsfreiheit: Neue Mohammed-Karikaturen: Magazin druckt Extra-Auflage

Eine französische Satire-Zeitung setzt auf Provokation - und zeigt Zeichnungen, die neue Wut unter Muslimen auslösen könnten. Auf manchen von ihnen ist Prophet Mohammed nackt dargestellt - das Publikumsinteresse ist groß. Unterdessen hat das Magazin eine Vermutung, warum seine Webseite lahmgelegt war.

Das französische Satire-Magazin „Charlie Hebdo“ druckt die aktuelle Ausgabe mit den provokanten Mohammed-Karikaturen in einer Sonderauflage nach. Das kündigte die Pariser Redaktion am Mittwoch an. Die wöchentliche Auflage liegt nach eigenen Angaben bei rund 75 000 Exemplaren. Nun soll in gleicher Höhe nachgelegt werden.

Aus Angst vor gewaltsamen Angriffen wegen der Veröffentlichung werden am Freitag die französischen Botschaften und Schulen in rund 20 Ländern geschlossen. Das teilte das Außenministerium in Paris am Mittwoch mit. Befürchtet werden offenbar Ausschreitungen nach den Freitagsgebeten in muslimischen Ländern.

Auf der Titelseite der Ausgabe ist ein gebrechlicher Mann mit Turban in einem Rollstuhl zu sehen, der von einem Mann geschoben wird, der anhand seiner Kleidung und Schläfenlocken als Jude zu erkennen ist. „Man darf sich nicht lustig machen“, wird den beiden Figuren in einer Sprechblase in den Mund gelegt. Darüber prangt der Titel „Intouchables 2“ („Die Unantastbaren 2“, in Anlehnung an den Titel des beliebten Films, der in Deutschland als „Ziemlich beste Freunde“ in die Kinos kam). Zudem finden sich in dem Magazin mehrere Karikaturen des Propheten Mohammed - einige davon zeigen ihn nackt. Eine drastischere Karikatur zeigt Mohammed, der nackt vor einer Kamera liegt. In Anspielung auf einen berühmten Film mit der französischen Schauspielerin Brigitte Bardot lässt der Karikaturist ihn sagen: „Und meinen Hintern? Magst du meinen Hintern?“ Außerdem wird der Papst gezeigt, wie er eine Maske abnimmt, darüber der Schriftzug: „Der Schauspieler, der Mohammed spielte ist ... endlich demaskiert.“ Auf die Redaktionsräume des Magazins war im November ein Brandanschlag verübt worden, nachdem es eine Mohammed-Karikatur gedruckt hatte.

Video: Satireblatt druckt Mohammed-Karikaturen

Außenminister Laurent Fabius hatte am Dienstag angesichts der teilweise gewalttätigen Protestwelle die Absicht des Magazins zur Veröffentlichung der Karikaturen verurteilt und zum Schutz des Redaktionsgebäudes Polizisten entsandt. Alles, was in der gegenwärtigen Lage provoziere, müsse verurteilt werden, sagte Fabius. Der Chefredakteur des Magazins, Stephane Charbonnier, erklärte dagegen: “Wir veröffentlichen Karikaturen über jeden und alles jede Woche. Wenn wir es aber mit dem Propheten machen, wird es Provokation genannt“.

Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle kündigte derweil an, dass Deutschland angesichts der neuerlichen Karikaturen-Veröffentlichung seine Botschaft im Sudan weiter geschlossen lassen wird. Die Sicherheitsmaßnahmen für andere deutsche Auslandsvertretungen seien erhöht worden. Über Details wollte Westerwelle keine Auskunft geben. Westerwelle mahnte zugleich, auf religiöse Gefühle in der islamischen Welt Rücksicht zu nehmen. „Ich rufe alle auf, gerade auch solche, die sich auf ihre Meinungsfreiheit zu Recht berufen, auch verantwortlich zu handeln. Nicht der ist der größere Freigeist, der jetzt auch noch absichtlich und mit erkennbarer Wirkung Öl ins Feuer gießen will.“

Die Titelseite von "Charlie Hebdo" war am Vorabend auf der Webseite des Blattes zu sehen. Am Mittwoch aber hatten Hacker den Online-Auftritt lahmgelegt. Die Seite war für Stunden nicht erreichbar. Das Blatt vermutet dahinter einen Hacker-Angriff radikaler Islamisten.

Vor der Veröffentlichung erhöht die Polizei die Sicherheitsvorkehrungen

Wenige Stunden vor der Veröffentlichung der neuen Ausgabe traf die französische Polizei nach eigenen Angaben Sicherheitsvorkehrungen vor dem Redaktionsgebäude von „Charlie Hebdo“ in Paris. Im November 2011 war es zu massiven Protesten vor der Redaktion gekommen, nachdem das Wochenblatt eine Sonderausgabe dem islamischen Recht, der Scharia, gewidmet hatte und diese „Charia Hebdo“ genannt hatte. Darin war der Prophet Mohammed als außerordentlicher Chefredakteur „eingeladen“ gewesen. Demonstranten hatten damals das Gebäude in Brand gesetzt. Am Dienstag wurde das Redaktionsgebäude unter verstärkten Polizeischutz gestellt.

Bildergalerie: Unruhen um Mohammed-Film

Premierminister Jean-Marc Ayrault teilte am Dienstagabend seine „Missbilligung jeder Zügellosigkeit“ angesichts der aktuellen Ereignisse mit. Er appellierte an ein verantwortungsbewusstes Verhalten aller. Der französische Rat der Muslime teilte seine „tiefe Bestürztheit“ angesichts der „beleidigenden Zeichnungen“ mit. Der Rat sei besorgt, dieser „unverantwortliche Akt“ könne neue Spannungen schüren.

Für strenggläubige Muslime sind Filme oder Karikaturen anstößig, die den Propheten Mohammed als Person zeigen. Dies ist nach ihrer Glaubensauffassung verboten. Mohammed-Karikaturen hatten schon mehrfach gewaltsame Proteste in der islamischen Welt ausgelöst.

Anfang 2006 kamen dabei mehr als 150 Menschen ums Leben. Auslöser waren Karikaturen in der dänischen Zeitung „Jyllands-Posten“.

Das Magazin „Charlie Hebdo“ hatte die Veröffentlichung der Karikaturen bereits im Vorfeld verteidigt und auf die Pressefreiheit verwiesen. Sie seien nicht provozierender als gewöhnlich, sagte der verantwortliche Redakteur Stéphane Charbonnier am Dienstag. Die Zeichnungen in der aktuellen Mittwochausgabe würden nur diejenigen schockieren, die schockiert sein wollten.

Seit einer Woche gibt es in der arabisch-islamischen Welt massive Proteste gegen ein in den USA produziertes Schmäh-Video über den Propheten. Das Terrornetz Al-Kaida hat dazu aufgerufen, US-Botschaften zu stürmen und Diplomaten zu töten. Bei Angriffen starben bereits etliche Menschen, unter ihnen der US-Botschafter in Libyen. Die französische Regierung rief die Medien des Landes am Dienstagabend dazu auf, vor dem Hintergrund der aktuellen Situation Verantwortungsbewusstsein zu zeigen. Er missbillige jeglichen Exzess, hieß es in einer Stellungnahme von Premierminister Jean-Marc Ayrault.

In Frankreich gelte die Meinungsfreiheit, zugleich müssten aber Toleranz und Respekt gegenüber religiösen Überzeugungen gewahrt bleiben.
Der Rat der Muslime Frankreichs CFCM verurteilte die Veröffentlichung als „neuen islamfeindlichen Akt“, rief aber dazu auf, besonnen zu reagieren. Ähnlich äußerte sich der Leiter der Großen Moschee von Paris, Dalil Boubakeur. (AFP, dapd)

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